Alle 10 Jahre mal wieder richtig untreu?

seitensprung

Vor einigen Jahren sprach man vom kritischen siebten Jahr in einer Ehe. Inzwischen verkünden Psychologen übereinstimmend, die meisten Ehen würden bereits im vierten Ehejahr so bedrohlich langweilig, dass viele Ehepartner mit einem Seitensprung oder gar mit einem neuen Partner liebäugelten. Die Zeit der monogamen Ehe sei vorüber, behaupten viele Paartherapeuten, denn schliesslich sei das alte Modell der Versorgungsgemeinschaft abgelöst von der romantischen Liebesgemeinschaft - und die halte nun einmal nicht so lange. Zum Trend der Zeit gehörten mehrere aufeinanderfolgende Ehen.

Der Londoner Psychologe Prof. Hans Eysenck plädiert angesichts solcher gesellschaftlicher Entwicklungen für eine neue Ehe auf Zeit, die kündbar sein soll, wenn nicht beide Eheleute lieber beieinander bleiben wollen. Der Kommunikationspsychologe Stephan LerMer (München) hat ähnliche Reformideen: "Die meisten Ehen zerrütten im vierten Ehejahr. Ich plädiere für eine Ehe, die nach vier Jahren einfach ausläuft, sofern sie nicht von beiden Ehepartnern verlängert wird." In meinen Augen ist das ein egoistisches, ausbeuterisches Denken.

Wie anders klingen dagegen doch die Bibelworte, die zeit- und kulturübergreifend den lebenslangen Ehebund von einem Mann mit einer Frau fordern: "Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen..." Und: "Ich hasse Scheidung! Hütet euch bei eurem Leben und handelt nicht treulos!"

Die latente Versuchung

Gleichzeitig wird man in Werbung, Film und Fernsehen überschüttet mit einer erregenden Beziehungswelt: immer nur Lachen, Turteln, in-die-Augen-Schauen. Romantik und Dauerbegehren sind möglich, ja sogar normal. Die Körper perfekt, die Hormone auf Hochtouren - da kann der eigene Ehealltag ja nie mithalten.

Was tun, wenn man mit dieser Scheinwelt nicht konkurrieren kann? Die Figur ist durchschnittlich, nach Sex ist einem nicht immer zumute, nach Lachen erst recht nicht, die Romantik ist verflogen, der Gesprächsstoff ausgegangen, es ist alles so normal, ja manchmal langweilig. Kann dann ein Seitensprung die Beziehung beflügeln? Oder ein neuer Lebensabschnittsgefährte frühere Schönheit hervorzaubern und nie entdeckte Kommunikationsfähigkeiten wecken?

Ein Seitensprung hinterlässt immer Wunden

In meinen Beratungsgesprächen habe ich noch nie erlebt, dass ein Eheteil den Seitensprung des anderen einfach so verkraftet oder gar als stimulierend für seine Beziehung empfunden hat. Ich bin jedoch immer nur mit tiefen Verletzungen, Schmerz und Verzweiflung konfrontiert worden. Und auch bei einem zweiten oder dritten Partner, den man sich aus Überdruss am Vorgänger nimmt, taucht ebenso bald wieder die altvertraute Langeweile, Sexunlust und Gesprächsarmut auf

Es gibt nur eine kluge Antwort: an der einmal begonnenen Beziehung arbeiten, und zwar möglichst von Anfang an, und niemals damit aufhören, seine Ehe zu befestigen und zu vertiefen! An der Beziehung arbeiten heisst: sorgfältig unterscheiden lernen zwischen berechtigten und unberechtigten Wünschen an den Partner. Zu den Grundbedürfnissen einer Beziehung gehören meiner Erfahrung nach:

- Annahme und Vertrauen,
- Entspannung und Freude,
- regelmässige und aufrichtige Kommunikation,
- Zärtlichkeit und Intimität,
- gemeinsame Ziele und Werte.

Viele Paare schaffen es nicht mehr, diese Punkte ohne Anleitung aufzuarbeiten. Die eigenen Belastungen aus der Vergangenheit und die Schnellebigkeit unserer Zeit sind die grössten Hindernisse. Besitzt ein Paar jedoch ein Grundverständnis von diesen Themenbereichen, kann es für sich ausloten, durch welche Worte und Gesten sich der einzelne angenommen fühlt und wie sie miteinander entspannen können. Sie werden an ihrem Kommunikationsstil feilen und zu einer fairen Streitkultur finden. Das ist Voraussetzung, um aufrichtig über die Art der Zärtlichkeit zu sprechen, die der einzelne mag, und darüber, wie häufig und in welcher Weise Sex gewünscht wird. Findet ein Paar dann einen Konsens für individuelle und gemeinsame Lebensziele, kann es zu einem schlagkräftigen Ehe-Team heranwachsen!

Datum: 09.06.2002
Autor: Eberhard Mühlan
Quelle: idea Deutschland

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