Position beziehen

Soziologe: «Christen sind die letzten Kapitalismus-Kritiker»

Christen sind «offenbar die letzten Kritiker des Kapitalismus» – und als solche aktuell «deutlicher wahrnehmbar als etwa die politische Linke». Diese These stellte der deutsche Wirtschaftssoziologe Christoph Deutschmann in den Raum.
Gier

Eigentlich gäbe es angesichts der aktuellen europäischen Krisensituation einen grossen Bedarf an kritischen linken Positionen. Vom Ende des real existierenden Sozialismus habe sich die Linke jedoch kaum erholt, daher könne sie – anders als das Christentum – auch keine kritische Position mehr gegenüber einem «alternativlos erscheinenden Kapitalismus» formulieren, so Deutschmann am Rande der Tagung «Religion und Kapitalismus» in Wien.

Deutschmann, der vor rund zehn Jahren durch ein Werk über die «religiöse Natur des Kapitalismus» bekannt wurde, sprach als Eröffnungsredner der dreitägigen Konferenz über «Capitalism, religion and the idea of the demonic» (engl: Kapitalismus, Religion und Idee des Dämonischen). An der Tagung versammelten sich Juristen, Soziologen, Wirtschaftsexperten und Theologen.

Nach dem Kapitalismus?

Die Soziologie wie auch die Wirtschaftswissenschaften stecken laut Deutschmann derzeit «in einem Dilemma, da sie nicht wissen, was nach dem Kapitalismus kommt». Eine wirksame Kapitalismus-Kritik habe jedoch «nur dann Kraft und Substanz, wenn man die Möglichkeit des Kommenden im Blick hat».

Diesen Blick könnten andere Wissenschaften von den Religionen und im Speziellen von den christlichen Konfessionen lernen, so Deutschmann. Auch wenn die empirischen Wissenschaften keine theologischen Positionen einnehmen könnten, so übe dieser Blick über die realen politischen Zustände hinaus doch eine «grosse Faszination aus».

«Religiösen Charakter»

Dass eine Kritik des Kapitalismus als System notwendig ist, liege laut Deutschmann auf der Hand. «Der Kapitalismus ist nicht nur ein harmloses ökonomisches System, sondern erhebt einen umfassenden Geltungsanspruch, dem sich keiner entziehen kann.» Damit nehme der Kapitalismus in seinen Spitzen gar «religiösen Charakter» an und fordere die Religionen zu einer Positionierung heraus.

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Datum: 04.02.2013
Quelle: Kipa

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