George Bush und sein Verhältnis zu anderen Religionen

George Bush

Sein Assspruch vom „Kreuzzug gegen den Terrorismus“ hat US-Präsident George W. Bush viel Kritik eingebracht. Das haben viele Muslime als Angriff auf ihre Religion verstanden. Seitdem stellt sich die Frage: Wie steht Bush zu anderen Religionen? Er bezeichnet sich als Christ und gehört den Methodisten an. Viele Amerikaner glaubten vor seiner Wahl zum Präsidenten, Bush werde im Amt Politik und Religion vermischen. Bush musste sich daher oft gegen den Vorwurf wehren, er wolle als Präsident seinem christlichen Glauben den Vorrang gegenüber anderen Religionen einräumen.

Da der Präsident sich zu diesem Thema selten äussert, kommt diesem Interview eine gewisse Bedeutung zu: In dem Gespräch mit dem Internetdienst Beliefnet sagt Bush, dass er alle Religionen respektiere. „Ich bin nicht dazu berufen zu entscheiden, ob meine oder deine Religion die bessere ist“ - Gott zu spielen, so vermessen sei er nicht.

Steve Waldman: Wie hat Ihr persönlicher Glaube ihre politische Einstellung beeinflusst, die Sie „mitfühlenden Konservativismus“ nennen?

George W. Bush: Mein persönlicher Glaube hat diese Haltung stark beeinflusst. Eine wahrhaftige Philosophie spiegelt die Erfahrungen eines Menschen wider. Ich wurde christlich erzogen, später habe ich zu einem sehr persönlichen Glauben Christus gefunden. Ich wandte mich der Bibel zu. Mein Leben änderte sich in vielerlei Hinsicht. Ein äusseres Anzeichen ist, dass ich das Trinken aufgab. Ich bin seither engagierter, konzentrierter. Nicht dass ich vorher keine engagierte Person war, aber dies war ein lebensverändernder Moment. Ich erkenne auch, dass man stets auf dem Weg ist, auf einer niemals endenden Reise.

An mir ist vieles unvollkommen, wie an jedem anderen auch. Und je mehr ich die Bibel las, desto mehr erscheint einem die Mahnung wahr: „Was siehst du den Splitter im Auge deines Nächsten und spürst nicht den Balken im eigenen Auge“, sie gilt vor allem für Menschen in öffentlichen Positionen. Mein Stil, mein Fokus und viele Themen, über die ich spreche, sind durch meine Religion verstärkt worden.

Zu glauben, wir seien alle Sünder, statt: „Sie sind ein Sünder und ich nicht“, kann jemanden weiterbringen. Zumindest gilt das in meinem Fall. Diese Erkenntnis hat aus mir einen besseren Gouverneur gemacht. Sie kann Menschen zusammenführen, und genau das braucht unser Land in einigen sehr praktischen Bereichen. Ein klassisches Beispiel dafür, wo Menschen näher zusammenrücken müssten, wäre das Gesundheitswesen.

Waldman: Wir sind uns einig, dass es auch für einen nichtreligiösen Menschen möglich ist, ein moralisches Leben zu führen. Glauben Sie, dass es für nicht-religiöse Menschen schwieriger ist, moralisch zu sein?

Bush: Ich denke, so wäre es für mich. Es fällt mir schwer, mich in anderer Leute Lage zu versetzen. Ich kann Ihnen nur sagen, der Glaube erleichtert mir mein Leben, und ich verstehe es besser. Er macht mir die Dinge klarer, weist mir meinen Weg. Ich betone das mit dem Weg, denn auf dem Lebensweg gibt es, wie Sie wissen, viele Fallen und Herausforderungen. Ich erlebe gerade eine der grössten Herausforderungen überhaupt. Dabei stützt mich der Glaube.

