Kirchen fordern rasche Regierungsbildung in Berlin

Kanzlerstreit
Paul Spiegel, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland

Berlin/Mainz/Köln – Vertreter der beiden grossen Kirchen haben die Parteien zur raschen Bildung einer stabilen Regierung aufgefordert. Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, sagte am Montag im ZDF, die Parteien müssten die Botschaft der Wähler aufgreifen. «Diese Botschaft lautet: Bitte tut euch zusammen und übernehmt Verantwortung für dieses Land.»

Die grossen Fragen der Menschen aufnehmen

Die Parteien hätten im Wahlkampf Einzelfragen in den Mittelpunkt gestellt und sich darüber zerstritten. Dies sei ein Fehler gewesen, sagte der EKD-Ratsvorsitzende. Es fehlten klare Vorstellungen über die Zukunft der Gesellschaft, das Miteinander der Generationen, den Umgang mit Kindern und alten Menschen in Deutschland. Alle Beteiligten müssten nun schnell anfangen, über diese Fragen «und nicht über Köpfe» zu reden.

Bisher hätten die Parteien nur zögernd eine Reformpolitik angefangen, die auf Grund zahlreicher Kompromisse zudem nicht stimmig sei, kritisierte der oberste Repräsentant von rund 26 Millionen Protestanten. Nun gebe es einen klaren Auftrag dazu, diese Fehler nicht fortzusetzen.

Sozialen Schutz gewährleisten

Der katholische Deutsche Caritasverband appellierte an die Parteien, bei den notwendigen Reformen den sozialen Schutz zu gewährleisten. Angesichts von fünf Millionen Arbeitslosen, einer wachsenden Zahl an Jugendlichen ohne Berufsausbildung und einer grossen Zahl pflegebedürftiger älterer Menschen seien alle gesellschaftlichen Kräfte nötig, um Lösungen zu finden, erklärte Caritas-Präsident Peter Neher in Berlin. Nach dem hitzigen Wahlkampf gelte es jetzt, die Gemeinsamkeiten der politischen Lager zu sehen und aufeinander zuzugehen.

Abfuhr für die NPD

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, sagte, er vertraue darauf, dass sich in absehbarer Zeit eine stabile Regierung bilde. Alle politisch Verantwortlichen seien sich dieser Aufgabe bewusst. Der Zentralratschef reagierte zudem erleichtert auf das schlechte Abschneiden rechtsextremer Parteien. Die Wähler hätten den Rechtsradikalen eine Abfuhr erteilt. Auch in Sachsen und Brandenburg, wo die NPD in einigen Wahlkreisen die Fünf-Prozent-Hürde übersprang, habe die Partei schlechter abgeschnitten als bei den Landtagswahlen, so Spiegel. Es sei gut, dass die Bürger faktisch das Verbot der NPD vollzogen hätten, das vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert sei.

Erwartungen der Juden

Spiegel äusserte die Erwartung, dass die künftige Bundesregierung die Bekämpfung des Rechtsradikalismus fortsetze. Es gehe dabei nicht nur um den Schutz der jüdischen Gemeinden, sondern um den Schutz des ganzen Landes und der Demokratie vor Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Die NPD kam nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis bundesweit bei den Zweitstimmen auf 1,6 Prozent, die Republikaner auf 0,6 Prozent. Er hoffe, dass sich die jüdischen Gemeinden in Deutschland weiterhin der moralischen und finanziellen Unterstützung durch die Bundesregierung sicher sein dürften, sagte Spiegel.

Datum: 20.09.2005
Quelle: Epd

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