USA: Grösste protestantische Kirche unterstützt Militärschlag

Militärschlag??

Washington. Die meisten Kirchen weltweit warnen vor einem Waffengang gegen den Irak. Unterstützung für seine Pläne zum Sturz von Diktator Saddam Hussein findet US-Präsident George W. Bush jedoch bei der grössten protestantischen Kirche seines Landes, den 16 Millionen Südlichen Baptisten. Zwar könne ein Militärschlag immer nur das letzte Mittel sein, doch seien in diesem Fall die Voraussetzungen für einen “gerechten Krieg” übererfüllt, erklärte Richard Land, Präsident der Kommission für Ethik und Religionsfreiheit.

Ein Militärschlag wäre angesichts der Massenvernichtungsmittel, über die Hussein verfüge, ein Verteidigungsakt. Die zu erwartenden Verluste an Menschenleben würden möglicherweise viel grösser, wenn man den Diktator in Bagdad gewähren lasse. Die USA dürften nicht warten, bis die europäischen Verbündeten sich zu einer Unterstützung bereitfänden. Über einen Einsatz amerikanischer Truppen habe weder die UNO noch die NATO zu befinden, sondern allein die Regierung der USA. Notfalls müssten die Vereinigten Staaten allein gegen einen “als Staatschef verkleideten Gangster” vorgehen, wie man es gemeinsam mit Grossbritannien bereits gegen Hitler getan habe. Die meisten Europäer, einschliesslich der Deutschen, seien froh darüber, so Land.

Ex-Präsident Carter: Sturz Husseins tragischer Fehler

Andere Baptisten in den USA und Grossbritannien sehen die Dinge nicht so. Der frühere US-Präsident Jimmy Carter warnt die US-Regierung davor, den Irak ohne UN-Mandat anzugreifen. Ein gewaltsamer Sturz Husseins wäre ein tragischer Fehler, weil er den Nahen Osten destabilisiere und die USA die Unterstützung von Verbündeten verlören. Der Generalsekretär des britischen Baptistenbundes, David Coffey, sagte, ein Präventivschlag gegen einen souveränen Staat ohne UN-Mandat sei ein gefährlicher Kurs. Es gebe viele andere böse Regime. “Wo ziehen wir die Grenze?” fragt Coffey. Ähnlich äusserte sich der Kirchenamtspräsident der Evangelisch-methodistischen Kirche in den USA, Jim Winkler. Präsident Bush ist selbst Methodist.

Initiative gegen Erstschlag

Auf Anregung des mennonitischen Sozialethikers Prof. Ron Sider (Philadelphia) haben sich 40 evangelikale Kirchenleiter in den USA gegen einen Erstschlag gegen Irak ausgesprochen. Statt dessen sollte Bush sich mehr um einen Waffenstillstand und einen Friedensvertrag zwischen Israel und den Palästinensern bemühen, heisst es in einem Offenen Brief. Zwar teile man mit der US-Regierung die Überzeugung, dass der irakische Präsident sowohl die Nachbarstaaten wie auch sein eigenes Volk bedrohe. Doch könne man aus “moralischen Gründen” einen Krieg nicht befürworten: “Das irakische Volk hat schon jetzt genug unter dem seit 20 Jahren anhaltenden Krieg und den Wirtschaftssanktionen gelitten.”

Weltkirchenrat: Der Versuchung widerstehen

In schriftlichen Botschaften an den irakischen Präsidenten sowie die diplomatischen Vertretungen der USA, Grossbritanniens, Frankreichs, Russlands und Chinas hat der neue Direktor des Weltkirchenratsausschusses für auswärtige Angelegenheiten, Peter Weiderud (Genf), vor den Folgen eines Krieges gewarnt. Die Staatengemeinschaft müsse der Versuchung widerstehen, unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung gegen einen souveränen Staat militärisch vorzugehen. Statt dessen gelte es, die UN-Resolutionen mit nicht-militärischen Mitteln durchzusetzen.

Sturz Husseins durch eine friedliche Revolution

In Grossbritannien hat eine Gruppe christlicher Vordenker einen “dritten Weg” im Irak-Konflikt vorgeschlagen. Einen gewaltfreien Sturz des Diktators durch die innerirakische Opposition regt die Gruppe Ekklesia an. “Millionen Irakis verabscheuen Saddam Hussein; sie sind ein riesiges Potential für eine gewaltfreie Widerstandsbewegung”, erklärte der Direktor von Ekklesia, Jonathan Bartley. So könne ziviler Ungehorsam und Arbeitsverweigerung von Mitarbeitern bei Ölförderanlagen eine existenzbedrohende Krise für Hussein heraufbeschwören. Friedliche Revolutionen hätten auch schon andere Diktatoren gestürzt, etwa Ferdinand Marcos auf den Philippinen.

Irak-Krieg würde Christenverfolgung verschärfen

Vor den Folgen eines amerikanisch geführten Irak-Kriegs für die christlichen Minderheiten in den Nachbarstaaten hat der pakistanische Kirchenvertreter Cecil Chaudry gewarnt. Chaudry, Mitglied der Kommission für Gerechtigkeit und Frieden der katholischen Bischofskonferenz, fürchtet, dass sich die Christenverfolgung noch verstärken würde. In den Augen der Extremisten käme ein Angriff auf den Irak einem Krieg des Christentums gegen den Islam gleich. Wenn die USA Bagdad ohne UN-Mandat angreifen sollten, würde in Pakistan “die Herrschaft des Terrors” anbrechen, meinte der frühere Militärpilot Chaudry.

Datum: 30.09.2002
Quelle: idea Deutschland

Publireportage
Werbung
Livenet Service
Werbung