Schritte zum Schuldenerlass am G-8-Gipfel?

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Frankfurt a.M. - Der G-8-Gipfel in Kanada muss nach Auffassung des deutschen Verbands für einen Schuldenerlass an Entwicklungsländer Schritte zur Bewältigung der Schuldenkrise in Lateinamerika unternehmen. "Es wird jeden Tag deutlicher, dass es in Brasilien, Uruguay und Paraguay Ansteckungseffekte aus der Argentinien-Krise gibt", sagte der Politische Koordinator des erlassjahr-Verbandes, Jürgen Kaiser. Die Verschuldung dieser Länder habe zum Teil ein kritisches Niveau erreicht. Ohne substanzielle Schuldenerlasse sei die Krise nicht zu bewältigen.

"Die Gläubiger können nicht einfach zusehen, wie Argentinien in einer Erdspalte verschwindet", erklärte Kaiser. Die Folge wäre eine Auflösung der staatlichen Strukturen, eine "Somalisierung". Eine solche Destabilisierung in Südamerika könne Washington nicht zulassen. Außerdem sei die Rückzahlung der Schulden ohnehin eine Illusion. "Einem nackten Mann kann man nicht in die Tasche greifen."

In Argentinien und Brasilien zeigt sich laut Kaiser "der ungebrochene Trend einer Entwicklung auf Pump". Die Schuldenkrise der 80er Jahre sei nicht gelöst worden. Die Rückzahlungsverpflichtungen habe man vielmehr mit Hilfe immer neuer Kredite erfüllt. Beide Länder hätten in der zweiten Hälfte der 90er Jahre mehr als 50 Prozent ihrer Exporterlöse für Zins und Tilgung aufbringen müssen.

Kaiser unterstrich die Dringlichkeit eines Schiedsverfahrens für überschuldete Länder. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) spreche von der Notwendigkeit eines "Restrukturierungsmechanismus", um alle Gläubiger und Schuldner einbeziehen zu können. Im Unterschied zu den 80er Jahren bestehen den Angaben zufolge die argentinischen Schulden nicht großteils aus Bankkrediten, sondern zu 80 Prozent aus Staatsanleihen, die auch viele in- und ausländische Kleinanleger zeichneten. Und Schuldner sind neben der Zentralregierung Provinzen und halbstaatliche Stellen.

Im Gegensatz zum IWF, der solche neuen Schuldenregelungsverfahren selbst leiten will, fordert die von kirchlichen Gruppen unterstützte Erlassjahr-Kampagne "eine wirklich neutrale Instanz". Dies könne ein Ad-hoc-Schiedsgericht oder eine Art Insolvenzgericht beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag sein, so Kaiser. Dieses unabhängige Gremium soll dann entscheiden, welche Schuldenlast für ein Land noch tragfähig ist, welchen Verzicht die Gläubiger leisten und welche Bedingungen das Schuldnerland erfüllen muss.

Datum: 27.06.2002
Quelle: Epd

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