Der König von Narnia

Chroniken
Schrank
Aslan

Nach dem riesigen Erfolg der New-Line-Cinema-Produktion "Herr der Ringe", die auf den gleichnamigen Büchern von J.R.R. Tolkien beruht, doppelt im Dezember Konkurrent Walt Disney mit dem Film "Der König von Narnia" nach. Der Film beruht auf dem ersten Band einer Buchreihe des irischen Autoren C.S. Lewis – den sieben Narnia-Chroniken.

Was viele nicht wissen: Tolkien und Lewis waren enge Freunde und lasen einander aus ihren Werken probeweise vor. Und: Harry-Potter-Autorin J.K. Rowling ist ein erklärter Fan der Narnia-Chroniken. Nicht umsonst hat sie ihre Potter-Serie auf präzis sieben Bände ausgelegt.

Ein Denker schreibt Geschichten

Für den Literaturprofessor Clive Staples Lewis (1898 - 1963) waren Kindergeschichten, die nur von Kindern gelesen werden können, wenig wertvoll. Tatsächlich stehen die Narnia-Chroniken im angelsächsischen Raum nicht nur vielen Kinderzimmern – so wie bei uns etwa die Märchen der Gebrüder Grimm – Narnia wird auch von Erwachsenen aus aller Welt geliebt und immer wieder gelesen. Und die Bücher bieten in der Tat für beide Zielgruppen viel. Allerdings, "ihm wäre es lieber, die Kinder würden sich einfach an dem Buch freuen und sich erst später, wenn sie älter wären, über die religiösen Dinge Gedanken machen" (1), sagte Lewis über "Der König von Narnia", den ersten Band seiner siebenteiligen Narnia-Reihe. Tatsächlich enthalten die Narnia-Chroniken nicht nur viele theologische Gedanken und Anspielungen, die Reihe stellt in ihrer Gesamtheit eine regelrechte biblische Heilsgeschichte in Märchengestalt dar. Philosophie und Theologie im luftigen Gewand eines Märchens vermitteln – das ist kaum je so gut gelungen wie bei C.S. Lewis.

Der Beginn von Narnia

Den auslösenden Impuls zu "Der König von Narnia" erhielt Lewis 1939 während der Kriegszeit, als er in seinem Haus "The Kilns" bei Oxford (England) evakuierte Kinder aufgenommen hatte. Eines der Kinder fragte den Hausherrn angesichts eines grossen Kleiderschrankes (2), was sich wohl dahinter verbergen möge und "ob man auf der anderen Seite wieder aus dem Schrank herauskomme" (3). Schon als Kind hatten Lewis "verzauberte" Schränke fasziniert, weil sie – zumindest in der Fantasie – Durchgang zu einer neuen, unbekannten Welt sein können. Und in seinen Teenagerjahren hatte sich bei ihm das Bild eines Fauns festgesetzt, der mit einem Schirm bewaffnet und mit Paketen in der Hand durch einen verschneiten Wald stapft. Damit waren erste Grundlagen für ein faszinierendes Märchen gelegt. Als Lewis später zu schreiben begann, kamen eine weisse Königin (oder Hexe) auf dem Schlitten dazu und ein Land, in dem immer Winter herrscht und es nie Weihnachten wird.

Die Geschichte

Das Land wird von einer grausamen weissen Königin beherrscht, die alles und jeden unter ihre Gewalt zwingen will. Einige sprechende Tiere stehen aber immer noch auf der Seite Aslans, des guten Löwen, der allerdings schon lange nicht mehr gesehen worden ist. In dieses Spannungsfeld geraten die vier Kinder Susan, Peter, Edmund und Lucy, sobald sie durch die Rückwand eines Kleiderschrankes in England nach Narnia gelangt sind. Der Kampf zwischen Gut und Böse, Verrat und Loyalität prägt den Fortgang der Geschichte. Wendepunkt ist der Tod des Löwen – des Königs von Narnia – um den verräterischen Edmund aus den Klauen der weissen Hexe zu befreien. Ein tiefer, der Hexe unbekannter Zauber, lässt den Löwen nach einer Nacht wieder ins Leben zurückkehren. Die Schlacht ist gewonnen, der Frühling setzt sich durch. Nach einer Zeit der glücklichen Herrschaft als Königinnen und Könige von Narnia geraten die Kinder durch eine Fügung wieder in den Kleiderschrank und purzeln gemeinsam in den davor liegenden Raum. Sie stellen fest, dass nicht eine Sekunde englischer Zeit vergangen ist.

