München. In einer Zeit der Wirtschaftsflaute florieren die Geschäfte der Esoteriker, Sterndeuter und Wahrsager. Allein die deutsche Astrologiebranche setzt jährlich rund 150 Millionen Euro um; Geistheiler und Wahrsager kassieren eine Viertel Milliarde Euro ab. “Das Sammelsurium aus Erdstrahlen-Absorbern, Aromatherapie-Fläschchen und feinstofflichen Wasserentkalkern, verlockenden Engel-Seminaren, Volkshochschulen in Reiki und Schamanen-Urlauben am Amazonas bläht sich zu einer gewaltigen Gesundheits-, Glücks- und Sinnsuche-Wirtschaft auf”, berichtet das Nachrichtenmagazin Focus (München). Dabei seien die Angebote äusserst fragwürdig. Konkrete Wirkungen hätten sie nicht, erklärt der Seminardirektor und Beauftragte des bayerischen Lehrerverbandes, Wolfgang Hund (Hersbruck bei Nürnberg). Bei nüchterner Analyse müssten auch die Anbieter zu dem Ergebnis kommen, dass sie über keine geheimnisvollen Kräfte verfügten. “Aber so viel Selbstkritik wäre von jemandem, der 1.000, 2.000 oder mehr Euro am Tag mit dem Wahrsagen verdient, eine übermenschliche Leistung”, so der Okkultismus-Fachmann.
“Untaugliches Krisenmanagement”
In “Focus” wirft der Leiter des Forums kritische Psychologie, Colin Goldner (München), den Esoterik-Anbietern vor, ihrer Kundschaft das Blaue vom Himmel herab zu versprechen. Viele Menschen suchten in Krisenzeiten ihr Heil bei Autoritäten, die aus kosmischen oder universellen Gesetzen angeblich ewig Gültiges und Verlässliches herleiteten. “Psycho-Gurus” gäben ihren Kunden das Gefühl, zu einer neuen Elite zu gehören. Deshalb sei Esoterik “eine Form untauglichen Krisenmanagements”. Der auf Geistheilungen spezialisierte Wissenschaftspublizist Harald Wiesendanger (Schönbrunn bei Heidelberg) ist überzeugt, dass nur jeder zehnte der etwa 7.000 haupt- und nebenberuflichen Heiler eine echte Therapie anbiete. Die übrigen arbeiteten mit Suggestionen und verteilten Placebos, also Pillen ohne Wirkstoff.
