Jesu Jünger zwischen Gethsemane und Big-Brother-Container

Jesus-Film
Der Oelberg heute
Mel Gibson

Rom. Cinecitta' die Filmfabrik vor den Toren Roms ist als internationaler Produktionsstandort für Filme vor allem mit religiösen Motiven und Inhalten stark gefragt. Zunächst machte die italienische „Traumfabrik“ eher mit Billigproduktionen und als Standort des Wohn-Containers für die italienische Version von "Big Brother" von sich reden. Doch nun scheint der Durchbruch geschafft.

Religiöse Thematik

Zum neuen Boom tragen nicht unwesentlich einige Filmprojekte mit religiöser Thematik bei. Die Kulissen des New York-Films stehen noch, doch etliche Häuser sind bereits durch das Anbringen malerischer Stufengiebel zu einem holländischen Dorfplatz vor einer anheimelnden Dorfkirche umgebaut worden. Hier wird in wenigen Tagen die Eröffnungsszene der neuen Folge des Welterfolgs "Der Exorzist" mit dem Arbeitstitel "The Beginning" gedreht - nicht die vierte Nachfolgestory (sequel) des Schauderklassikers, sondern ein so genanntes "prequel" - also eine Geschichte, die etliche Jahre vor der Handlung des Originals aus dem Jahr 1973 spielt. Der schwedische Schauspieler Stellan Skarsgard (bekannt aus Lars von Triers "Breaking the waves") hat die Hauptrolle des späteren Exorzisten "Father Merrin" übernommen. Er trägt die Soutane mit römischem Kragen mit grösster Selbstverständlichkeit und hat den Gang und die Gesten eines Priesters so sehr verinnerlicht, dass es schwer fällt, ihm den Schauspieler im Priestergewand zu glauben.

Jesu Leiden im Studio Fünf

Ein paar Schritte weiter schleppen Arbeiter Olivenbäume, Erde, Steine und Grasbüschel in das berühmte Studio Fünf - jenen riesigen Raum, in dem Fellini bevorzugt arbeitete. Hier entsteht gerade der Garten von Gethsemane, wo Jesus vor seiner Gefangennahme betete und Blut schwitzte. Der amerikanisch-australische Schauspieler und Produzent Mel Gibson will hier eine entscheidende Szene für sein ehrgeiziges Projekt "Passion" drehen: einen Film über die letzten zehn Stunden Jesu in den Originalsprachen Aramäisch, Griechisch und Latein - ohne Untertitel und Synchronisierung. Gibson will den Zuschauern auch auf der sprachlichen Ebene ein möglichst originales Nacherleben der Leidensgeschichte zumuten. In einem anderen Studio ist ein Raum des Herodespalasts nachgebaut worden, Einblicke bei den Dreharbeiten sind jedoch streng untersagt. Maurizio Sperandini von der Cinecitta'-Geschäftsführung senkt andächtig die Stimme, wenn er von Gibsons Jesus-Projekt spricht, das manche als genial und andere als verrückt bezeichnen.

Drehbuchvorlage: Mystische Schriften

Als Vorlagen dienen dem tief gläubigen Katholiken Gibson neben den Evangelien auch zweifelhafte mystische Schriften, darunter die Visionen der deutschen Seherin Anna Katharina Emmerich mit dem Titel "Das bittere Leiden unseres Herrn Jesu Christi". "Es geht Mr. Gibson nicht um einen Verkaufserfolg, dieser Film ist ihm ein tiefes persönliches, beinahe religiöses Bedürfnis. Er zahlt die Produktionskosten aus eigener Tasche", erklärt der Studio-Manager und wirbt um Verständnis dafür, dass Medienkontakte oder gar Interviews mit dem Meister in dieser Phase seines Schaffens beinahe unmöglich seien. Auch die Jünger Jesu, gespielt von bärtigen jungen Männern in groben, verfilzten Wollumhängen, halten sich an die Regeln des geheimnisumwitterten Passions-Spiels und sitzen bei den Drehpausen schweigend in der Sonne. Wie einst Pasolini bei seiner Verfilmung des Matthäusevangeliums hat auch Gibson die meisten Aussenaufnahmen in der süditalienischen Stadt Matera mit ihren Höhlenbehausungen abgedreht. Doch für die Feinarbeit - einschliesslich der Ölgartenszene - hat er sich für Cinecitta' entschieden.

Bester „religiöser Anstrich“

Ob die Traumfabrik für religiöse Themen besonders geeignet ist? Dafür spricht, dass etwa die Kulissenbauer und -Maler von Cinecitta' besonders gute Voraussetzungen für derartige Filme mitbringen. Bei der Realisierung eines "religiösen" Ambiente sind sie den Weltmarktführern in Los Angeles weit überlegen. So haben sie unlängst für eine Mini-Serie über Franziskus einen Original-Platz aus Assisi samt romanischer Kirchenfassade und Campanile derart detailgetreu nachgebaut, dass "Kulturpapst" Vittorio Sgarbi ihn am liebsten gleich unter Denkmalschutz gestellt hätte. Cinecitta'-Generaldirektor Lamberto Mancini liegt eine Fixierung auf die religiösen Themen dennoch fern. Er betont den breit angelegten derzeitigen Erfolg seiner Studios. Nach seiner Überzeugung ist es ganz einfach die Stadt Rom mit ihrem Klima, ihrer Küche und ihrer Kultur, die ein unvergleichliches, inspirierendes Umfeld für Regisseure, Schauspieler und Crews bietet.

Datum: 05.03.2003
Quelle: ORF

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