Wenn Leute zu mir kommen, wie hier in Tennessee, und an den Absperrungen sagen: „Ich bete für Sie“, dann weiss ich, was das für mich bedeutet. Ich spüre die Unterstützung von Tausenden, die beten. Ich verstehe was vom Gebet.

Waldman: Sie wurden in der Vergangenheit oft gefragt, wie Menschen für Sie beten könnten. Da haben Sie gesagt, man möge für Ihre Kinder beten. Die würden in letzter Zeit viel Böses und Verletzendes zu hören bekommen, weil ihr Vater Präsidentschaftskandidat ist. Was haben Sie damit gemeint?

Bush: Ich will, dass meine Kinder verstehen, was der Kampf um die Präsidentschaft bedeutet, und zwar aus Ihrer Perspektive. Ich nehme an oder hoffe, dass Bittgebete ihnen helfen, ihre Gedanken zu erleichtern und ihre Ängste zu beschwichtigen.

Waldman: Ängste ­ wovor?

Bush: Nun, es geht um das, was sie zu hören bekommen. Die Leute sagen hässliche Dinge über ihren Vater. Wir sind eine liebevolle Familie, und ich weiss aus Erfahrung, was es bedeutet, wenn jemand den eigenen Vater kritisiert. Ich konnte es überhaupt nicht leiden, es war schmerzhaft.

Waldman: Hatten Sie jemals das Gefühl, dass eines Ihrer Gebete erhört wurde?

Bush: Oje, das ist eine sehr gute Frage. Ich bete wirklich nicht in dem Stil: „Lieber Gott, gib mir 48 Prozent der Stimmen in der Vorwahl.“ Das wäre nicht meine Art von Gebet. Ich habe schon gespürt, dass meine Gebete erhört wurden. Wirklich. Es gab Situationen, da habe ich um innere Ruhe gebetet. Und ich hattte anschliessend die Ruhe.

Waldman: Von welchen Situationen sprechen Sie?

Bush: Bei grossen Pressekonferenzen werden Sie bemerken, dass ich still meinen Kopf senke, bevor ich zum Mikro gehe. Es gibt viele Situationen, in denen ich starken Druck erlebe und eine Menge Aufmerksamkeit auf mich ziehe. In solchen Momenten muss ich klar denken und resolut und ruhig auftreten.

Waldman: Glauben Sie, dass alle grossen Religionen gleichermassen wahr sind?

Bush: Wir alle sind Gottes Kinder. Als Sünder habe ich nicht darüber zu entscheiden, wer in den Himmel kommt und wer nicht. 1994 habe ich einmal gesagt: „Mein Glaube sagt mir, dass du Christus annehmen musst, wenn du in den Himmel willst.“ Es gab daraufhin heftige Reaktionen. Denn, wie immer in der Politik, hatte man der Öffentlichkeit nicht die ganze Geschichte erzählt. Es gab heftige Reaktionen unter einigen texanischen Juden, die herausgehört hatten, ich hätte gesagt, dass sie nicht in den Himmel kämen. Ich habe hart gekämpft, um den Leuten klar zu machen, dass nicht ich darüber zu entscheiden habe, wer in den Himmel kommt. Jeder muss an sich selbst arbeiten, sich auf sich selbst konzentrieren.

Um Ihre Frage zu beantworten: Es gibt grossartige Religionen auf der Welt. Das anzuerkennen ist wichtig. Es gibt viele gemeinsame Glaubenslehren. „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Es gibt wundervolle Berufungen. Und ich bin zufälligerweise Christ.

Waldman: Wenn Sie glauben, dass der Weg zum Reich Gottes über Jesus Christus führt, haben Sie dann nicht eine moralische Verpflichtung, andere dazu zu bewegen, demselben Pfad zu folgen?

Bush: Nicht in meinem Arbeitsbereich. Denn der ist politisch. Es ist meine Aufgabe, unterwegs zu bleiben und dabei andere zu respektieren. Andere und deren Religion. Ausserdem bilde ich mir nicht ein, Gott zu sein. Es gibt viele grossartige Religionen auf der Welt.

