Land der Fussball-WM: Die meisten Japaner gehören zwei Religionen an

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Die Stimmung in Japan ist nicht gut. Zwar wollte der neue seit 2001 amtierende Premierminister Junichiro Koizumi – jung und energisch – die wirtschaftlichen und strukturellen Probleme in den Griff bekommen, die sich seit Jahren angesammelt hatten. Doch nach einem Jahr sind viele enttäuscht: Die für japanische Verhältnisse hohe Arbeitslosigkeit hat nicht abgenommen.

Auch Bestechungsskandale trugen dazu bei, dass die Popularität des Regierungschefs stark zurückgegangen ist. Er behauptet zwar noch immer selbstbewusst, er werde die notwendigen Reformen durchführen, zur Not auch gegen seine eigene Partei, aber immer weniger Japaner glauben, dass er das wirklich schafft.

In einer Zeit der Unsicherheit besinnen sich die Leute auf ihre ursprüngliche Religion: den Shintoismus und den ihm inhaltlich verwandten Buddhismus. So war der Besuch der (shintoistischen) Schreine und (buddhistischen) Tempel am Anfang des Jahres hoch und auch die Ausbeute der Opferkästen sehr reichlich, was als deutliches Zeichen einer hohen Zustimmung gewertet wird. Die meisten Japaner gehören zwei Religionen an: 69,6% dem Shintoismus und dem Buddhismus. Dazu kommen neue Religionen, die stark diesseitsbezogen sind: Wer sich am Glaubensleben beteiligt, dem wird Befreiung von Armut und Krankheit versprochen. Mit Besorgnis beobachten Kirchen und christliche Gemeinden in Japan, wie sich gleichzeitig ein neuer Nationalismus ausbreitet, der der Mission erhebliche Schwierigkeiten bereitet.

Umstrittene Geschichtsbücher

Im April 2001 wurden vom Erziehungsministerium umstrittene Geschichtsbücher genehmigt mit einer Tendenz, den Kaiser zu idealisieren und japanische Kriegsverbrechen gar nicht mehr zu erwähnen. Die japanische Flagge muss bei Schulveranstaltungen gegrüsst und die Nationalhymne, ein Lobpreis des Kaisergeschlechtes, von allen Lehrern und Schülern gesungen werden. Die Religionsfreiheit von christlichen Lehrern und Schülern – die den Kaiser nicht als “Gottheit” verehren können – wird dabei missachtet. Gegen die Proteste von China und Korea, ja sogar der politischen Opposition in Japan besuchte Premierminister Koizumi in einem offiziellen Staatsakt den Yasukuni Schrein, wo die Kriegstoten verehrt werden. Was die Sache so brisant macht, ist die Tatsache, dass in dem Schrein gemeinsam mit gefallenen Soldaten auch verurteilte Kriegsverbrecher angebetet werden, unter denen Chinesen und Koreaner gelitten haben.

Nur 1,6 % Christen

Nur 1,6 % der Japaner sind Christen, davon knapp ein Drittel Evangelikale. Zur Zeit gibt es in Japan 7.772 protestantische Gemeinden, 71 mehr als im Vorjahr: Auf 16.221 Einwohner kommt eine Gemeinde. In acht Städten (über 10.000 Einwohner) gibt es noch gar keine Gemeinde. Geschätzt wird, dass die protestantischen Gemeinden eine Gesamtmitgliederschaft von 520.000 Menschen mit 310.000 regelmässigen Gottesdienstbesuchern haben. Noch immer sind viele Gegenden Japans vom Christentum unerreicht. Der Aufbau von Gemeinden hält bei weitem nicht Schritt mit der Wachstumsrate in Gegenden mit rapider Bevölkerungsexplosion.

Probleme für Ausländer

Als nach dem Krieg viele Missionare aus Europa und Amerika nach Japan kamen, waren die Menschen offen für das Evangelium. Relativ viele Gemeinden wurden gegründet. Im Laufe der Zeit liess die Begeisterung nach. Als Pastoren die jungen Gemeinden übernahmen, kam es oft zu Spannungen. Das Gemeindebild der Missionare und das der japanischen Pastoren war ziemlich unterschiedlich. Unter den Missionaren breitete sich Ernüchterung aus. Alle Theorien, wie Gemeinden angeblich am besten wachsen, erwiesen sich als wirkungslos. Hinzu kamen Schwierigkeiten mit der japanischen Mentalität: Von alters her werden Ausländer mit Misstrauen betrachtet. Zum Teil gibt es auch heute noch Wohnungsmakler, die nicht an Ausländer vermieten. Im allgemeinen haben Missionare aber ein positives Image. Missionare aus dem Westen fallen auf. Wenn sie zum Beispiel jemanden auf dem Land besuchen, dann weiss die Nachbarschaft, dass ein Ausländer da war.

