Schweizer Allianz Mission: Partnerschaftliche Mission während Afrikas längstem Bürgerkrieg.

Rebellenführer Jonas Savimbi
Markt in Angola

Als nach dem Tod des Rebellenführers Jonas Savimbi in Angola nach jahrelangem Bürgerkrieg endlich ein Friedensabkommen unterzeichnet werden konnte, war die Freude bei der Bevökerung riesengross. Das Land steckt weiterhin in tiefen Problemen. Während des 30-jährigen Bürgerkrieges haben einige wenige Missionen das Land nicht aufgegeben. Ihr Einsatz hat sich gelohnt.

Der Rebellen-Führer Jonas Savimbi, Gründer der UNITA und Kämpfer seit 1966, wurde von Regierungstruppen umgebracht; kurz darauf unterzeichneten die beiden Kampfparteien einen Friedensvertrag, welcher der ehemaligen portugiesischen Kolonie nach über 40 Jahren Krieg die lang ersehnte Ruhe bringen soll. Damit können wir in der Schweiz zu anderen Tagesaktualitäten übergehen. In Angola bleiben aber die Wunden von zwei Generationen Krieg: Sichtbar sind über drei Millionen Flüchtlinge im eigenen Land, was fast einem Drittel der Bevölkerung entspricht. In den Herzen vieler leben Hoffnungslosigkeit, ein skrupelloser Überlebensdrang, Hass oder Opfermentalität. Dabei erwirtschaftet das Land statistisch gesehen 760 Franken Bruttoeinkommen pro Kopf und nimmt damit eine statistisch gesehen respektable Mittelposition in Afrika ein. Der Reichtum der Erdöl- und Diamanteneinkünfte fliesst aber in die Taschen weniger, und der Grossteil der Bevölkerung lebt in bitterer Armut. Was die Lebensqualität betrifft, nimmt Angola Rang 160 von 174 Ländern weltweit ein: Von 1000 Kindern sterben fast 300, bevor sie fünfjährig geworden sind. Durch dieses Elend sind auch die Kirchen herausgefordert. Nominell bezeichnen sich acht von zehn Angolaner/innen als Christen. An einem gewöhnlichen Wochenende besuchen über zehn Prozent der Bevölkerung einen christlichen Gottesdienst. Der evangelistische Eifer ist gross. Auch unter erheblichen Opfern und persönlichem Einsatz verkündigen junge Leute, Evangelisten, spezialisierte Teams oder einheimische Missionare das Evangelium in Slums oder Dörfern, wo es noch keine Gemeinde hat.

Ausländische Mission

noch erwünscht?
Braucht Angola noch ausländische Missionare? Wenn ja, was für Missionare und Missionarinnen? Auf diese Fragen antwortet José Evaristo Abias, der Präsident der evangelischen Allianz Angolas, zunächst mit einer Geschichte: "Nach einem Flugzeugabsturz fragte ich einmal einen Piloten: ‚Warum hat die Besatzung eigentlich keine Fallschirme?’ Seine Antwort gab mir zu denken. Wenn die Besatzung Fallschirme hätte, wäre sie für die Passagiere nicht glaubwürdig, wenn sie von der Sicherheit im Flugzeug redet. Die Besatzung würde vielleicht auch nicht alle ihre Möglichkeiten zur Rettung des Flugzeugs ausschöpfen, sondern könnte es in der Verzweiflung verlassen. Weil die Besatzung ebenso verwundbar ist wie die Passagiere, übernehmen sie mehr Verantwortung und geniessen grössere Glaubwürdigkeit – weil sie eben den Fluggästen gleich sind." Von der Erzählung kommt Abias auf die Menschwerdung von Jesus als Modell für Mission zu reden: "Obwohl er Gott gleich war, lebte er nicht wie Gott, während er bei uns Menschen war. Er unterwarf sich dem Schmerz, dem Hunger, dem Unverständnis, wie alle andern Menschen. Wie alle unterwarf sich auch Jesus dem Gesetz und wartete auf das erlaubte Alter für eine öffentliche Tätigkeit. Er gliederte sich in die Gemeinschaft ein, so dass er als vollwertiges Mitglied anerkannt war – und als er dann die Traditionen in Frage stellte, wurde er nicht als Ausländer abgestempelt, der sich in die ‚inneren Angelegenheiten’ des Volks einmischt."

