Regeln der Wirtschaft können der Kirche helfen

Wirtschaft und Kirche

Arnoldsheim. Wenn ein Unternehmen Erfolg haben will, muss es sich den Regeln der Betriebswirtschaft stellen. Gilt das auch für die Kirche? Die Frage, ob Kirche und Management zusammenpassen, beschäftigte rund 100 Teilnehmer einer Tagung des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer (AEU) in Arnoldsheim.

Kirchengemeinden sind mittelständische Unternehmen und müssen auch so geführt werden, sagen Wirtschafts-Experten wie der Münchener Peter Barrenstein, Direktor der Unternehmungsberatung McKinsey. Die Kirche kann sich den weitgehenden Verzicht auf moderne Führungsmethoden nicht mehr leisten, ist auch AEU-Vorsitzender Michael Freiherr Truchsess überzeugt.

Kontroverse

Erst kürzlich hatten in mehreren Beiträgen der Süddeutschen Zeitung Kirchenleute und Marketing-Experten darüber gestritten, ob die Kirche ein Unternehmen wie jedes andere sei. Mehrfach hatten Theologen widersprochen: Die Logik der Marktwirtschaft sei ein fremdes Gesetz anstelle von Vertrauen auf den Heiligen Geist und Hören auf das Evangelium. Die Kirche, so die Kritiker, sei kein Unternehmen, das Waren feilbiete. Wer zudem ausschliesslich Kunden zufrieden stellen wolle, laufe Gefahr, das Anstössige der Kreuzesbotschaft zu vertuschen.

Als Beleg dafür wurde auf der Tagung eine Studie des Daimler-Chrysler-Unternehmens vorgestellt, in der die Kirche ausschliesslich unter ökonomischen Gesichtspunkten gesehen wird: Die Kirche müsse danach als Agentur für Lebensdeutungen bestrebt sein, den Menschen ausseralltägliche Erfahrungen, Erfahrungen von Glück, als heilvolle Gegenwart Gottes zu verkaufen. Für den Gottesdienst müsse Eintritt gezahlt werden, die Höhe richte sich nach der Güte des Predigers und des Leistungspaketes. Die Teilnahme am Abendmahl koste Aufpreis.

Evangelische Christen keine Befehlsempfänger

Neben der Furcht vor Verzerrung der biblischen Botschaft gab es weitere Kritik. Die strenge Führungsstruktur, wie sie Wirtschaftsunternehmen voraussetzten, widerspreche dem urprotestantischen Gedanken vom Priestertum aller Gläubigen. Evangelische Christen seien keine Befehlsempfänger, sondern müssten ihren Glauben individuell vor Gott und Gewissen verantworten, eine Haltung, die auf der AEU-Tagung besonders der Göttinger Theologieprofessor Jan Hermelink betonte.

Eine Verbindung von Management-Prinzipien und biblischer Grundlage suchte dagegen Michael Herbst, Professor für Praktische Theologie in Greifswald. Herbst unterschied zwischen dem, was in der Kirche organisierbar und dem, was nicht den Regeln der Machbarkeit unterworfen sei: auf der einen Seite unverfügbare Spiritualiät, auf der anderen Seite planbares Management.

„Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich unter ihnen“, rief Herbst in Erinnerung. „Dass sich die zwei oder drei versammeln, kann ich organisieren. Dass sich dann aber Gemeinde ereignet, die unsichtbare, geglaubte Anwesenheit des Auferstandenen, das ist nicht organisierbar.“ Die spirituelle Seite entziehe sich damit jeder Logik und den Gesetzen von Kaufen und von Verkaufen. Nur beim Organisierbaren sei die Kirche wie ein Unternehmen zu betrachten.

Gute Absichten genügen nicht

Spirituelles Gemeindemanagement ist der Name des Programms, das Herbst gemeinsam mit Marketing-Fachleuten und Theologen aufgestellt hat. Seine Bewährungsprobe muss es jetzt bestehen. Bischof Hans-Jürgen Abromeit hat das spirituelle Gemeindemanagement erst kürzlich zur Grundlage des missionarischen Gemeindeaufbaus gemacht. „Es reicht nicht, wenn eine Gemeinde gute Absichten hat“, so Herbst. Sie müsse konkrete Ziele benennen, die sie nach Inhalt, Ausmass, Zielgruppe und Zeitdauer überprüfen könne. Beispiel für eine überprüfbare Zieldefinition sei etwa das Vorhaben: Wir werden in den nächsten fünf Jahren den Anteil der 30- bis 45-Jährigen in den Veranstaltungen der Gemeinde durch intensive Kontaktarbeit und gezielte Angebote im Neubaugebiet erhöhen.

Zwar sei Erfolg auch durch diese Zielsetzung nicht machbar – die Gemeinde könne den Segen für ihre Arbeit nur erbitten – Aber, so Herbst, konkrete Ziele seien Anstösse zu konzentriertem Arbeiten. In diesem Sinne könnten Instrumente des Managements helfen, Kräfte zu bündeln und Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden.

Würden diese Überlegungen in Aus- und Fortbildung kirchlicher Mitarbeiter umgesetzt, könnte es demnächst tatsächlich heissen: „Unsere junge Pfarrerin ist leitende Angestellte in einem dynamischen Unternehmen, und sie entwickelt unternehmerische Freude am Wachstum der Gemeinde.“

Datum: 25.09.2002
Quelle: Epd

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