Die Islamisierung spaltet Nigeria

halbmond

Jos - Seitdem zwölf Gliedstaaten im Norden Nigerias die Scharia eingeführt haben, ist der bevölkerungsreichste Staat Afrikas gespalten. Der deutsche Ethnologe Johannes Harnischfeger stellt in der NZZ Facetten der fortschreitenden Islamisierung dar. Nicht überall werden zwar die Bestimmung des islamischen Gesetzes (von einer strikten Trennung der Geschlechter bis hin zu öffentlichen Amputationen und Steinigungen) buchstäblich umgesetzt.

Doch, so Harnischfeger, "in jedem Fall ist die staatliche Obrigkeit nun damit beschäftigt, islamische Rechtsvorstellungen auch gegen den Widerstand der Bevölkerung durchzusetzen".
Der Protest der Christen gegen die Islamisierung in den religiös gemischten Gebieten hat zu blutigen Ausschreitungen geführt. Allein in Kaduna dürften bei Scharia-Unruhen im Februar und Mai 2000 insgesamt 5000 Personen ums Leben gekommen sein. Von der Polizei nicht geschützt, hätten sich die Christen in eigenen Wohngebiete zurückgezogen. Diese werden von Milizen gegen Attacken verteidigt.

Laut Harnischfeger sind Städte wie Jos und Kaduna mittlerweile entlang religiöser Grenzen gespalten. "Christliche Viertel, aus denen man die Muslime herausgedrängt oder vertrieben hat, wurden von ihren Bewohnern umbenannt in Neu-Jerusalem, Jesus-Zone oder Gelobtes Land. Umgekehrt geben auch Muslime ihren Siedlungen Namen, die anzeigen, wem sie gehören: Jihad-Zone, Saudiarabien, Zamfara-Staat oder Sitz von bin Ladin." In einigen Viertel leben Christen und Muslime noch dicht aufeinander - und bauen, um ihren Anspruch zu untermauern, weitere Gotteshäuser.

Die nigerianische Verfassung verbietet Gesetze, die ihr widersprechen. Zudem schafft die Scharia Ungleichheit zwischen den nigerianischen Bürgern: Amputationen und Kreuzigungen (im Gliedstaat Zafara ins Strafgesetz aufgenommen) sind inhumane Strafen, die den verfassungsmässig garantierten Menschenrechten zuwiderlaufen. Laut Harnischfeger lässt "die Regierung mit Steuergeldern Moscheen und Koranschulen bauen, während gleichzeitig Kirchen abgerissen werden, weil fürsie angeblich keine Baugenehmigungen vorlagen".

Nigeria zählt 113 Millionen Menschen in über 490 Volksgruppen. Die Dreiecks-Rivalität zwischen den grossen Völkern der Haussa/Fulani, der Igbo und der Yoruba hat die nigerianische Politik seit der Unabhängigkeit 1960 überschattet.

Quelle NZZ/livenet

Datum: 27.06.2002

Publireportage
Werbung
Livenet Service
Werbung