Politik und Ethik hinken der Globalisierung hinten nach

Freiburg. Soziale und ökologische Fragen gehören von Anfang an zu einem unternehmerischen Planungssystem, betonte der Zentralsekretär des Hilfswerks „Brot für alle“, Christoph Stückelberger, an der Universität Freiburg (Schweiz). Er sprach zum Thema „Globalisierte Wirtschaftsethik - Werte, Instrumente und Akteure“. Sein erfahrungsbezogenes Referat fand im Rahmen eines Vortragszyklus zu den sozialen Folgen der Globalisierung statt.

Der Theologe und Wirtschaftsethiker ist in seinen Ausführungen von der Ungleichzeitigkeit der Globalisierung ausgegangen: Während die ökonomische Globalisierung weit vorangeschritten sei, hinkten Politik und Ethik hinten nach. Es stelle sich das Problem des Umgangs mit diesem Tatbestand, erklärte Stückelberger. So stehe hinter all seinen Bemühungen „die Vision“ der Gleichzeitigkeit auf den drei Ebenen. Um diesen Zustand zu erreichen, seien gewisse Eingriffe in die Wirtschaft - zugunsten von Politik und Ethik - geboten.

Die nachhaltige Gestaltung eines grenzüberschreitenden Handels - eine alte Frage im neuen Kleid: Dies zeigte Stückelberger in seinen Ausführungen zu den Grundwerten einer globalisierten Wirtschaftsethik auf. Schon der Prophet Ezechiel habe vor 2500 Jahren, ausgehend von der damaligen Handelsmetropole Tyrus, eine Reihe von Problemen im Zusammenhang mit Handelstätigkeiten zur Sprache gebracht. Dazu gehören beispielsweise der Umgang mit „importierten“ Sklaven und die Preisgestaltung im Kornhandel.

„Double standards“

In Stückelbergers Rundumschlag über die Elemente einer Wirtschaftsethik im Globalisierungszeitalter wurde auch die spezifische Verantwortung transnationaler Unternehmen angesprochen. Dass sich solche Firmen keine „double standards“ mehr leisten können - beispielsweise bezüglich dem umweltverträglichen Handeln in verschiedenen Weltregionen - gelte heute als eine Frage des gesunden Menschenverstandes.

Genauso klar sei aber auch, dass die Realität oft ganz anders aussehe. Antikorruptionsgesetze, Zölle und Handelsabkommen seien Beispiele für staatliche Rahmenbedingungen, die als handelspolitische Instrumente das ethische Wirtschaften von Unternehmen fördern können. Und die Privatwirtschaft hätte sogar ein Interesse an der Stärkung solcher Rahmenbedingungen, meinte Stückelberger. Oft werde dieses Interesse von langfristig denkenden Führungspersonen erkannt. Doch stelle er eine Spannung zwischen der Bereitschaft vieler Unternehmen fest, die Auflagen von privaten und nationalen Produktelabels anzunehmen, bei gleichzeitiger Scheu vor internationalen Regelungen.

Informelle Wirtschaft

Weiter wies Stückelberger auf die Bedeutung der informellen Beschäftigung in der Diskussion um die Bedingungen einer sozialverträglichen Globalisierung hin. Die informelle Wirtschaft kennt keine Sozialversicherungssysteme. In vielen Ländern Lateinamerikas lebe die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung von diesem Sektor. Um so wichtiger und um so schwieriger sei es, auch diesen Aspekt in die Bemühungen um eine ethische vertretbare Globalisierung der Wirtschaft einzubeziehen.

Christoph Stückelberger (51) ist Dozent an der theologischen Fakultät der Universität Basel. Seit dem Jahr 1992 leitet er die SEK-Entwicklungsorganisation „Brot für alle“. Im November 1999 wurde er zum Präsident des Ökumenischen Darlehensfonds (ECLOF) ernannt, eine Einrichtung des Ökumenischen Rats der Kirchen.

Datum: 07.05.2002
Quelle: Kipa

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