Erziehung und Sexualität

Aufklärung im Heimalltag

Vor Jahren führten wir im Schulheim Scharans vor den Sommerferien einen Thementag zum Thema „Aufklärung, Sexualität, Lust und Verhütung“ durch. Mit den Jugendlichen wollten wir die „Dinge“ beim Namen nennen. Der Austausch, das Fragen und Lernen an diesem Tag ist allen in guter Erinnerung geblieben.
Knabe und Mädchen
Suchen das Gespräch: Adrian Bachmann (links) und Mathias Finger

Ein Mädchen fehlte an diesem Tag. Zwei Monate später trieb es ein ungewolltes Kind ab. Vielleicht hätte unsere Aufklärung die Jugendliche nicht davor bewahrt. Doch uns zeigte dieser Vorfall, wie wichtig kontinuierliche und fundierte Aufklärung ist.

Unsere christlichen, moralisch anspruchsvollen Standpunkte bei der Sexualität stehen in krassem Gegensatz zur möglichen Erlebniswelt der Jugendlichen. Wir laufen leicht Gefahr, dass unsere Theorie und Praxis so weit auseinanderklaffen, dass unsere Jugendlichen uns nur ein müdes Lächeln für unsere Aufklärung schenken.

Einschlägige Videos

Wir reden über Treue, Verhütung und vielleicht sogar über Vorspiel und Beischlaf – und das ist gut so. Aber hinter vorgehaltener Hand werden unter den Jungs ganz andere Fragen herum geboten. Aus einschlägigen Videos sind ihnen krasse Bilder bekannt. Sollen wir das ansprechen? Wir meinen ja. Bleiben heikle Frage tabu, so überlassen wir das Thema „kampflos“ anderen Einflüssen.

Unseren Kindern wollen wir mitgeben, dass wir die Zurückhaltung in der vorehelichen Sexualität richtig finden. Aber sie erfahren von uns auch Genaues über die „notfallmässige“ Verwendung von Verhütungsmitteln. Dass Sinnlichkeit, Lust und Sexualität wunderbar und keineswegs pervers sind, wie das mancher Pubertierende manchmal befürchtet: auch diese Prägung soll deutlich werden.

Für das (zukünftige) Leben unserer Jugendlichen hat die Sexualität einen entscheidenden Stellenwert – reden wir also regelmässig darüber. Nicht moralisierend, sondern offen und klar Stellung beziehend, verantwortungsbewusst und lustvoll.

Aus dem Aufklärungsalltag

Ein 16-Jähriger zeigte mir an einem Dienstag zwei gemässigte Sexheftli, die er am Wochenende von zu Hause mitgenommen hatte. Während dem „stillen Abend“ am Montag hatte er diese mit seinem 14-jährigen Kollegen ausführlich ‚durchgeblättert’. Vorbei sind also die Zeiten, in denen solche Heftli monatelang unter den Kopfkissen oder an irgendwelchen geheimen Orten versteckt blieben. Unser Junge hatte offensichtlich kein schlechtes Gewissen.

Warum wohl hat er sich für dieses offene Verhalten entschieden? Wollte er damit angeben oder uns in Verlegenheit bringen, unsere Reaktion prüfen? Für mich äusserte der Junge Gesprächsbereitschaft im Sinne von: „Schau her, ich befasse mich mit solchen Heftli. Das kannst du doch nicht einfach so durchgehen lassen. Aber ich bin bereit, mit dir darüber zu diskutieren!“

Ich entschied mich fürs gemeinsame Gespräch und vereinbarte mit den beiden Jungs einen Termin, zu dem ich die konfiszierten Sexheftli mitnahm. „Was ist denn so reizvoll an Bildern oder am Text?“ – so begannen wir, die Heftli gemeinsam durchzublättern. Ich suchte nach Aufhängern, um mit ihnen tiefer ins Gespräch zu kommen. Für beide war es wohl etwas komisch, in meiner Gegenwart in den Heftli zu blättern. Schliesslich unterhielten wir uns offen über eine Leserfrage. Die Jugendlichen interessierten sich für meine Haltung.

Mit diesem Vorgehen wollten wir die Sache ans Licht bringen. Gelingt uns dieser Schritt, gewinnen die Jugendlichen Mut, ihre echten Fragen zu stellen. Auf diesem Weg können wir Verirrungen und Verwirrungen im sexuellen Bereich auffangen. Beliebigen Wertvorstellungen können wir unsere christlichen Werte gegenüberstellen und mit persönlichem Vorbild untermauern.

Wir tun gut daran, vorausschauend zu agieren, indem wir Männer- oder Frauenrunden anbieten, in denen wir mit den Jugendlichen im Gespräch bleiben. Packen wir diese Chance, bieten wir den Jugendlichen eine wichtige Orientierungshilfe!

Grundsatzartikel zur Sexualerziehung von Bernhard Heusser, ‚Gott hilft’:
www.livenet.ch/www/index.php/D/article/181/15571/

Datum: 19.03.2004

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