Brave New World in den USA: Embryonen produzieren, einfrieren, adoptieren...

Embry

Michele und Jeff Turner wünschten sich ein Kind, aber es klappte nicht. Ihr Arzt sagte ihnen, sie würden eher in einer grossen Lotterie das Superlos ziehen als Eltern werden. Auch die künstliche Befruchtung – Turners machten zwei Versuche – blieb ohne Erfolg. Nun überlegten sich die beiden eine Adoption, doch die Kosten in ihrer Region an der Ostküste der USA waren einfach zu hoch.

Da hörten sie von eingefrorenen Embryonen. Sie kontaktierten 40 Fruchtbarkeitskliniken und schlossen sich schliesslich einem Embryonenabgabeprogramm in New Jersey an. Später erhielten sie Embryonen von einer Spenderfamilie. Im Dezember 1999 brachte Michele Zwillinge zur Welt, Morgan und Macy.

Als die beiden Girls neun Monate alt waren, entdeckten Jeff und Michele, dass sie wieder schwanger war. Myles, der ein halbes Jahr später zur Welt kam, war ihr eigener Sohn. Infolgedessen mussten Turners ihr Anrecht auf weitere gespendete Embryonen aufgeben, denn die Klinik in New Jersey beanspruchte sie als ihr Eigentum.

Beinahe 400'000 Embryonen eingefroren!

Eine neue Studie hat vor kurzem ergeben, dass Fruchtbarkeitskliniken in den USA beinahe 400‘000 Embryonen eingefroren und an Lager haben – dies ist doppelt so viel, wie man bisher maximal schätzte. Die Studie erfasste 430 Kliniken. Sieben von acht Embryonen werden für spätere Verwendung gelagert. Etwa 11'000 sollen der Forschung zugeführt werden. 9'000 sind für unfruchtbare Paare bestimmt. Weitere 9'000 sollen aufgetaut und vernichtet werden.

Die Ergebnisse der Studie haben christliche Aktivisten und Ethiker aufgeschreckt, wie Bob Smietana auf der Internet-Seite der Zeitschrift Christianity Today schreibt. Die Reaktionen reichen von der prinzipiellen Infragestellung der künstlichen Befruchtung bis zur Forderung, die Embryo-Adoption zu erleichtern. Doch viele empfinden, was Pia de Solenni vom Bioethik-Zentrum des Family Research Council auf den Punkt bringt: „Menschliche Wesen sind nie Wegwerfware, ob Embryo, Baby oder 90-jährige Frau“.

Erzeuger im Dilemma

Die Fortpflanzungsmediziner begannen vor 20 Jahren, bei der Einführung der In-vitro-Fertilisation, Embryonen einzufrieren. Wie lange sie derart aufbewahrt werden können, weiss niemand, wie Jeff Keenen vom Southeastern Fertility Center in Knoxville erläutert: Nach fünf Jahren könne man mit einem guten Auftauen rechnen, zehn Jahre dagegen würden die meisten Spezialisten vermeiden wollen.

Laut Keenan schieben viele Paare den Entscheid über den Tod ihrer Embryonen vor sich her – und zahlen eher die Gebühr. Die Praxis des Fortpflanzungsmediziners hat etwa 300 Embryonen an Lager. Seine Kunden verpflichten sich schriftlich, verbleibende Embryonen an unfruchtbare Paare zu spenden. Aber dies zu realisieren, sei schwierig. Die Erzeuger sähen nicht ein, dass die Embryonen in den Gefrierschränken langsam zu Grunde gingen, sagt Keenan.

Mangelnde Kontrolle

David Stevens von der ‚Christian Medical Association‘ kritisiert mangelnde Kontrollen im Bereich der künstlichen Befruchtung. „Wie der Bericht zeigt, frieren die Kliniken viel mehr menschliche Embryonen ein, als sie je in Mütter einzupflanzen beabsichtigen. Dies ist unethisch und mindert den unschätzbaren Wert dieser kostbaren jungen Menschenleben.“

Gilbert Meilaender, der an der Valparaiso University christliche Ethik doziert, sieht ein weiteres moralisches Problem: Im Embryo werde zunehmend „ein Produkt gesehen, mit dem wir tun können, was immer wir wollen“. Meilaender, der dem Bioethik-Rat von Präsident Bush angehört, urteilt, Justiz und Politik in den USA hätten es an Sorgfalt mangeln lassen.

Christliche Adoptionsprogramme

Laut dem Bericht in Christianity Today gibt es anderseits Christen, die auf eine Lockerung der Adoptionsvorschriften drängen. Ihr Argument: So vielen Paaren mit Kinderwunsch, vielleicht Millionen, könnte geholfen werden. In Fullerton in Kalifornien führt ‚Nightlight Christian Adoptions‘ seit fünf Jahren ein Embryonen-Adoptions-Programm; dabei sind 121 Erzeugerpaare mit 82 Adoptivpaaren zusammengeführt worden. 18 Frauen haben geboren; 16 Babies sollen dieses Jahr das Licht der Welt erblicken. Präsident Bush hat diese Praxis im Jahr 2001 mit einem Erlass gefördert. Die ‚Christian Medical Association‘ (CMA) sucht ein nationales Embryo-Adoptions-Zentrum aufzubauen.

Der CMA-Direktor David Stevens befürchtet indes, dass die Studie den Forderungen nach Nutzung solcher überzähliger Embryonen durch die Forschung mehr Drive verleiht. Präsident Bush hat die Erzeugung weiterer Stammzellenlinien von eingefrorenen Embryonen 2001 verboten. Stevens kritisiert, dass zwar in den USA vorgeschrieben ist, wie gross ein Spitalzimmer zu sein hat, „aber Sie können so viele Embryonen produzieren, wie Sie wollen, und so viele vernichten, wie Sie wollen.“

Vortrag der Zürcher Bioethikerin Ruth Baumann-Hölzle zum Thema:
http://www.livenet.ch/www/index.php/D/article/180/7210

Datum: 02.07.2003
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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