‚Kirche ist keine Eisdiele‘: Debatten zur “Homo”-Segnung

Kirche
James I. Packer

Marburg/Vancouver – Im letzten Jahr haben die evangelischen Kirchenparlamente von Berlin-Brandenburg, Hessen-Nassau und Pfalz – und die anglikanische Synode in Kanadas Westprovinz – Ja gesagt zur Segnung homosexueller Partnerschaften. Wie sollen bibelorientierte Christen darauf reagieren? Während die einen den Auszug aus den Landeskirchen befürworten, plädieren andere für den Verbleib – allerdings in grösserer Selbständigkeit. Einigkeit besteht im kategorischen Nein zu den Synodebeschlüssen, weil in der Bibel praktizierte Homosexualität als Sünde abgelehnt wird.

Pfarrer Joachim Drechsel vom Deutschen Gemeinschafts-Diakonieverband sprach von “skandalösen Fehlentscheidungen”. Einen Kirchenaustritt aufgrund der Synodenentscheidungen befürwortet Drechsel nicht. Die pietistische Gemeinschaftsbewegung sollte aber Personen, die die Landeskirche aufgrund der Beschlüsse verlassen, geistliche Heimat geben. Laut Drechsel verstärken die Beschlüsse „kirchenspaltende Tendenzen“.

Andere evangelische Leiter finden, nach den Entscheidungen „gegen das biblische Wort“ bleibe nur der Austritt aus den Landeskirchen. Hartmut Krüger: “Es hat etwas mit Schuld zu tun, wenn wir dieses System auch noch mit unseren Steuern stützen. Wir dürfen uns nicht bis zum Untergang mit dieser Art von Kirche liieren.”

Die Synode in Protest verlassen: James Packer

In Kanada hat der bekannte Theologe und Buchautor James I. Packer im letzten Juni gegen einen entsprechenden Beschluss protestiert, indem er mit anderen demonstrativ die Synode der anglikanischen Episkopalkirche von British Columbia verliess. Er konnte es nicht ertragen, dass seine Kirche „Sünde heiligt, indem sie segnet, was Gott verurteilt“. Die Synode der Diözese New Westminster hatte ihren Bischof beauftragt, eine Gottesdienstordnung für die Segnung von homosexuellen Partnerschaften zu erstellen. Packer und weitere Synodale erklärten, sie stünden nicht mehr in Gemeinschaft mit dem Bischof und der Synode. Sie appellierten an den Erzbischof von Canterbury und andere anglikanische Kirchenführer, sie zu unterstützen. (Die letzte Weltkonferenz der anglikanischen Bischöfe hat Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare deutlich abgelehnt.)

Eine Frage der Ellbogenfreiheit

Die drängende Frage für Anglikaner muss laut Packer sein, ob sie in ihrer Kirche die „Ellbogenfreiheit haben, um für eine Wende zum Besseren und Annäherung an die Heilige Schrift zu kämpfen, ob sie sich wahrhaftig für das Evangelium einsetzen können in der Kirche, in der eben dieses Evangelium verachtet oder verleugnet wird.“ Man müsse riskieren, sagte Packer der Zeitschrift ‚Christianity Today‘, im Zuge des aktiven Kampfs aus der Kirche hinausgeworfen zu werden. Er und seine Freunde sähen es derzeit als ihre Berufung an, das kirchliche Leben ihrer Diözese möglichst wirksam zu stören.

Egozentrisch in die Kirche

Der aus Grossbritannien stammende Anglikaner Packer, der zahlreiche Bücher über biblische Themen und christliche Spiritualität geschrieben hat, verurteilt die Passivität jener Christen, die sich damit begnügten, in der Kirche Trost und Stärkung zu finden, ohne für Reformen einzutreten. Sie gingen mit der Kirche wie mit einem Glace-Laden um, „wo man hingeht, um zu bekommen, was man als sein Bedürfnis ansieht, und nach dem Genuss zufriedener wieder hinausgeht“.

