Hausgemachter Sprengstoff

Damit Jugendliche die Kurve kriegen

Sie hängen in der Lehre ab – wer hilft ihnen weiter? Der Aargauer Sozialunternehmer Hans-Peter Lang fordert christliche Unternehmer und Freiwillige auf, sich der Jugendlichen auf Schleuderkurs anzunehmen.
«Junge brauchen eine neue Qualität von Beziehung»: Hans-Peter Lang.
Von der Stiftung Wendepunkt vermittelt: Praktikum in der Schreinerei.

Livenet: Hans-Peter Lang, die Bedürfnisse von Jugendlichen treiben Sie seit Jahren um. Was beschäftigt Sie derzeit?
Hans-Peter Lang:
Mich erschüttert die hohe Zahl derer, die ihre Lehre abbrechen. Ich sprach vor kurzem mit dem Verantwortlichen des Sozialdienstes unserer Stiftung Wendepunkt. Die Jungen kommen zu uns, da sie den hohen Anforderungen der Betriebe (Sprache, Sozialverhalten, Konzentration, Pünktlichkeit, Verlässlichkeit) nicht genügen. Die Wirtschaft ist nicht bereit, die Kompetenzen und Fähigkeiten zu vermitteln, die das Elternhaus hätte trainieren müssen.

Zunehmend bemühen sich junge Erwachsene um eine IV-Rente, aber wir müssen akzeptieren, dass sie darauf keinen Anspruch haben. Sie drohen in die Sozialhilfe abzugleiten. Um sie ins Erwerbsleben zu bringen, braucht es also neue Modelle und Wege.

Die jüngste Studie zur Qualität psychiatrischer Gutachten für die IV wird nicht dazu führen, dass man psychische Probleme vermehrt als Grund für eine Rente akzeptiert.

Aktuell werden die Abklärungen und Anträge, die die Stiftung Wendepunkt für Junge macht, zur Hälfte von der IV abgelehnt. Wir reden mit der IV, damit die Betroffenen nicht in der Sozialhilfe landen. Und auch mit der Wirtschaft, um Praktikumsplätze zu finden. Darüber hinaus versuchen wir, mit Jugendlichen Vaterschaft zu leben. Sie brauchen eine neue Qualität von Beziehung, müssen sich selbst und ihre Werte kennen lernen.

Wie geschieht dies?
Wir haben das Vorbild von Jesus. Als seine Nachfolger versuchen wir, glaubwürdig zu sein und Vertrauen aufzubauen, um ihnen Hoffnung und eine neue Perspektive zu vermitteln.

Wie finden Sie Ausbildungs- und Praktikumsplätze?

Die Wirtschaft – so mein Eindruck – legt die Latte höher, und es fällt zunehmend schwer, die Jugendlichen so weit zu bringen, dass sie die Voraussetzungen für eine Berufsausbildung erfüllen. So wird der zweite Arbeitsmarkt wichtiger. In Gesprächen mit Führungskräften der Wirtschaft merke ich: Wir müssen Leute im zweiten Arbeitsmarkt beschäftigen, weil sie es im ersten nicht mehr schaffen. Wir müssen zugleich Arbeit für sie holen, damit sie nicht ins Ausland abwandert. Es geht um Dienstleistungen für die Metallindustrie und Verpackungsaufträge der Grossverteiler. 


Den Jungen geht es oft darum, dass wir sie in spezifische Firmen hineinbringen, aber dafür müssen sie zuerst aufgebaut und trainiert werden. Wir betreiben Gartenbau, eine Schreinerei und eine Garage. Vielleicht können sie eine Attest-Lehre machen – aber zuerst haben wir ihren Zustand zu stabilisieren. Wer die Lehre im zweiten Jahr abbricht, mit dem kann man nicht gleich arbeiten wie mit einem Schulabgänger, der keine Lehrstelle gefunden hat. Er ist wohl an fehlender Sozialkompetenz gescheitert. Mit passender Arbeit ist es nicht getan – mit Coaching muss er erst persönlich und charakterlich gefördert werden.

Was können Christen zu dieser Arbeit beitragen?

Es geht um Vaterschaft und Mutterschaft für junge Menschen. Wer bietet sie an, wer geht mit ihnen einen Weg? Christinnen und Christen müssten sich zusammentun mit KMU-Unternehmern, die ihnen eine Chance geben können. Die jungen Menschen brauchen eine Reich Gottes-Perspektive des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe.

Wir sind derzeit mit dem Verantwortlichen eines grossen Unternehmens in Kontakt mit dem Ziel, eine Sozialfirma im Unternehmen selbst aufzubauen. Es soll die Arbeit nicht auslagern, sondern sie selbst mit einer Struktur, die weniger Leistungsfähigen entgegenkommt, anbieten. Unser Ziel ist, dass das Unternehmen uns unter seinem Dach Arbeit gibt und wir mit unseren Leuten kommen können.

Arbeit verwoben mit Betreuung?
Ja, wir stehen vor neuen Herausforderungen. Handlungs- und Sozialkompetenzen nehmen rapide ab, mehr als ich es vorhersah. Jugendliche leben ihr Leben, sind online, gamen, haben keine Ziele in der realen Welt, hängen ab, wenn es für sie nicht mehr stimmt, so wie es die Postmoderne lehrt – und dies ohne Scham zu empfinden. Sie sind kontaktarm und scheuen Beziehungen. Viele kommen aus Scheidungsfamilien.

Datum: 08.05.2013
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet

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