Gott ist allmächtig und allwissend. Alles Weitere werden wir erst erfahren, wenn wir im Himmel die letzte Antwort auf die vielen religiösen Fragen erhalten. Es ist nicht die Aufgabe des Präsidenten der Vereinigten Staaten, Menschen zur Religion zu bekehren. Es ist vielmehr sein Job, ein Vorbild zu sein, gut durchdachte Entscheidungen zu treffen, Religionen zu respektieren und, wenn er darum gebeten wird, seinen Glauben vor der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Aber niemals darf er behaupten: „Meine Religion ist besser als deine.“

Waldman: Sie schlagen vor, religiöse Sozialprojekte zu unterstützen. Wenn Sie sich damit durchsetzen, würde Geld zum Beispiel an eine Gefängnisseelsorge fliessen, die Gefangenen als Teil ihrer Resozialisierung Bibelseminare gibt.

Bush: Absolut korrekt.

Waldman: Was hielten Sie davon, wenn mit demselben Geld eine muslimische Gruppe den Koran lehren würde?

Bush: Ich würde bei allen Resozialisierungsprojekten fragen, wie hoch sind die Erfolgsquoten? Wie viele Strafentlassene aus den jeweiligen Programmen werden wieder rückfällig? Und zweitens: Gibt es eine nichtreligiöse Alternative. Die Antwort auf Ihre Frage lautet also: Wenn das muslimische Resozialisierungsprojekt funktioniert, hätte ich überhaupt nichts dagegen.

Waldman: Auch wenn das in der Konsequenz bedeutet, dass Steuergelder an Gruppen fliessen, welche den Koran oder die Bibel verbreiten?

Bush: So ist es. Nur achte ich in erster Linie auf den Erfolg des Resozialisierungsprogrammes. Ich habe solche Fragen schon oft in Texas beantwortet. Es kann jede Religion sein. Die Frage war immer wieder: „Fördern Sie Religion mit Hilfe von Steuergeldern?“ Und ich habe stets geantwortet: „Nein, ich fördere alles, was niedrige Rückfallquoten unter Strafentlassenen fördert. Und wir werden bei jedem Projekt prüfen, ob das der Fall ist.“ In einer ergebnisorientierten Welt sagen wir: „Lasst uns gemeinsam unsere Ziele erreichen.“ Wenn das Studium von Bibel oder Koran zu diesem Ziel führt, sollten wir es begrüssen, solange die Teilnahme an den religiösen Resozialisierungsprojekten freiwillig bleibt. Und es muss eine nichtreligiöse Alternative geben, den normalen Strafvollzug. Die Gefangenen müssen die Wahl zwischen religiösem und nichtreligiösem Vollzug haben.

Waldman: Es gab auch Kritik von konservativer und religiöser Seite an Ihrem Vorhaben. Denn wer Geld bekommt, dem hat der Staat zuvor ein Gutachten ausgestellt, mit dem er ihm staatliche Anerkennung bescheinigt.

Bush: Genau darüber mache ich mir Sorgen. Wir werden darauf achten, dass die Bürokratie religiöse Programme nicht zerredet. Programme, die das Leben von Menschen zum Besseren verändern sollen.

Waldman: Einer der Gesetzentwürfe sieht vor, dass religiöse Anbieter, die Steuergelder beziehen, bei Einstellungsgesprächen nach religiösen Gesichtspunkten entscheiden und somit Andersgläubige diskriminieren können. Finden Sie das gut?

Bush: Ich höre zum ersten Mal von diesem Gesetzentwurf. Ich mag das Wort „diskriminieren“ nicht. Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich bei der Bewertung dieser Programme allein auf das Ergebnis achte. Ich bin jetzt nicht sicher, worauf Sie hinauswollen. Heisst das, eine christliche Gruppe bräuchte einen Juden nicht einzustellen?

Waldman: So ist es.