Für Packer hat diese Haltung nichts mit dem Neuen Testament zu tun; sie ist ganz einfach „ein egozentrischer Umgang mit Kirche“. Es geht dem engagierten Professor, einem modernen Nachfahren der englischen Puritaner, in alledem um die Ehre Gottes: „Weil die Herrlichkeit des Herrn, des Hauptes der Kirche, mit dem Zustand des Leibes verbunden ist, kann die Kirche in Unordnung ihrem Herrn nur Unehre machen.“

‚Das Heil von Mitmenschen aufs Spiel gesetzt‘

In einem Beitrag für die in Chicago erscheinende Zeitschrift ‚Christianity Today‘ erläutert Packer nun, warum die Liebe zur Kirche manchmal den Kampf erfordert. Die Entscheidung der Synode von New Westminster, im Zusammenhang genommen, „verfälscht das Evangelium von Christus, gibt die Autorität der Schrift auf, setzt das Heil von Mitmenschen aufs Spiel und verrät die Kirche in ihrer von Gott gesetzten Rolle als Festung göttlicher Wahrheit“.

Packer hält sich an den Apostel Paulus. Er hat sich über Jahrzehnte „an allen Wendungen meines theologischen Weges“ gefragt, ob Paulus mit ihm gehen würde. „Was würde er sagen, wenn er in meinen Schuhen stecken würde?“ Im ersten Brief an die Christen in Korinth (6,9-11) zählte Paulus eine Reihe von Praktiken auf, die mit christlichem Leben unvereinbar sind, neben Götzendienst und Habgier auch praktizierte Homosexualität.

Es geht nicht um Neigungen, sondern um den Lebensstil

Paulus hat nach Packer nicht einzelne Fehltritte vor Augen, denen Reue und Umkehr folgt, sondern „Lebensformen, Verhaltensmuster, Gewohnheiten des Denkens und Handelns“. Das Urteil des Apostels ist für Packer klar: „Sie sind Formen der Sünde, die, wenn sie nicht bereut und unterlassen wird, Menschen schliesslich von Gottes Reich des Heils ausschliessen wird.“

Paulus, so unterstreicht Packer, spreche nicht von homosexuellen Neigungen, sondern vom dauernden Verhalten von Schwulen, heute auch als ‚acting out‘ bezeichnet. „Für Paulus ist klar, dass Christen diesem Verlangen widerstehen sollen, weil sie Gott nicht gefallen können, wenn sie ihm nachgeben.“ Eine Passage im Brief des Paulus an die Römer (1,26) beweist für Packer, dass Paulus lesbische Praktiken ähnlich bewertete.

Gott gefallen

Bei alledem strich der Apostel heraus, dass Menschen verwandelt werden, wenn sie sich Christus in einem echten Glauben anvertrauen. „Sie gewinnen eine Reinigung des Gewissens, Annahme bei Gott sowie die Kraft, die besonderen Anfechtungen, die sie erleben, abzuweisen und nicht auszuleben. Packer zitiert, was einer seiner Freunde gegenüber seiner Gottesdienst-Gemeinde äusserte: „Ich will, dass ihr wisst, dass ich ein nicht-praktizierender Ehebrecher bin“. Damit habe er ausgedrückt, dass Gott ihm Kraft gebe, Versuchungen zu widerstehen.

Ein anderer langjähriger Freund habe seit seiner Jugend homosexuelles Verlangen empfunden, sei aber ein treuer Ehemann und Vater geblieben durch die Kraft des Heiligen Geistes. Ihn stellt Packer als Vorbild hin: „Wir unterliegen alle sexuellen Versuchungen der einen oder anderen Art, aber wir können auf dem Weg der Keuschheit bleiben durch die Befähigung, die uns der Heilige Geist verleiht, und dadurch Gott gefallen.“ (idea Deutschland, Christianity Today)

Datum: 11.01.2003
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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