Kirchen: Vorlage gefährdet Religionsfreiheit und Selbstbestimmung

Religionsfreiheit
Hermann Kues, CDU

Die deutschen Landeskirchen haben das geplante Antidiskriminierungsgesetz kritisiert. Zwar seien die von Rot-Grün verfolgten Ziele im Grundsatz annehmbar, doch gefährde die "hohe Regelungsdichte" den Status der Kirchen.

Die Kirchen wollen auch künftig nach ihrem Selbstverständnis über den Zugang zu ihren Einrichtungen oder Angeboten entscheiden. Befürchtet wird, dass ein solches Antidiskriminierungsgesetz die bevorzugte Einstellung von Mitarbeitern der eigenen Konfession verhindern könnte. Ebenso könnten die Forderung besonderer Loyalität im Dienst der Kirche sowie die Vermietung oder der Verkauf von Wohnraum kirchlicher Siedlungswerke bevorzugt an kirchenzugehörige junge Familien rechtlich anfechtbar werden.

„Bürokratiemonster“

Der Kirchen- und Religionsbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hermann Kues, bezeichnete die Vorlage nach einer Anhörung am Montag als „ein auf Staatserziehung zielendes Bürokratiemonster“. Es werde zu einer „Erschwerung der Religionsfreiheit und Religionsausübung insgesamt“ führen. Das Gesetz will auch Benachteiligungen aufgrund der „sexuellen Identität“ beseitigen.

Was wird aus der Freiheit, jemand wegen seines Glaubens einzustellen?

Konkret machte Kues geltend, dass „das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und kirchlichen Verbände insbesondere bei der Personalauswahl eingeschränkt wird. Es ist zu befürchten, dass eingestellte Mitarbeiter, die einer anderen Konfessionen angehören oder keine Glaubenszugehörigkeit haben, zu Präzedenzfällen gemacht werden, so dass bei einer Folgebewerbung die Konfession nicht mehr als Einstellungsbedingung angegeben werden kann.“

Laut Kues wird hier „der Weg der Zwangssäkularisierung beschritten. Zudem wird kirchlichen Arbeitgebern jeglicher Spielraum genommen, sich für konfessionsverschiedene Angestellte zu entscheiden.“

Weit über Brüsseler Vorgaben hinaus

Dies darf laut Kues nicht sein. Eine staatliche Antidiskriminierungsbehörde könne nicht in die geschützten Rechte der Kirchen eingreifen. Die Vorlage zwinge den Kirchen und deren karitativen Verbänden im Streitfall eine völlig unnötige Beweislast auf. „Der Gesetzentwurf ist weit über das Ziel, das die EU-Richtlinien vorgeben, hinausgeschossen. Die erfassten Diskriminierungstatbestände wurden ausgeweitet und wirken willkürlich ausgewählt.“

Kues kritisiert, dass „Umsetzungsspielräume und Erwägungsgründe anderer EU-Richtlinien, die den Status der Kirchen sichern, nicht berücksichtigt wurden“. Rot-Grün wolle die eigenen Moralvorstellungen per Gesetz festschreiben. „Diese bevormundende Politik ist eine Gefahr für unsere Rechtsgemeinschaft und die Kirchen. Der jetzige Gesetzentwurf ist zum Wohle der Kirchen abzuändern.“

Auch nicht gut für die Wirtschaft

Die CDU-Chefin Angela Merkel bezeichnete die Vorlage als „gutes Beispiel, wie Sozialdemokratie in Deutschland inzwischen am Gängelband der Grünen hängt“. Laut dem CDU-Arbeitsmarktexperten Karl-Josef Laumann legt das geplante Gesetz "dem Arbeitsmarkt wieder Fesseln an".

Auch aus der SPD selbst werden Vorbehalte gegen das Gesetz laut. Der nordrhein-westfälische SPD-Vorsitzende Harald Schartau, derzeit im Wahlkampf, machte geltend, durch weitere Auflagen für Betriebe könnten die Chancen auf neue Arbeitsplätze „nach unten gefahren werden“. Deutschland solle nicht über EU-Richtlinien hinausgehen.

Ziel: Benachteiligungen verhindern und beseitigen

In der im Dezember vorgestellten Fassung zielt das Gesetz darauf ab, „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“ (§ 1).

§ 9 regelt die „zulässige unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung“. Danach müssten die Kirchen künftig, um jemand wegen seines Glaubens zu bevorzugen, bei einer Einstellung eine „wesentliche, rechtmässige und gerechtfertigte berufliche Anforderung“ geltend machen können.


Der Kirchenparagraf

§ 9 lautet: „(1) Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung bei der Beschäftigung durch Religionsgesellschaften und Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen, auch zulässig, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung angesichts des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung nach der Art der bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmässige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.“

„(2) Das Verbot unterschiedlicher Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung berührt nicht die nach anderen Rechtsvorschriften bestehende Berechtigung der in Absatz 1 genannten Religionsgesellschaften oder Weltanschauungsvereinigungen, von ihren Beschäftigten ein loyales und aufrichtiges Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses verlangen zu können.“


Entwurf der Fraktionen von SPD und Grünen vom Dezember 2004:
www.spdfraktion.de/rs_datei/0,,4395,00.pdf

Quelle: Livenet/Kipa

Datum: 09.03.2005
Autor: Peter Schmid

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