Bush: Nun, ich würde das nicht genau so nennen ­ ich meine, Sie können jedes beliebige Wort dafür nehmen, worauf es ankommt, ist: Wird das Projekt funktionieren?

Waldman: „Diskriminieren“ ist wohl der rechtlich korrekte Begriff in diesem Fall. Wenn diese Gruppe nun behauptet, es komme darauf an, dass alle Mitarbeiter an dasselbe glauben, wenn sie sagen, das sei entscheidend für die Effektivität …

Bush: … des Programms, genau darauf sollten wir achten. Man kann auf vielfältige Weise religiöse Programme davon abhalten, mit der Regierung Berührungspunkte zu haben. Meine Aufgabe wäre es, diese Berührungspunkte zu ermöglichen, wenn die religiösen Gruppen sie wünschen. Während einer Debatte wurde ich gefragt, wer mein Lieblingsphilosoph sei. Ich sagte: „Christus“. Man fragte mich weiter: „Warum?“ Und ich sagte: „Weil er mein Herz berührt hat.“ Und der Typ vom Fernsehen vor ihm sagte: „Nun, dann erklären Sie doch mal, was das heisst.“ Was genau passiert, wenn jemand religiös wird und daraufhin weniger Drogen zu sich nimmt, das kann man kaum im Einzelnen erklären. Zumindest finde ich es schwer zu erklären.

Waldman: Ich habe bemerkt, dass Sie nie den Begriff „wiedergeboren“ benutzen, wenn Sie von Ihrem Glauben sprechen. Andere schreiben Ihnen das Wort zu, aber Sie benutzen es nicht. Warum nicht?

Bush: Ich weiss es nicht. Wahrscheinlich, weil ich lieber sage: „Ich habe mein Leben Christus neu gewidmet.“ So oder so, was zählt, ist mein Glaube. Offen gesagt rede ich nicht gern über meinen Glauben, weil es in der Politik viele Leute gibt, die sagen: „Wählt mich, ich bin religiöser als mein Gegner.“ Diese Art Leute gehen mir auf die Nerven.

Was zählt, ist, wie Sie Ihr religiöses Leben führen. Und wie ich zu Beginn des Interviews sagte: Ich glaube, dass sich der Glaube eines Menschen in seiner Denkweise, in seiner Haltung und in seiner Art, Dinge zu betrachten, äussert. Wenn Sie für das Amt des Präsidenten kandidieren, versuchen die Leute stets einen Blick in Ihre Seele zu werfen, in Ihr wahres Wesen. Irgendwie scheint die Religion zu beschreiben, wer ich bin. Aber ich verbringe nicht viel Zeit damit zu erklären: „Ich bin der beste Kandidat, weil ich die religiöseste Person bin.“
Mich erinnert das an den Bibelvers: „Was siehst du den Splitter im Auge deines Nächsten, und erkennst nicht den Balken im eigenen Auge.“ Dieser Vers ist mir sehr wichtig. Wirklich. Hier liegt der Grund, warum ich um Erlösung bitte. Dies halte ich mir immer vor Augen: Dass ich ein einfacher Sünder bin. Und hier liegt der Schlüssel zur christlichen Religion. Es ist das grosse Versprechen Jesu Christi.

Waldman: Wie beeinflusst Ihr Glaube, ein einfacher Sünder zu sein, Ihre Einstellung zum Regierungsamt?

Bush: Ich behandele andere mit Respekt. Ich fühle mich nicht als jemand Besseres als andere Leute. Ich glaube, dass ich Menschen führen kann. Jeder von uns hat andere Begabungen. Worauf es ankommt ist, dass ich andere Leute respektiere. Unser Land braucht jemanden, der die Wunden heilen und Menschen zusammenführen kann, ich glaube, ich bin der Mann, der dies tut.

Interview: Steve Waldman

Übersetzung: Burkhard Weitz

Datum: 10.05.2002

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