Zeichen am Himmel?

Sonnenfinsternis, Blutmond und die Angst vor der Endzeit

Am 21. August 2017 findet (in den USA) eine Sonnenfinsternis statt. Das für viele normale oder aufregende astronomische Phänomen ist für Pastor Mark Biltz mehr: ein Zeichen am Himmel, ein Ruf Gottes zur Umkehr. Biltz machte in den vergangenen Jahren mit ähnlichen Prophetien über die «Blutmonde» von sich reden.
Blutmond (Mondfinsternis) und Sonnenfinsternis
Mark Biltz

«Und Gott sprach: Es werden Lichter an der Feste des Himmels, die da scheiden Tag und Nacht. Sie seien Zeichen für Zeiten, Tage und Jahre …» Mit diesem Vers und seinem Bezug auf Zeichen aus dem 1. Buch Mose Kapitel 1, Vers 14 begründet US-Pastor Mark Biltz die Relevanz seiner Gedanken zur Sonnenfinsternis am 21. August 2017, die allerdings nur in den USA und Teilen des Nordpazifiks als totale Finsternis zu sehen ist.

Die Sonnenfinsternis zu Beginn des Monats der Busse

Biltz ist sich sicher, dass «wir als Gemeinde ab jetzt 40 Tage Zeit haben, Busse zu tun». Dies verkündete der Endzeitprediger in der Jim-Bakker-Show. Für ihn steht es ausser Frage, dass die aktuelle Eklipse ein Reden Gottes ist. Er zieht zeitliche Parallelen, da sie am ersten Tag des Monats Elul stattfinde, der in der Bibel für Umkehr stehe. Am gleichen Tag hätte Jona Ninive zur Umkehr aufgefordert, wäre Mose nach der Zerstörung des Goldenen Kalbs wieder auf den Sinai gestiegen und wäre Jesus für 40 Tage in die Wüste gegangen. Ausserdem argumentiert Biltz mit der «Bahn» der Eklipse über den USA. Diese gehe zu 95 Prozent über Gebiete, die Trump gewählt hätten. Das Ereignis spreche somit hauptsächlich zu Christen, denn «die Zeit ist da, dass das Gericht beginnt bei dem Hause Gottes» (1. Petrus, Kapitel 4, Vers 17). Konkrete Folgen einer Umkehr Amerikas bzw. der Christenheit nennt Biltz nicht, auch keine Negativfolgen, wenn das «Angebot» nicht angenommen würde.

Ungenauigkeiten in der Erklärung

Mark Biltz betreibt das Missionswerk «El Shaddai Ministries» mit dem Ziel, den Heiden (also allen Nichtjuden) die Tora näherzubringen. Besonders im Fokus hat er dabei die Neudeutung jüdischer Feiertage und das Erklären von Endzeitphänomenen wie Sonnen- und Mondfinsternissen. Seine Deutungen stellt Biltz als gültige Auslegungen vor – abweichende Interpretationen der Fakten haben dabei keinen Raum. Dabei setzt er offenbar mehr auf Angstmache als auf eine fundierte Exegese oder auch nur auf einen Blick in den Kalender. Tatsächlich wird keines der oben genannten biblischen Ereignisse in der Bibel selbst auf den 1. Elul datiert. Dies geschieht nur teilweise in der jüdischen Tradition. Biltz freut sich über Gottes genaues Timing, doch die aktuelle Sonnenfinsternis findet nicht am 1. Elul statt, sondern zwei Tage vorher, am 29. Av. Ja, dies sind nur zwei Tage Unterschied, aber wieso sollte Gott sein eigenes Zeichen nicht so inszenieren können, dass es stimmig ist? Biltz' Argument mit der Laufbahn der Eklipse über den Wählern von US-Präsident Trump scheint ohnehin eines zu sein, das hauptsächlich in «God's own country» Anhänger findet.

Und was ist mit den «Blutmonden»?

Einer breiteren Menge von Christen wurde Mark Biltz bekannt, als er 2014 und 2015 zusammen mit John Hagee behauptete, die beiden Tetraden von Blutmonden an jüdischen Feiertagen in diesen Jahren wiesen darauf hin, dass Christus bald wiederkäme oder im «Nahen Osten etwas Grosses» geschähe. Auch diese Auslegung geschah nach einem ähnlichen Muster. Blutmonde sind vollständige Mondfinsternisse, bei denen der Mond noch in rötlicher Färbung erkennbar bleibt. Dass mehrere davon nacheinander (eine Tetrade = vier) auf jüdische Feiertage fallen, kommt immer wieder vor. Das überrascht nicht besonders, weil die meisten dieser Feiertage an einem Vollmond stattfinden. Wieder greift Biltz Daten aus der Weltgeschichte heraus, so zum Beispiel 1492, als es vier Blutmonde am Passah- und Laubhüttenfest gab, die mit der Vertreibung der Juden aus Spanien und der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus zusammenfielen. Doch auch hier stimmen die Daten nicht exakt, denn die Vertreibung der Juden begann bereits 15 Jahre früher. Ausserdem gab es allein in den letzten zwanzig Jahren über 100 Blutmonde und in der gesamten Geschichte viele Tetraden davon an jüdischen Feiertagen, an denen nichts Besonderes geschah.

Keith Gilles erklärt diesen spekulativen Zusammenhang noch anhand vieler weiterer Daten und fügt hinzu: «Im zwanzigsten Jahrhundert fielen 37 von 230 Mondfinsternissen entweder auf das Pessach- oder das Laubhüttenfest, was gelinde gesagt faszinierend ist, aber völlig irrelevant für jeden, der sich tatsächlich für biblische Prophetie interessiert.» Apropos relevant: dass eine Viererfolge von Mondfinsternissen seltener ist als eine einzelne, liegt auf der Hand. Allerdings gibt es keinerlei Hinweis in der Bibel, dass diese Tetraden irgendeine prophetische Bedeutung hätten.

Und das Fazit?

Die Sehnsucht nach Geheimwissen, tieferen Bedeutungen und Blicken in die Zukunft war schon immer ausgeprägt. Die Bibel redet recht deutlich davon, dass diese Welt und ihre Menschen bei Gott eine Zukunft haben – allerdings liefert sie keinen Zeitplan dafür. Offensichtlich ist es wichtiger als Christ im Hier und Jetzt zu leben, sich für andere Menschen zu engagieren und ihnen von Gott zu erzählen. Das mag nicht so spektakulär aussehen, aber es bleibt definitiv langfristiger gültig. Im Gegensatz dazu sind viele Bücher über biblische Prophetie wie Joghurt: Sie sind schnell übers Datum …

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Datum: 21.08.2017
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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