Daraus leitet Abias Kriterien für ausländische Missionar/innen ab, die er gerne in seinem Land sehen würde:

1. Missionare, die Gott gegenüber loyaler sind als ihren sendenden Organisationen. Gott will, dass am Leib Christi alle Glieder gleichwertig sind und ihren Platz einnehmen.

2. Missionare, die sich in die Gemeinschaften einfügen können, die sensibel für die Kultur und nicht gefangen sind in ihrer Herkunft und Prägung.

3. Missionare, die nicht nur bei uns leben, sondern mit uns und so wie wir. Wer einen Ertrinkenden retten will, ohne sich nass zu machen, ist ein Widerspruch in sich selbst.

"Boavista": Gute Aussicht

Die Schweizer Allianz Mission (SAM) arbeitet seit gut hundert Jahren in Angola. Ob sie die erwähnten Kriterien erfüllt, können wohl die einheimischen Leiter besser beurteilen. Jedenfalls gehört es zu den Grundsätzen der SAM, Projekte partnerschaftlich zu planen und durchzuführen. Eines dieser Projekte ist ein augenmedizinischer Basisdienst für die südlichen Landesteile. Ausserhalb der Hauptstadt Luanda gab es keinen Augenarzt im ganzen Land. Dabei könnten viele Blinde mit einer einfachen Kataraktoperation ihr Augenlicht wieder erlangen. Mit der finanziellen Hilfe der Christoffel Blindenmission behandeln drei ausländische Ärzte und Ärztinnen zusammen mit vielen spezialisierten und angelernten angolanischen Krankenschwestern und
-pflegern tausende von Patienten pro Jahr in einem Einzugsgebiet von gegen vier Millionen Menschen. Das Krankenpflegepersonal wird in der zentralen Augenklinik Boavista in Benguela während dreier Monate jährlich in Ophthalmologie ausgebildet. Vor allem kirchliche, aber auch staatliche Institutionen senden ihre Leute zu diesem Kurs. Dann kehren sie auf ihre Gesundheitsposten zurück, wo sie Sprechstunden für Augenkranke anbieten. Die Fälle, die eine Operation benötigen, werden der südafrikanischen Ärztin oder dem kanadischen Arzt zugewiesen, die alle zwei bis drei Monate für eine Operationswoche anreisen. Gegen 2000 Menschen wurden im Jahr 2001 wieder sehend – und viele mehr haben durch die praktische Hilfe oder durch eine Andacht während der Wartezeiten im Gesundheitsposten die Liebe Gottes gespürt. Sogar während heisser Phasen des Krieges flog Doktor Estelle Frohling zu Operationseinsätzen in die abgeschnittenen Städte Luena oder Huambo. In Menongue operierte Doktor Steve Collins einen alten Mann, der 60 km weit zu Fuss gekommen war, geführt von seinen Söhnen. Er kehrte sehend in sein Dorf zurück. – Andere bleiben blind. Wenn möglich wird ihnen in Zusammenarbeit mit anderen Hilfsorganisationen mit Essen geholfen. Eine Schule für Blinde soll nächstes Jahr in Benguela eröffnet werden, um das Selbstwertgefühl dieser Menschen auf der untersten Stufe der gesellschaftlichen Leiter zu heben und ihnen Erwerbsmöglichkeiten zu geben. Ein angolanischer Arzt, der Christ ist, sich in Augenmedizin spezialisieren will und gleichzeitig bereit ist, in der Provinz zu leben, konnte leider noch nicht rekrutiert werden.

