(K)ein Tabuthema

Darf man heute noch über Sünde sprechen?

Sünde – dieses Wort klingt für viele sehr altmodisch und wird heute oft nur ungern von Christen gebraucht. Dabei ist es ein zentraler Begriff in der Bibel und wird sowohl im Alten als auch im Neuen Testament unzählige Male benutzt. Auch heute ist er weiterhin wichtig – aber es kommt auf den Ansatz an, sagt der Theologe Michael Green.
Michael Green

Der Duden beschreibt Sünde als Übertretung eines göttlichen Gebots oder als Verfehlung gegen bestehende moralische Normen. Wenn es so wäre, wäre es relativ einfach, Sünde zu vermeiden.

Knapp daneben ist auch vorbei

Doch der griechische Begriff für Sünde bedeutet vielmehr, vom rechten Kurs abzukommen oder das Ziel zu verfehlen. Nehmen wir als Beispiel eine Zielscheibe: Man versucht, mit dem Schuss ins Schwarze zu treffen. Wenn man in den weissen Kreis daneben schiesst, ist man zwar schon recht gut, aber das Ziel ist nicht erreicht. So haben selbst Menschen, die unheimlich gut sind, viele gute Taten tun und ein «anständiges» Leben führen, aber Gott darin ausschliessen, keine Chance auf Rettung – es ist, als ob sie ins Weisse neben dem schwarzen Kern schiessen würden, aber eben nicht ins Schwarze. Und knapp daneben ist auch vorbei!

Wie kann man Sünde ansprechen?

Auch bei der Evangelisation ist die Sünde zentral – denn man möchte dem anderen ja erklären, dass er durch die Sünde von Gott getrennt ist und dass Jesus durch seinen Tod am Kreuz einen Weg geschaffen hat, diese Trennung zu überbrücken. Doch viele Christen haben Angst, das Thema Sünde anzusprechen: Wie wird der Gesprächspartner reagieren? Oder aber, sie beginnen frontal mit dem Satz: «Du bist ein Sünder und brauchst Jesus!» Obwohl das stimmt, ist es kein guter Ansatz für Evangelisation. Warum? 

Weil das Wort «Sünder» für den modernen Menschen keinerlei Bedeutung mehr hat, sagt der britische Theologe Michael Green in einem Interview im Rahmen des Forums für Christliche Leiter. Der Autor von über 50 Büchern erklärt weiter: «Oder sie beziehen [das Wort Sünde] auf Verbote und auf sexuelle Dinge. Doch in der Bibel bedeutet Sünde etwas ganz Anderes. Es geht um die verlorene Beziehung zwischen dem Menschen und Gott, um das verlorene Paradies.»

Nicht Moral, sondern Folgen der Sünde

Kann man dann heutzutage überhaupt noch über Sünde reden? Ja, sagt Green, aber man muss sich dabei auf das biblische Konzept von Sünde beziehen, auf die Distanzierung, die Trennung von Gott, und nicht den moralischen Aspekt von Sünde. Es bringe auch wenig, bestimmte Sünden ansprechen, denn es gibt heute eben keine moralischen Standards mehr. Jeder hat seine eigene Moral, lebt nach den eigenen Regeln und für einen Nichtchristen ist auch die Bibel kein Massstab.

«Es bringt nichts, einfach lauter zu schreien oder in den Menschen Schuldgefühle aufzubauen», sagt Green weiter. «Die Schuld besteht, aber das ist nicht die beste Möglichkeit, um zu einem Menschen zu predigen. Der beste Weg ist, die Menschen mit den Folgen dieser Schuld zu konfrontieren, denen sie sich vielleicht nicht bewusst sind.» Denn unter diesen Folgen leidet jeder Mensch bewusst oder unbewusst, wenn er Jesus nicht in sein Leben lässt. Es ist die innere Leere, die viele verspüren, die erfolglose Suche nach einem Sinn im Leben, die Sehnsucht nach etwas, das sie nicht definieren und somit nicht stillen können, manchmal auch das Bereuen von Dingen, die sie getan haben. «Diese Dinge sind die Frucht der Sünde, das Ergebnis der zerstörten Beziehung mit Gott. Und über diesen Weg sollte man gehen, wenn man über Sünde sprechen und predigen möchte.»

Zum Thema:
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Dossier: Kreative Evangelisation

Datum: 21.10.2016
Autor: Rebekka Schmidt
Quelle: Livenet

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