Die Chroniken

"Der König von Narnia" ist an Weihnachten 1948 fast fertig gestellt. Während Freund Tolkien von der Geschichte nicht begeistert ist, findet sie bei Kindern grossen Widerhall. Dass ein feinsinniger Denker Kindergeschichten schreibt, scheint vielen Erwachsenen vorerst nicht ins Konzept zu passen. Nach dem Erscheinen des ersten Bandes 1950 beginnt Lewis sofort mit dem nächsten, "Wiedersehen in Narnia" (neu: Prinz Kaspian). Diesmal geraten die Kinder durch ein Gebüsch nach Narnia. Sie kommen gerade rechtzeitig, um eine entscheidende Schlacht in Narnia, in dem unterdessen viele Jahre verflossen sind, zum Guten zu wenden. Lewis führt neue sprechende Tiere (mit typisch menschlichen Zügen) ein und entwickelt die fantastische Welt voller (christlicher) Symbolik weiter.

Der wahre König

Über alle Chroniken hinweg aber prägt Aslan, der König von Narnia, das Bild – eine deutliche Anspielung auf Jesus, in vielen Facetten sorgfältig gezeichnet, verbunden mit tiefsinnigen und berührenden Begegnungen mit den Kindern. So erscheint in "Die Reise auf der Morgenröte" der Löwe als Lamm, das zum Frühstück einlädt. Lewis hält sich aber nicht präzis an die biblische Vorlage sondern spielt kreativ damit. Schliesslich schreibt er ein Märchen. Auf die Frage einer kleinen Leserin, ob Aslan Jesus Christus sei, antwortet er in einem Briefwechsel: "Ich versuche eigentlich nicht, die wirkliche (christliche) Geschichte in Symbolen "darzustellen". Ich sage eher: "Nehmen wir an, es gäbe eine Welt wie Narnia, und sie müsste gerettet werden, und der Sohn Gottes (...) käme, um sie zu erlösen, wie er auch kam, um unsere Welt zu erlösen, wie hätte sich das in jener Welt wohl abgespielt (4)?"

Ein wahres Märchen

Darf man zentrale biblische Wahrheiten über Jesus überhaupt in ein Märchen kleiden? mögen Sie sich fragen. Ja, denn schliesslich ist es auch erlaubt, biblische Inhalte als Lied, Hörspiel oder Gedicht zu gestalten. Oder eines Filmes, wie dies im kommenden Dezember ein weiteres Mal versucht wird. Der König von Narnia sagt es den Kindern so: "Ihr durftet mich in dieser Welt (d.h. Narnia) kennen lernen, damit ihr mich besser kennt, wenn ihr in eure eigene zurückkommt (5)."

Mehr zum Thema:
www.narnia.jesus.ch

1 Coren, Michael: C.S. Lewis – der Mann, der Narnia schuf, S. 70
2 Er kann heute – zusammen mit einem grossen Teil der Bibliothek des Professors – im C.S.-Lewis-Museum in Wheaton bei Chicago besichtigt werden.
3 Coren, S. 68
4 Lewis, C.S.: Briefe aus Narnia, S. 115
5 Lewis, C.S.: Die Reise mit der Mörgenröte (Schluss der Erzählung)

Quelle: Antenne, Zeitschrift des ERF Schweiz

Datum: 09.12.2005
Autor: Hanspeter Schmutz

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