Viel Emotionen in der Abstimmungskampagne zur Fristenlösung

Der öffentliche Schlagabtausch zur Frage des Schwangerschaftsabbruchs geht dem Ende entgegen. Am 2. Juni werden die Stimmen gezählt. Nur in einem sind sich die Komitees von Gegnern und Befürwortern der Fristenlösung einig: Die jeweilige Gegenseite hat mit unfairen Mitteln gekämpft.

Erwartungsgemäss schätzen die Parteien ihre Chancen unterschiedlich ein. Anne-Marie Rey von der Schweizerischen Vereinigung für Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs ist optimistisch: "Meine Prognose sind 60 Prozent Ja-Stimmen für die Fristenregelung". Der Initiative "für Mutter und Kind" gibt Rey keine Chancen. Ihre Einschätzung gründe sie auf die Meinungsumfragen der letzten Jahre, auf die Gespräche bei der Informationsarbeit und auf die Parolen von Parteien und Verbänden.

Lebensschützer mobilisieren

Abstimmungsprognosen seien in solchen ethischen Fragen, die stark von Partei- oder Kirchenparolen beeinflusst werden, sehr unsicher, sagt Christoph Keel, Medienbeauftragter der "Schweizerischen Hilfe für Mutter und Kind (SHMK)". Verblüffend sei an den bisherigen Meinungsumfragen allerdings, dass offenbar mehr Leute für die (weitergehende) Initiative als gegen die Fristenlösung seien.

Vorsichtig fällt das Urteil von Walter Hürzeler, Präsident der "Gesellschaft für den Schutz des ungeborenen Lebens in der Schweiz (GLS)", aus. Durch die Medien, geschlossen auf der Seite der Fristenlösungs-Befürworter, sei ein Meinungsdruck entstanden. Abweichende Haltungen würden so bei Meinungsumfragen wenig geäussert. Meinungsforscher sprächen in diesem Zusammenhang von einer "Schweigespirale", die Prognosen schwierig mache. "Das Ergebnis dürfte knapper ausfallen als viele erwarten", sagt Hürzeler. Gerade der gewaltige Meinungsdruck könnte dazu führen, dass eine grosse Anzahl von Leuten die Vorlage ablehne, hofft der GLS-Präsident. Zudem dürfte die Mobilisierung der Leute, denen der Schutz des ungeborenen Lebens ein Anliegen ist, am Abstimmungswochenende sehr gross sein.

Zu plakativ

Im Abstimmungskampf sei unfair, dass Gegner der Fristenlösung schnell als "Fundi" oder "Taliban" dargestellt worden seien. Dass ein Ständerat die Männer dazu aufgerufen habe, sich bei dieser Abstimmung zurückzuhalten, habe er nicht als faire Auseinandersetzung empfunden, sagt Hürzeler. Einige hätten sich gar erdreistet, die Fristenlösung als Modell des Lebensschutzes zu preisen. Hürzeler wünschte sich da mehr Feinheit in der öffentlichen Diskussion: "Für die Meinungsbildung in unserem Land habe ich grosse Bedenken, wenn es nicht gelingt, nicht nur plakative, sondern auch die leisen, differenzierten und argumentativ starken Anliegen zur Geltung zu bringen", so Hürzeler.

Falschinformationen?

Demagogie wirft dagegen Anne Marie Rey den Gegnern der Kampagne vor. Der Abstimmungskampf sei von der Gegenseite mit millionenschweren Desinformationskampagnen geführt worden. Man sei bei den Gegnern mit Emotionen, Halb- und Unwahrheiten und gezielten Falschinformationen aufgefahren. Die Argumentation sei für alle Betroffenen und für die Ärzteschaft verletzend und frauenverachtend.

Happige Vorwürfe gibt es auf beiden Seiten. Die SHMK habe bei der Debatte von den Gegnern mehr personenbezogene Angriffe als eine Diskussion der Inhalte erlebt, sagt Keel. Zahlreiche Aspekte der Initiative seien von der Gegenseite bewusst ausgeklammert worden, zum Beispiel, dass die Strafbarkeit der Abtreibung gemäss dem Initiativtext vor allem den Arzt und nicht die Frau treffe.

Datum: 25.05.2002
Autor: Thomas Hanimann
Quelle: ideaSpektrum Schweiz

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