Familie ohne Bundesartikel

Urschweizer wollen keine Staatskinder

Die Schweiz hat entschieden: Die Mehrheit der Bevölkerung wollte einen Familienartikel in der Bundesverfassung, aber die Mehrheit der Kantone wollte ihn nicht. Die Familie wird aber Thema weiterer Abstimmungskämpfe bleiben. 
Familie mit 2 Kindern

Die SVP hat es mit viel Geld, mit der Berufung auf alte Familienwerte und mit Reizworten wie «Staatskinder» geschafft, eine Mehrheit der Kantone gegen den vom Parlament vorgeschlagenen Familienartikel zu mobilisieren. Viele Christen und Eltern mit traditionellen Rollenbildern dürften ihr dabei geholfen haben. 

Traditionelle Familie schützen

Ob es der Partei mehr um die Verhinderung von mehr Staat oder bereits um ihre eigene Familieninitiative, welche traditionelle Familien fördern will, gegangen ist, sei dahingestellt. Sie setzt auf Familien, die ihre Kinder selbst betreuen. Die Familien, bei denen der Vater traditionell das Haupteinkommen besorgt und die Mutter die Kinder betreut, sind aber mit rund einem Viertel heute in der Schweiz in der Minderheit. Besonders in christlichen Kreisen findet die Idee Unterstützung, diese Familienform durch gesetzliche Massnahmen zu unterstützen oder Gesetze zu verhindern, welche andere Familien- und Betreuungsformen stärken wollen. 

Berechtigtes Misstrauen gegen Fremdbetreuung

Das Resultat zeigt aber auch, dass es nicht nur vielen Eltern, sondern auch Grosseltern und Nachbarn wichtig ist, die Enkel oder Nachbarskinder ohne Hilfe einer Krippe zu betreuen und mitzuerziehen. Während die Staatsschule allseits hoch akzeptiert ist, gibt es ein verbreitetes und zum Teil berechtigtes Misstrauen gegen die Kleinkinderbetreuung in Institutionen mit professionellem und oft wechselndem Erziehungspersonal.

Problematisch ist die Fremdbetreuung besonders vor dem dritten Altersjahr. Denn hier ist die Bindung an eine oder allenfalls mehrere Bezugspersonen sehr wichtig. Dazu kommt, dass es in der Schweiz oft schwierig ist, öffentliche Unterstützung für Privatinitiative im Bereich von Erziehung, Betreuung und Ausbildung zu erhalten. Berufsverbände und Behörden setzen die Latte sehr hoch. Die Schweiz ist ein Land mit einem verbreiteten und staatlich geschützten Perfektionismus.

Wie weiter? Leichter dürfte es in Zukunft sein, die Familien durch die Reduzierung steuerlicher Abgaben zu entlasten, auch wenn dies gerade finanziell schwächeren Familien weniger nützt. Die CVP und die SVP haben drei Volksinitiativen in der Pipeline, welche den Staat zwar nicht mehr kosten, ihm aber die Einnahmen reduzieren. Die CVP will «Steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen» und die Eliminierung der «Heiratsstrafe». Die SVP kämpft mit einer Initiative dafür, dass Eltern, die ihre Kinder selbst betreuen, ebenso viele Steuerabzüge machen können wie Eltern, die Kinder fremdbetreuen lassen. Die CVP setzt auf Plausibilität ihrer Anliegen und Gerechtigkeitsempfinden, die SVP auf das traditionelle Familienbild. Insofern war auch ihr Kampf gegen den Familienartikel konsequent und wohl eine Vorbereitung auf den Abstimmungskampf um ihre Familieninitiative.

Datum: 05.03.2013
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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