Scheidungsfolgen

Über Generationen wirksam

Jedes Jahr erleben etwa 200'000 Kinder in Deutschland, dass sich ihre Eltern trennen. In der Schweiz sind es jährlich um 15‘000 unmündige Kinder. Ein Bericht der deutschen Regierung wendet sich jetzt dagegen, die Folgen von Scheidungen für die Kinder zu bagatellisieren.
Scheidungsfolgen

Lange bestand Konsens darüber, dass Trennungen der Eltern Kinder schwer belasten und die «Festigkeit der Kernfamilie» für ihr Wohlergehen wesentlich ist. Befürwortern eines neuen Leitbilds der «sozialen Elternschaft» gilt dagegen die «Orientierung der Öffentlichkeit am alten Ideal der Kernfamilie» (Renate Schmidt) als «überholt».

In diesem Sinne betont der siebte Familienbericht der deutschen Bundesregierung, dass eine gesunde Entwicklung von Kindern «mit einem breiten Spektrum familialer Lebensformen vereinbar» sei. Aus dieser Sicht sollen Trennung und Scheidung «entdramatisiert und als zu bewältigende Erfahrung konzipiert» werden.

Eher Neigung zu Gewalt

Gleichzeitig muss die Regierung jedoch einräumen, dass Scheidungen zu den «am meisten belastenden Lebensereignissen von Kindern» zählen. Insbesondere die anfängliche Phase der Elterntrennung sei «für die grosse Mehrheit der Kinder recht belastend», zumal die meisten Kinder «auf die Elterntrennung emotional nicht vorbereitet» seien. Trennungen der Eltern beeinträchtigten «das Selbstwertgefühl der Kinder, soziale und kognitive Kompetenzen sowie die schulischen Leistungen».

Scheidungskinder zeigen laut dem Bericht «vermehrte Tendenzen zu externalisierenden und internalisierenden Bewältigungsstrategien», sie werden also häufiger psychisch auffällig. Vor allem männliche Scheidungswaisen sind anfälliger für Drogenkonsum, Delinquenz und Gewalt. Zwar verhalten sich in der Adoleszenz auch Kinder aus äusserlich intakten Kernfamilien nicht selten destruktiv und antisozial. Im Vergleich zu diesen ist das «Risiko von Anpassungsproblemen» bei Scheidungskindern im Vergleich jedoch mindestens doppelt so hoch.

Bindungsscheu

Dauerhaft belastet bleibt in vielen Fällen die Beziehung zu den eigenen Eltern, insbesondere zum leiblichen Vater. Dies wiederum beeinträchtigt häufig Beziehungen noch im Erwachsenenalter: Kindern, die Trennungen oder gravierende Partnerschaftskonflikte ihrer Eltern erlebten, fällt es später schwerer, ihrem Partner zu vertrauen. Sie tendieren dazu, langfristige Bindungen zu vermeiden, sind unsicherer in ihren Partnerschaften und lösen diese schneller wieder auf. Deshalb scheuen Kinder geschiedener Eltern eher die Ehe und leben häufiger in weniger institutionalisierten und instabileren Partnerschaftsformen wie der nichtehelichen Lebensgemeinschaft (NEL).

Entscheiden sie sich für die Ehe, ist das Scheidungsrisiko grösser. Die Gefahr des Scheiterns von Ehe und Partnerschaften wird so über die Generationen vererbt. Der entscheidende Transmissionsriemen von Generation zu Generation sind dabei die durch die Trennung verunsicherten Eltern-Kind-Beziehungen. Im Blick auf die langfristige Bedeutung sicherer kindlicher Bindungen zu Vater und Mutter, warnte der Entwicklungspsychologe Klaus Grossmann davor, Scheidung als eine «Chance für Reorganisation» zu beschönigen.

Links zum Thema:
Scheidungsfolgen: Über Generationen wirksam
Scheidungskinder in der Schweiz (Seite 10: Statistik bis 2007)
Familienreport 2009 des deutschen Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Quelle: Livenet/ SSF, i-daf

Datum: 03.04.2010

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