Charlotte Knobloch ist neue Präsidentin des jüdischen Zentralrats

Der «Zentralrat der Juden in Deutschland» hat nun eine Präsidentin. Am Mittwoch, dem 7. Juni, wurde Charlotte Knobloch einstimmig als Nachfolgerin von Paul Spiegel in Frankfurt gewählt.
Charlotte Knobloch

Knobloch leitet damit als erste Frau diesen Verband, der die über 100.000 Juden in Deutschland sowie die jüdische Bevölkerung Osteuropas zusammenfasst. Seit 1985 steht sie bereits der Israelitischen Kultusgemeinde in München vor. 1997 wurde sie Stellvertreterin des damaligen Präsidenten Ignatz Bubis. Bei der Wahl im Jahr 2000 war sie noch dem Ende April verstorbenen Paul Spiegel unterlegen.

Grosse interne Herausforderungen

Die 73jährige sieht sich der schwierigen internen Aufgabe gegenüber, die jüdischen Gemeinden zusammenzuhalten. Politisch wolle sie den Einsatz ihrer Vorgänger gegen Fremdenfeindlichkeit und Extremismus fortführen, meinte sie in ersten Stellungnahmen.

Die jüdischen Gemeinden in Deutschland bestehen zum überwiegenden Teil aus Juden, die aus der früheren Sowjetunion ausgewandert sind. Sie stellen vielerorts 90 bis 100 Prozent der Gemeindeglieder. Hier gelte es, in drei Bereichen gleichzeitig zu helfen, wie Knobloch gegenüber dem ZDF erklärte: bei der Bewahrung der mitgebrachten Kultur, bei einer Hinführung zu einem oft unbekannt gewordenen Judentum sowie bei der Integrierung in die deutsche Gesellschaft.

Konstruktive politische Mitwirkung

Eine „moralische Instanz“, als die sich ihre Vorgänger verstanden hätten, wolle sie aber vor allem in jüdischen Fragen und fürs jüdische Selbstverständnis sein, hob die neue Präsidentin hervor. Dazu gehöre auch eine Diskussion darüber, wie sich Juden in Deutschland selber verstünden und wahrnähmen. Ausserdem möchte sie daran mitwirken, den Patriotismus-Begriff neu zu besetzen und damit anderen zuvorkommen.

In den Glückwünschen sprach Bundespräsident Horst Köhler von einer „schwierigen und zugleich besonders wichtigen Aufgabe“. Angela Merkel bot eine „gute Zusammenarbeit“ an, während Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber schon rückblickend sprechen konnte: Charlotte Knobloch habe sich bereits „in grossartiger Weise für eine Kultur des Respekts und des Dialogs in unserem Land eingesetzt“, meinte er.

Anklage-Erhebung gegen den iranischen Präsidenten?

Im Hinblick auf den iranischen Präsidenten Ahmedi-Nedschad ging Knobloch in die Offensive und nannte ihn gegenüber der «Bild»-Zeitung einen „zweiten Hitler“. Seine Leugnung des Holocaust dürfe er nicht hinter einer diplomatischen Immunität verbergen können. Sie forderte strafrechtliche Ermittlungen gegen ihn.

Den Dialog mit den christlichen Kirchen wie auch mit dem Islam wolle sie fortsetzen. Das Zentralinstitut Islam-Archiv Deutschland wünscht sich eine engere Zusammenarbeit mit dem Zentralrat. Kardinal Karl Lehmann von der Deutschen Bischofskonferenz freut sich auf die weiteren Kontakte; Bischof Wolfgang Huber hob die beeindruckende Lebenserfahrung von Charlotte Knobloch hervor.

Quellen: ZDF/epd/APD

Datum: 09.06.2006

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