Stabübergabe bei Interaction

«Es gibt noch viel Veränderungspotenzial»

Der Berner EVP-Grossrat Marc Jost wird Präsident des Vereins Interaction. Seine bisherige Aufgabe als Geschäftsführer des Verbandes von 26 evangelischen Hilfswerken übernimmt Olivier Tezgören. Livenet wollte von ihnen wissen, wie es jetzt bei Interaction weiter geht.
Olivier Tezgören, der neue Geschäftsführer von Interaction mit Marc Jost, dem Präsident von Interaction am Rande der Jahreskonferenz von Interaction auf dem Twannberg.
Olivier Tezgören
Marc Jost

Livenet: Olivier Tezgören, bitte stellen Sie sich unserer Leserschaft kurz vor.
Olivier Tezgören: Ich arbeite in Teilzeit als Leiter des Jugendbereichs der Vineyard Zürich. Ich studierte Geschichte, Staatsrecht und Management und arbeitete in den letzten Jahren für ein Unternehmen, das Stellensuchende mit psychischen und gesundheitlichen Schwierigkeiten berät. Zuletzt leitete ich den Standort Zürich dieses Unternehmens.  Es handelte sich um ein Pilotprojekt des Bundesamtes für Sozialversicherungen. Dabei arbeitete ich oft im Rahmen einer Public-Private-Partnership mit Behörden zusammen. Danach nahm ich eine Auszeit, um herauszufinden, wohin mein Weg weiter führen wird. Ich besuchte unter anderem die Türkei, um die Verhältnisse im Süden besser kennenzulernen. Zurück in der Schweiz, erreichte mich zuerst der Ruf der Vineyard und daraufhin die Stellenausschreibung von Interaction. Die Art, wie Interaction das Ziel einer globalen sozialen Gerechtigkeit angeht, sprach mich total an. Das beschäftigte mich schon länger. Auch die Kampagnenarbeit mit der Sensibilisierung für einen ganzheitlichen nachhaltigen Lebensstil hat mich angesprochen und fasziniert. 

Was möchten Sie in der neuen Aufgabe bewirken?
Es geht um zwei Hauptaufgaben: die Sensibilisierung und Stärkung der Mitgliederorganisationen durch den Verband. In beiden Bereichen sehe ich noch ein grosses Veränderungspotenzial. Besonders auch die Sensibilisierung der Gemeinden, die nicht nur Geld für die Entwicklungszusammenarbeit spenden, sondern auch das eigene Konsumverhalten ändern können. Wie können wir bewusster integral leben – in allen Lebensaspekten, nicht nur in der Spiritualität? Ich möchte dazu beitragen, dass der Verband öffentlich noch besser wahrgenommen und auch bei den Bundesbehörden ein noch stärkerer Partner wird. 

Marc Jost, Sie sind jetzt Präsident des Vereins. Wie wird eure zukünftige Zusammenarbeit aussehen?
Marc Jost: Der Vorstand trifft sich vier Mal jährlich regulär und zusätzlich bei aktuellem Anlass. Im Vorstand sind verschiedene Werke vertreten, sprachregional und nach ihrer Grösse ausgewogen. Dabei sind auch der Geschäftsführer und der Kampagnenverantwortliche von StopArmut. Der Vorstand legt Strategie und Auftrag des Verbandes fest, die dann der Geschäftsführer umsetzt. Wir werden relativ oft miteinander zu tun haben.

Wie funktioniert der Wissenstransfer zwischen Ihnen als bisherigem Geschäftsführer und Ihrem Nachfolger?
Wir waren bereits während mehrerer Tage miteinander unterwegs und haben Verbandsmitarbeiter besucht und miteinander ausgetauscht. Das ist noch nicht abgeschlossen. Die Einführung in die verschiedenen Bereiche wird kontinuierlich weitergehen.

Welche Bereiche sind dabei gemeint?
Es geht um die Sensibilisierung in der Schweiz für unsere Themen sowie um die Entwicklungszusammenarbeit unserer Mitgliedsorganisationen und ihre globale Zusammenarbeit. Wir wollen herausfinden, wie der Verband sie dabei unterstützen kann. Es geht auch um die Unterstützung der Mitglieder in Ausbildung, Qualitätssicherung und Vernetzung. Weiter um unsere Rolle bei der humanitären Hilfe und wie die dafür bestehenden Gefässe koordiniert und gefördert werden können. Ausserdem leisten wir anwaltschaftliche Arbeit (advocacy), also politische Arbeit in der Schweiz durch den Verband im Interesse der Mitglieder. 

Wo soll konkret politisch Einfluss genommen werden?
Wir sprachen an dieser Tagung über nachhaltige Entwicklung. Darauf hat die Schweizer Wirtschafts- und Aussenpolitik einen grossen Einfluss.  Als Teil der Zivilgesellschaft unseres Landes wollen wir dabei vertreten und gehört werden und mitgestalten gemäss unseren Grundsätzen. 

Wie können christliche Organisationen einen Unterschied zur Arbeit von staatlichen Organisationen machen?
Marc Jost: Wir haben eine grosse Chance dadurch, dass die christlichen Organisationen weltweit sehr gut vernetzt sind, gerade im Süden, wo die christlichen Kirchen stark wachsen. Da sind wir durch die Weltweite Evangelische Allianz oder Netzwerke wie Micah, wo Interaction Mitglied ist, in 130 Ländern vernetzt mit Kirchen, die besonders in ärmeren Ländern eine Schlüsselfunktion für die Entwicklung innehaben. Mit ihnen haben wir Beziehungen, die sehr schnell aktiviert werden können. Das ist ein Vorteil, den säkulare Organisationen oder der Bund nicht haben.

Olivier Tezgören: Ich denke auch an die Funktion der Spiritualität, die für eine gute Entwicklungsarbeit einen wichtigen Beitrag leistet. Das ist im Westen weniger akzeptiert, im globalen Süden aber eine akzeptierte Realität und selbstverständlich. Da haben christliche Organisationen etwas Wichtiges zu bieten und können auch zu einer gesunden Spiritualität beitragen.

Die Interviewpartner

Olivier Tezgören, 35, verh., 3 Kinder, ist seit Anfang Mai Geschäftsführer des Verbands Interaction. Zudem leitet er die Jugendarbeit der Vineyard Zürich. Als Sohn eines türkischen Vaters und einer Schweizer Mutter spricht er nebst Deutsch, Englisch und Französisch auch Türkisch. Der neue Mann bei Interaction hat eine interessante berufliche Tätigkeit bei verschiedene Firmen und Sozialfirmen sowie als Sicherheitsbeauftragter der Zürcher Kantonspolizei, als Cargo Handler bei Jet Aviation und als Kommunikationstrainer bei der Armee hinter sich.

Marc Jost, 41, verh., 4 Kinder, ist EVP-Politiker und Grossrat im Kanton sowie Co-Generalsekretär der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA) und Präsident des Verbandes Interaction. Vorher war er als Lehrer tätig und studierte Theologie. Er lebt mit seiner Familie in Thun.

Zur Webseite:
Interaction Schweiz

Zum Thema:
«Interaction»: Partnerschaft hat immer zwei Sichtweisen

Datum: 26.05.2015
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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