Kirchliche Ausbildung: Afrikanisch und biblisch

Der Präsident der evangelischen Allianz Angolas, José Evaristo Abias, legt seinen Finger auf einen wunden Punkt der Kirche in seinem Land: "Was die Leitung durch einheimische Kräfte betrifft, erstickt die beschränkte Ausbildung ihrer Leiter weiterhin ein gesundes Wachstum." Er beklagt auch, dass trotz über hundert Jahren evangelischer Missionstätigkeit noch kaum eine wirklich biblische Theologie im angolanischen Kontext entwickelt wurde. "Viele unserer afrikanischen Denker haben sich so sehr fremden Kulturen angepasst, dass ihre Reden und Schriften bedeutungslos für ihre ursprüngliche Umgebung sind." Hier ortet er ein weites Handlungsfeld für internationale kirchliche Zusammenarbeit, auch in Zukunft: Ausbildung angolanischer kirchlicher Leiter und Verwalter, aber nicht einfach mit westlichen Inhalten und Modellen, sondern gegründet in einer afrikanischen, biblischen Theologie. Die Schweizer Allianz Mission (SAM) betreibt schon mehrere Jahre eine evangelische Buchhandlung in der Hauptstadt Luanda. Zwei Schweizerinnen und zehn Angolaner importieren und vertreiben Bücher, mit denen Pastoren wenigstens teilweise ihre durch Krieg und Armut amputierte Ausbildung nachholen können. Eine Biographie eines angolanischen Autors sowie ein Buch über Leiterschaft, von einem Christen aus Ghana geschrieben, wurden durch die Buchhandlung der SAM gedruckt und verteilt. Die Literaturarbeit wird ab 2003 personell und finanziell aufgestockt. Im theologischen Seminar der evangelischen Allianz Angolas in Lubango arbeitete jahrelang ein Schweizer Ehepaar der SAM im Lehrer- und Leitungsteam mit.
Wenn hoffentlich in Angola wieder stabilere Verhältnisse mit Frieden und Gerechtigkeit zurückkommen, soll das Land aber bei Schweizer Christen nicht von den Gebetslisten verschwinden. Die partnerschaftlichen Missionsprojekte in Angola brauchen weiterhin Unterstützung. Andererseits können auch wir in der Schweiz von der Treue und dem Eifer der Christen im südwestafrikanischen Land lernen.

Paul Kleiner

*Der Theologe Paul Kleiner lebte von 1992 bis 2001 im Auftrag der Schweizer Allianz Mission (SAM) in Angola. Er unterrichtete am theologischen Seminar der Evangelischen Allianz Angolas in Lubango.

Kommentar: Weder Bildung noch Gesundheit

(th.) Ende Mai veröffentlichte das Nationale statistische Institut in Luanda die Ergebnisse einer in Zusammenarbeit mit Unicef durchgeführten Studie über die Lebensverhältnisse in Angola. Die in 6600 Haushalten durchgeführte Studie über die Situation von Frauen und Kindern ergab ein erschreckendes Bild: Über 50 Prozent der Kinder auf dem Land und 40 Prozent der Kinder in der Stadt gehen nicht zur Schule. Von zehn Frauen über 15 Jahren können auf dem Lande sieben nicht lesen und schreiben. 70 Prozent der Stadtbevölkerung und 40 Prozent der Landbevölkerung haben Zugang zu Trinkwasser und minimalen sanitären Anlagen. Etwa die Hälfte der Mütter gebären ihre Kinder ohne medizinische Unterstützung. Die Kindersterblichkeit ist weltweit die dritthöchste. 250 von 1000 lebend geborenen Kindern sterben in ihren ersten Lebensjahren. 30 Prozent der Kinder sind unterernährt. Malaria ist verantwortlich für rund 50 Prozent der Todesfälle von unter fünfjährigen Kindern, aber nur 10 Prozent der Kinder schlafen unter einem Moskitonetz. Von den unter 14-jährigen Kindern sind 750000 Waisen oder Halbwaisen. Währenddem in Angola der Grossteil der Bevölkerung in bitterer Armut lebt, haben einige Familien durch Öl-, Diamanten- und Waffenhandel einen ungeheuren Reichtum angehäuft. Der Staat hat bisher praktisch nichts unternommen, um das Gesundheits- und Bildungswesen zu verbessern.

Datum: 23.06.2002
Autor: k.A.
Quelle: idea Schweiz

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