«Thema aufgezwungen»

Tritt das BAG den Jugendschutz mit Füssen?

Im Hauptverfahren gegen die hochsexualisierte HIV-Präventionskampagne «Love Life» haben die 35 minderjährigen Beschwerdeführer am 15. Dezember 2014 ihre Antwort auf die Stellungnahme des BAG beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht. Fachleute aus Psychologie und Psychiatrie qualifizieren darin die Kampagne u.a. als «massiven Verstoss gegen die UN-Kinderrechtskonvention».
Eines der überklebten Love Life-Plakate beim Bahnhof Herisau.
Love Life-Plakat

Das BAG war im August 2014 auf das Gesuch von 35 Minderjährigen, welche im Juli mit Berufung auf ihre gesetzlich geschützten «besonderen schutzwürdigen Interessen» den sofortigen Stopp der HIV-Präventionskampagne «Love Life» gefordert hatten, nicht eingegangen. Die Kinder und Jugendlichen reichten daraufhin eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Kinder können Bilder als «gewalttätig» erleben

Davon abgesehen, dass 50 Prozent der Kampagnen-Bilder homoerotische Szenen zeigen und dadurch «ein völlig verzerrtes Bild von der Häufigkeit der Homosexualität und ihrer Bedeutung für die Gesellschaft» vermittelten, werfen die Initianten in ihrer Stellungnahme der «Love Life»-Kampagne auch einen Verstoss gegen die UN-Kinderrechtskonvention vor. Dieser zufolge benötigt «das Kind wegen seiner mangelnden körperlichen und geistigen Reife besonderen Schutz und besondere Fürsorge».

Es sei «das Recht des Kindes, in der Intimität der Familie und in einer geeigneten Atmosphäre an das Thema Sexualität herangeführt zu werden», schreiben die Initianten in einer Pressemitteilung: «Dem entspricht das Recht der Eltern, darüber zu bestimmen, wann und wie sie ihre Kinder an dieses Thema heranführen. Die Plakate der Präventionskampagne im öffentlichen Raum hingegen zwingen den Kindern und ihren Eltern das Thema Sexualität zu einem nicht ausgewählten Zeitpunkt an völlig ungeeignetem Material auf.»

Kinder hätten, wie Dr. Christian Spaemann, Facharzt für Psychiatrie und psycho-therapeutische Medizin, ausführt, noch keinen internen Zugang zur Sexualität als eigenständige Realität. «Insofern sind Plakate, auf denen leidenschaftliche sexuelle Szenen dargestellt werden, für Kinder absolut irritierend, da auf ihnen ein für Kinderaugen wahrnehmbarer Aspekt von Liebe nicht zum Tragen kommt und sie die Bilder teilweise sogar als gewalttätig erleben können.»

«Neurobiologische Prozesse verstärken Effekt von Sex-Bildern»

Für Jugendliche sei «die Konfrontation mit dem pornographischen Bild- und Filmmaterial der «Love Life»-Kampagne besonders prägend», so die Initianten. Sexualität spiele zwar ab der Pubertät eine immer wichtigere Rolle. Es könne aber in der Regel noch kein Vergleich zum eigenen Erleben partnerschaftlicher Sexualität gezogen werden. Die sexuell aufreizenden Bilder, isoliert von Liebe, Affektivität und Intimität aufgenommen, würden die sexuellen Vorlieben der Jugendlichen auch darum besonders prägen, weil sich die entsprechende Gehirnstruktur in diesem Alter erst ausbildet.

Eine besondere Verletzlichkeit von Kindern und Jugendlichen liegt auch deshalb vor, weil Heranwachsende in der Phase ihrer sexuellen Identitätsfindung, Verunsicherung und Normorientierung (was ist angesagt, was ist «normal»?) besonders stark beeinflussbar sind.

Schutz vor der Kampagne von «grossem öffentlichem Interesse»?

Das Anliegen nach Schutz vor der «Love Life»-Kampagne sei somit keineswegs einfach hypothetisch, sondern von grossem öffentlichem Interesse, welches im Artikel 11 der Bundesverfassung verankert wurde und in diversen anderen Gesetzesbestimmungen zum Ausdruck kommt, schreiben die Beschwerdeführenden. Und sie fahren fort: «Es ist deshalb umso anstössiger, dass eine Bundesbehörde bei einer Präventions-Kampagne das gesamte Wissen um die psychologische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen schlichtweg missachtet und diesen Jugendschutzaspekt mit Füssen tritt.»

Da eine derartige Ignoranz, wie sie die «Love Life»-Kampagne zeigt, für eine Gesundheitsbehörde kein Versehen sein könne, müsse man die Frage stellen, ob gewisse Kreise innerhalb des BAG die sexuelle Entwicklung von Kindern und Jugendlichen aus ideologischen Gründen absichtlich zu manipulieren versuchten. Zudem widerspräche ein von Oben in Gesellschaft und Privatsphäre einwirkender Staat einem freiheitlich-demokratischen Staatsverständnis. Provokativ fragen sie darum: «Wer stoppt das BAG?»

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Datum: 19.12.2014
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet

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