Frauenrechte, Glaube und Mars

Das einflussreiche Leben der Sojourner Truth

Sojourner Truth wurde als Sklavin geboren und entfloh ihrem Schicksal. Die streitbare Afroamerikanerin kam zum Glauben, engagierte sich gegen Sklaverei, als Frauenrechtlerin und Wanderpredigerin. 2014 zählte das «Smithsonian» Magazin sie zu den 100 einflussreichsten Personen aller Zeiten aus den USA.
Sojourner Truth

Eigentlich hiess sie nur Isabella. Ohne Nachnamen, denn Sklavinnen brauchten keinen Nachnamen. Sie kam wahrscheinlich 1798 im Staat New York zur Welt. Damals hätte niemand damit gerechnet, dass das kleine Mädchen einmal als freie Frau leben und sich darüber hinaus noch für die Rechte anderer einsetzen würde.

Für 100 Dollar verkauft

Isabellas Eltern gehörten einem Farmer, der aus den Niederlanden eingewandert war. Als dieser starb, wurden beide freigelassen – sie waren zu alt zum Arbeiten –, das damals neunjährige Mädchen kam auf den Sklavenmarkt. Für 100 Dollar wurde Isabella an einen neuen Besitzer verkauft, der sich darüber ärgerte, dass sie nur Holländisch verstand. So prügelte er ihr die Englischkenntnisse ein. Ihr Schicksal ähnelt dem vieler Sklavinnen dieser Zeit: verkauft, geschlagen, zu harter Arbeit gezwungen. Nach einer kurzen Romanze mit dem Sklaven eines Nachbarfarmers wurde Isabella zwangsverheiratet. Sie bekam fünf Kinder. Trotzdem gab sie später als Familienstand immer «ledig» an.

Ihr letzter Besitzer ging nicht brutal mit ihr um, allerdings verweigerte er ihr die Freilassung, die er ihr vorher versprochen hatte. Deshalb floh sie im Alter von 28 Jahren mit einer Tochter zu einer Quäkerfamilie aus der Gegend. Sie hatte schon viel von dieser christlichen Friedenskirche gehört und wusste, dass ihre Mitglieder die Sklaverei ablehnten. Tatsächlich löste diese Familie sie bei ihrem Besitzer aus und schenkte ihr die lang ersehnte Freiheit.

Vom Geist gerufen

Kurz nach ihrer Freilassung wurde Isabella Christin. Zunächst arbeitete sie als Haushälterin bei einem New Yorker Evangelisten, schloss sich dann diversen Gemeinden und Gemeinschaften an und war – wie viele andere, die aus der Sklaverei freigelassen worden waren – auf der Suche nach ihrer Identität und einer Aufgabe. Isabella hatte nur mit einer Tochter fliehen können und versuchte, auch ihre anderen Kinder zu befreien. Einen Sohn konnte sie tatsächlich als eine der ersten Sklavinnen in den USA vor Gericht freikämpfen.

Die Vergangenheit prägte nach wie vor ihren Alltag. Schliesslich sah sie darin eine Berufung Gottes. Sie nannte sich von da an Sojourner Truth – Reisende für die Wahrheit – und zog als Wanderpredigerin durchs Land. Es sollte noch 20 Jahre dauern, bis die Sklaverei endgültig abgeschafft würde, doch Sojourner liess jetzt schon keine Gelegenheit aus, dagegen anzugehen. In ihren Predigten und Reden ging es immer um ihre drei grossen Themen: Jesus, Abschaffung der Sklaverei und Frauenrechte. Und sie war berüchtigt für ihren beissenden Humor. Als sie mit männlichen Gegnern der Sklaverei zu tun hatte, die das Wahlrecht für schwarze Männer forderten, fragte sie diese, ob sie nicht an Jesus glaubten. «Doch, natürlich», war die Antwort. Daraufhin erklärte sie ihnen: «Aber Jesus ist der Sohn von Gott und Maria. Männer hatten damit nichts zu tun.»

«Bin ich etwa keine Frau?»

Sojourner engagierte sich für ihre Themen – und zwar gemeinsam. Damit setzte sie sich durchaus in Gegensatz zur damals entstehenden bürgerlichen Frauenbewegung, die praktisch nur für die Rechte der weissen Frauen kämpfte. Als diese Frauen sich darüber aufregten, dass schwarze und indianische Männer wahrscheinlich noch vor ihnen das Wahlrecht erhalten würden, hielt Sojourner eine Rede, die in die amerikanische Geschichte einging: «And ain't I a woman?» (Und bin ich etwa keine Frau?).

Die ehemalige Sklavin erlebte noch, wie ihre sämtlichen Kinder befreit wurden. Sie verfasste ihre Memoiren – mit Hilfe, da sie selbst nicht schreiben konnte – und verdiente daran so viel, dass sie sich ein Häuschen kaufen konnte. Trotzdem engagierte sie sich weiter für die Rechte der Afroamerikaner, weil ihr immer deutlicher bewusst wurde, wie gross der Anteil der schwarzen Bevölkerung am Wohlstand der USA und wie gering die Anerkennung dieser Leistung war.

Eine Sternschnuppe auf dem Weg nach Hause

Sojourner Truth kam als Sklavin ohne wirkliche Lebensperspektive zur Welt. Doch als sie am 26. November 1883 starb, konnte sie auf ein erfülltes Leben zurückblicken. Sie hatte sich für das Evangelium eingesetzt, für Menschen- und Frauenrechte. In Europa ist sie immer noch weitgehend unbekannt. Doch in den USA hat sie bis heute einen guten Namen. Unter anderem wurde sie dadurch geehrt, dass der erste Rover auf dem Mars nach ihr benannt wurde: Sojourner. Damit ging in Erfüllung, was sie selbst von ihrem Tod voraussagte: «Ich werde nicht einfach sterben, ich werde wie eine Sternschnuppe nach Hause gehen.»

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Datum: 20.07.2017
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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