Schwierigkeiten gibt es bei der Verständigung. Trotz einer gründlichen Sprachausbildung und fast 30 Jahren Praxis kommt es zu sprachlichen Missverständnissen. Die Missionare versuchen etwa durch Unterricht in Fremdsprachen und beispielsweise Kaffeeausschank am Sonntagnachmittag persönliche Kontakte aufzubauen. Besonders Männer brauchen aber meistens eine lange Anlaufzeit, bis sie Christen werden.

Riss unter Evangelikalen

Ein bedeutendes Ereignis für die Evangelikalen war die Konferenz für Erweckung 1993 in Kobe. Eine begeisterte Masse von Christen lobte Gott und hörte biblische Botschaften. Das ist ganz ungewöhnlich in diesem gar nicht christlichen Land. Aber es war noch keine Erweckung. Trotzdem wurde behauptet, die Erweckung in Japan habe schon begonnen. Es bildete sich eine organisierte “Erweckungsbewegung” unter dem starken Einfluss charismatischer Leiter aus Korea. Die Folge war ein Bruch mit den nichtcharismatischen Evangelikalen. Die Charismatiker bildeten künftig die Japanische Vereinigung für Wiedergeburt (NRA). Es wurde nebeneinander, manchmal sogar gegeneinander gearbeitet. Heute gibt es wieder Versuche, miteinander ins Gespräch zu kommen.

Die innerprotestantischen Spannungen führten freilich oft zur Stagnation in den Gemeinden. Pastoren und Missionare gingen getrennte Wege. Die kleinen Gemeinden hatten eine schwere finanzielle Last zu tragen, wenn sie den Pastor bezahlen mussten. Seit acht Jahren gibt es jedoch eine neue hoffnungsvolle Bewegung: “Institut für Gemeindegründer” heisst sie und wurde von Missionaren begonnen, die jedes Jahr einen amerikanischen Bibelschullehrer kommen liessen, um sie geistlich für ihre Aufgaben zu stärken. Inzwischen hat sich ein Netz von Kleingruppen gebildet, die zum Gebet und Austausch zusammen kommen. Einmal im Jahr findet eine grosse Konferenz statt mit Arbeitsgruppen, Vorträgen und Seminaren. Von hier geht eine Hoffnung für einen geistlichen Aufbruch für das Land aus.

Mission bei der WM

Eine Zusammenarbeit über die Kirchengrenzen hinaus gibt es immer wieder bei der Vorbereitung von grösseren Aktionen. Für die bevorstehende Weltausstellung EXPO im Jahre 2005 bei Nagoya laufen bereits die Grundsatzgespräche. Für die jetzige Fussballweltmeisterschaft hat sich eine Gruppe zusammengefunden, die über das Interesse am runden Leder Menschen mit der christlichen Botschaft erreichen will. Das soll auf zwei Wegen geschehen. 1. Über “Kinderspiele” wird versucht, christliche Prinzipien nahezubringen. Das Projekt wurde bei den Olympischen Spielen in Sydney entwickelt. 2. über das “Sportnetz”. Es umfasst drei Aktionen: 1. Festivals an den zehn Austragungsorten in Japan. Da treten Clowns auf, man kann sich schminken lassen, Ballons werden verteilt usw. 2. Dabei werden Traktate, Bibeln und Videos verteilt. 3. Auf Grossleinwänden werden Sportvideos und Liveaufnahmen der Spiele vorgeführt in Gemeindehäusern und anderen Räumlichkeiten oder im Freien. Dazu ist dann jedermann eingeladen. Die Christen in Japan hoffen, über diese Aktion mehr Interesse für den christlichen Glauben zu finden.

Datum: 02.06.2002
Autor: Gerhard Fuhrmann
Quelle: idea Deutschland

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