Die katholischen Ärzte melden vor allem Widerstand gegen den "Autonomiebegriff" an. Dieser stehe in engem Zusammenhang mit dem ärztlich assistierten Suizid. Die VKSA warnt: "Die Autonomie hat ihre Grenzen, nämlich beim Festsetzen des Todeszeitpunktes." In den neuen Richtlinien der SAMW werde vom "Wunsch nach Suizidhilfe" gesprochen. Diesen Suizidwunsch vermöge aber niemand richtig zu beurteilen, auch der Betroffene nicht, schreiben die katholischen Ärzte. Das Verlangen eines Patienten nach "aktiver Tötung" (und dazu gehöre die Suizidbeihilfe) entspreche "kaum jemals einem echten Wunsch, sondern ist Folge eines Zustandes tiefer Hoffnungslosigkeit und als Hilferuf nach mehr Zuwendung zu verstehen". Diese Zuwendung sei Bestandteil der Palliativmedizin, die in der Schweiz einen "beachtlichen Stand" erreicht habe. Die Anwendung der neuen Richtlinien würde den weiteren Ausbau der Palliativmedizin gefährden, schreibt die VKSA. Dem Suizidwunsch eines Patienten nicht nachzukommen, werde für einen Arzt schwierig, falls die neuen Richtlinien verabschiedet werden. Ein Arzt, der sich der Suizidhilfe widersetze, werde von seiner Standesorganisation im Stich gelassen werden. Denn die SAMW-Richtlinien seien "faktisch verbindlich". Verweigere ein Arzt den Beistand bei einem Suizid, so müsse er sich künftig den Vorwurf gefallen lassen, "er leiste sich auf Kosten seines leidenden Patienten den Luxus eines privaten Gewissens". Die Bejahung der Suizidbeihilfe bedeute einen Bruch mit der hippokratischen Tradition, betonen die katholischen Ärzte. Gerade in demographisch und wirtschaftlich schwierigen Zeiten liege zudem die Versuchung nahe, die aktive Sterbehilfe zu fördern, "heute als Suizidhilfe, morgen als Tötung durch Dritte". Die in den vorgesehenen Richtlinien "noch mit anerkennenswert restriktiven Leitplanken versehene Suizidhilfe" könnte zu einer Eigendynamik führen, "wie sie in der Geschichte keineswegs neu ist". Der Arzt dürfe nicht zum "gefährlichsten Mensch im Staat" werden. In den "Medizinisch-ethischen Richtlinien für die Betreuung von Patienten am Lebensende" der SAMW, die sich zur Zeit in der Vernehmlassung befinden, heisst es, in bestimmten Situationen könne der Verzicht auf lebenserhaltende Massnahmen oder deren Abbruch - auch "passive Sterbehilfe" genannt - gerechtfertigt sein. Die Richtlinien verweisen auf das Strafgesetzbuch. Dieses bestimme, die Beihilfe zum Suizid sei straflos, wenn sie ohne selbstsüchtige Beweggründe erfolge. Dies gelte für alle Personen. Für Ärzte bestehe bei Patienten am Lebensende die Aufgabe darin, Symptome zu lindern und den Patienten zu begleiten. Trotzdem könne am Lebensende in einer "für den Betroffenen unerträglichen Situation", so die SAMW-Richtlinien, der Wunsch nach Suizidbeihilfe entstehen und dauerhaft bestehen bleiben. In dieser Grenzsituation könne für den Arzt ein schwer lösbarer Konflikt entstehen. Auf der einen Seite sei die Beihilfe zum Suizid nicht Teil der ärztlichen Tätigkeit, denn der Arzt sei verpflichtet, seine ärztlichen Kompetenzen zur Heilung, Linderung und Begleitung einzusetzen. Auf der anderen Seite habe er den "Willen des Patienten zu achten". Das könne auch bedeuten, "dass eine persönliche Gewissensentscheidung des Arztes, im Einzelfall Beihilfe zum Suizid zu leisten, zu respektieren ist". Der letzte Akt der zum Tode führenden Handlung müsse in jedem Fall durch den Patienten geschehen. Hingegen ist gemäss SAMW "die Tötung eines Patienten - auch aktive Sterbehilfe genannt" vom Arzt auch bei ernsthaftem und eindringlichem Verlangen des urteilsfähigen Patienten abzulehnen. SAMW-Richtlinien zur Vernehmlassung: Livenet-Artikel zur SAMW-Richtlinien:Palliativmedizin gefährdet
Dammbruch verhindern
Die neuen SAMW-Richtlinien
"Willen des Patienten achten"
www.samw.ch/content/Richtlinien/d_RL_Sterbehilfe.pdf
www.livenet.ch/www/index.php/D/article/180/12538/
Datum: 04.05.2004
Quelle: Kipa