Flüchtlinge im Tessin

Chrischona-Pastor Zollinger: «Wir helfen, wo wir können»

Gott hat Chrischona-Pastor Markus Zollinger und seiner Frau Monique im Mendrisiotto im Tessin eine neue Aufgabe vor die Füsse gelegt. An der Grenze zu Italien sind sie in diesem Jahr mit der Flüchtlingswelle konfrontiert. Sie helfen, wo sie können. Durch die Lebensmittelverteilung an Bedürftige (Tischlein deck dich) in ihrem Centro Cristiano in Mendrisio sind sie mit einigen Flüchtlingsfamilien unterwegs. Was das mit ihnen macht, erzählt «Pastore Marco» hier.
Zeit für Menschen: Markus und Monique Zollinger
Flüchtlingsarbeit im Mendrisiotto

Schon vor dem Sommer sind meine Frau Monique und ich nach Mailand in Norditalien gefahren, um uns ein Bild über die Situation der vielen dort am Bahnhof gestrandeten Flüchtlinge zu machen und ihnen Kleider und Schokolade zu verteilen. In Ventimiglia an der Grenze von Italien nach Frankreich sahen wir die damals seit Wochen zurückgehaltenen und im Freien schlafenden Flüchtlinge. Wie schwer ist es für diese Menschen, die alles zurücklassen mussten und nicht wissen, was vor ihnen liegt?

Die Not der Flüchtlinge

Je mehr wir mit der Realität der Flüchtlinge konfrontiert werden und uns auf sie einlassen, desto mehr bewegt uns ihre Not. Ibrahim, ein junger Syrer, erzählte mir, dass er erfolglos eingeschult wurde in die Hochschule in Mendrisio. In Syrien fehlte ihm nur noch ein Jahr an der Universität. Es mache für ihn alles keinen Sinn, sprachlich verstehe er zu vieles nicht. Er werde deswegen ausgelacht, sein Selbstwertgefühl befinde sich im Keller.

Intensiv begleitet haben wir die Afghanin Masona und ihre Familie. Sie hatte unerträgliche Schmerzen. Monique ging mit ihr zum Arzt. Sie kam für eine Woche ins Spital. Dort konnte sie mit niemandem sprechen. Sie spricht nur Persisch. Zuhause blieben vier traurige Kinder mit dem Ehemann. Masona hat die Situation fast nicht ertragen. Ihre jüngste Tochter nahm Monique auch gleich mit zum Arzt, weil sie humpelte. Es stellte sich heraus, dass sie vor einigen Tagen den Fuss gebrochen hatte und sofort eingegipst werden musste. Der Vater ist oft verzweifelt. Langsam normalisiert sich die Lage der Familie wieder.

Wie können wir helfen?

Den Flüchtlingen helfen wir mit Möbeln, Nützlichem für den Haushalt, Kleidern, Spielzeug – und vor allem mit Liebe, Annahme und Unterstützung für ihre Integration. Sich wertvoll und nützlich fühlen – das ist sehr wichtig für diese Menschen. Wir versuchen, die Flüchtlinge mit ihren Gaben und Fähigkeiten einzubeziehen und ihnen Möglichkeiten zu geben, um sich zu betätigen. Beim Nachmittag der offenen Türen im Centro Cristiano betreute Monique mit den Flüchtlingsfrauen den Verpflegungs-Stand. Riad aus Syrien legt gerne Hand an, wenn es im Centro etwas zu tun gibt. Asam, die Coiffeuse-Meisterin aus dem Iran, schnitt zwölf Gemeindemitgliedern die Haare. Den Jugendraum wandelten wir in einen Coiffeur-Salon um.

Syrische Flüchtlinge hören die Botschaft der Hoffnung

Kürzlich haben wir in unserem Gemeindezentrum einen Pizza-Abend für 20 syrische Flüchtlinge organisiert. Da haben wir uns so richtig unter Arabern gefühlt. Die arabische Sprache flog uns nur so um die Ohren. Als besondere Gäste hatten wir ein syrisches Ehepaar eingeladen, das in der Deutschschweiz über die Liebe einzelner Christen zum Glauben an Jesus gefunden hat. Davon erzählten sie ihren Landsleuten, natürlich auf Arabisch. Die aktive innere Teilnahme der Flüchtlinge hat uns beeindruckt. Unvergesslich bleiben die auffallend positiven Reaktionen und die Dankbarkeit einer muslimischen Familie, die tränenden Augen eines jungen Familienvaters, welchem der Weg der Erlösung erklärt werden konnte, und der traumatisierte und apathisch wirkende Mann, der erst vor drei Tagen im Auffangszentrum für Flüchtlinge angekommen war. Auch er hörte die Botschaft der Hoffnung, die Gute Nachricht von Jesus.

Ausstrahlung im Mendrisiotto

«Sind Sie die Monique, von der uns die Flüchtlinge erzählen?» – «Danke für das, was ihr tut.» – «Ihr seid für mich ein Grund, wieder in die Kirche zu gehen!» – Solche Sätze hören wir von Leuten, die mit den Flüchtlingen zu tun haben. Das freut uns sehr. Schliesslich wollen wir durch diese gelebte Liebe Spuren hinterlassen, die auf Jesus hinweisen und ermutigen, sich für das Evangelium und den Glauben zu öffnen. Gott schenke es, dass das Licht, das Jesus in uns angezündet hat, neben den Herzen der Flüchtlinge auch die Herzen derer bewegt und öffnet, welche uns beobachten.

Markus Zollinger ist Pastor der «Missione Popolare Evangelica (MPE)» im Mendrisiotto im Tessin, einer italienischsprachigen Gemeinde von Chrischona Schweiz.

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Datum: 08.12.2015
Autor: Markus Zollinger
Quelle: Chrischona Panorama 6/2015

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