Ingrid Trobisch

Ein Leben für die christliche Ehe

Ingrid und Walter Trobisch

Sie ist eine der bekanntesten evangelischen Frauen: Ingrid Trobisch. Ihr Aufklärungsbuch “Mit Freuden Frau sein” wurde in den siebziger Jahren zum Bestseller. Sie wurde am Kilimandscharo geboren und war als Missionarin in der halben Welt zu Hause. Als Tochter eines schwedischen Missionars und als amerikanische Staatsbürgerin heiratete sie einen deutschen Pastor aus Leipzig: Walter Trobisch. Das Missionarsehepaar mit fünf Kindern gründete eines der bekanntesten christlichen Werke in der Eheberatung, die Family Life Mission. Nach dem Tod ihres Mannes führte sie das Werk allein weiter. Jetzt hat sie ihr bewegtes Leben niedergeschrieben (Ingrid Trobisch, Der Weg nach Hause ist eine lebenslange Reise, R. Brockhaus Wuppertal 2002). Im folgenden Auszüge.

Ein Versprechen

Während des Gedenkgottesdienstes für meinen Vater – er war auf einer Missionsreise in Tansania nach einer Malariaerkrankung an Herzversagen gestorben – gab ich als 17jährige mit zitternder Stimme ein Versprechen ab: “Meine Geschwister und ich wollen nun um so entschiedener unser ganzes Leben dafür einsetzen, dass sich Gottes Reich auf dieser Erde ausbreitet. Wir wollen dort sein, wo Gott uns haben will.” Fünf Jahre später war es soweit. Ich wurde als Missionarin nach Kamerun ausgesandt und sollte Zwischenstation zum Studium in Frankreich machen.

Auf der Überseefahrt Richtung Europa gingen meine Gedanken einige Male zu einem deutschen Austauschstudenten zurück, den ich nur flüchtig kannte: Walter Trobisch. Wir hatten in der Cafeteria eines Theologischen Kollegs in den USA mit einigen Freunden zusammengesessen, und ich konnte nicht vergessen, was er zu uns gesagt hatte: “Ihr Amerikaner müsst daran denken, dass Gott kein Weihnachtsmann oder ein ständig lächelnder Opa im Morgenmantel ist, der uns für unser gutes Benehmen belohnt oder sich freut, wenn wir gnädigerweise einmal ‚Dankeschön’ zu ihm sagen. Wenn er will, kann er alles und jeden zerstören, den wir kennen.” Walter sprach aus tiefster Überzeugung. Mit achtzehn Jahren war er in Hitlers Armee einberufen worden, war im Krieg mehrfach verwundet worden und hatte seine einzige Schwester verloren. Das Schicksal Deutschlands sah er als warnendes Zeichen für alle Völker. Wenn ich mit ihm zusammen war, hatte ich das Gefühl, dass mein Glaube zu naiv war. Ein Pfarrer hatte ihn zum Gottesdienst zu meiner Aussendung nach Kamerun eingeladen. Später am Abend schrieb Walter in sein Tagebuch: “Sonntag, 23. Januar 1949. Besuchte den Aussendungsgottesdienst für Ingrid Hult. Sie ist 22 Jahre alt. Klarer Kopf, engagiert, zu jedem Kampf gerüstet und doch ganz eine Frau. Solch einen Menschen würde ich auf der Stelle heiraten, ohne einen Augenblick zu zögern.” Dann vergass er, dass er so etwas jemals geschrieben hatte.

Bekehrung vor Stalingrad

Es vergingen über vierzig Jahre, und er war schon lange tot, als ich seine Tagebücher durchstöberte und diesen Eintrag entdeckte. Während meiner Zeit in Kamerun gingen viele Briefe zwischen Walter und mir hin und her. Brieflich hielt Walter schliesslich um meine Hand an. Im September 1951 antwortete ich: “Wenn ich mir vorstelle, mit dir in Gottes Reich zu arbeiten, dann erfüllt mich das mit grosser Freude. Weil ich auch glaube, dass die Liebe ein Wagnis mit Gott ist, traue ich mich, Deine Frage zu beantworten mit einem frohen: ‚Ja’.” Nur ein einziges Mal erzählt Walter von seinen Erlebnissen als Soldat im Krieg, bei einem Campingurlaub in Südeuropa, als unsere fünf Kinder im Jugendalter waren: “Im Winter 1942 vor Stalingrad hätte ich tausendmal sterben können. Eines Tages sagte der Militärarzt zu uns Männern im Schützengraben, dass wir nur noch 24 Stunden zu leben hätten. Entweder würden wir erfrieren, oder die russischen Panzer würden uns überrollen. Ich meldete mich freiwillig, ein kleines Feuer über Nacht in Gang zu halten. Das bedeutete, dass für mich die Gefahr, getroffen zu werden, sogar noch grösser war.” Walter rang um Worte. “Wir wussten, dass dies unser letzter Tag sein würde. Doch je mehr das Tageslicht zeigte, wie hoffnungslos die Situation war, desto weniger beherrschte uns die Angst. Ich öffnete mein Losungsbuch und las Psalm 18,3 so laut vor, dass es alle hören konnten: ‚Der Herr ist mein Schild!’ In diesem Moment traf mich ein Schuss in den Oberschenkel. Angetrieben von einer Kraft, die nicht aus mir selbst kam, kroch ich wie bei einem Spiessrutenlauf durch das Feuer der Heckenschützen. Immer wieder wiederholte ich die Worte: ‚Der Herr ist mein Schild’. Das nächste, an das ich mich erinnerte, war, dass mich einige Sanitäter auf einen deutschen Rotkreuz-Laster warfen. Es war das letzte Fahrzeug, das entkommen konnte, bevor sich der russische Ring zuzog. Dort in den Wirren des Kampfes um Stalingrad, wo ich nur wenige Stunden zu leben hatte, entschied ich mich ganz klar für Christus. Bei meiner Rettung hatte ich den Eindruck, dass Gott seine Hand auf besondere Weise auf mich gelegt hatte. Von da an wollte ich ihm dienen, und nur ihm.”

Der Eheunterricht

Nach unserer Hochzeit schickte uns unsere Mission in den Norden von Kamerun. Wir befanden uns jetzt in einem grossen moslemischen Gebiet. Wie sollten wir vorgehen? Wir stellten fest, dass wir am meisten erreichen konnten, indem wir uns um die Kranken kümmerten. Am Morgen versorgten wir mit unserer dürftigen medizinischen Ausbildung dreissig bis vierzig Patienten vor unserer kleinen Klinik. Am Nachmittag gaben wir Leseunterricht und übersetzten einfache biblische Geschichten in die Fulani-Sprache, die ein Teil der Menschen hier sprach. Ganz allmählich sahen wir, wie das Licht in die Dunkelheit kam, als sie anfingen, die Botschaft von der Liebe Gottes zu verstehen. Nach drei Jahren waren die ersten sieben Christen zur Taufe bereit. Unter ihnen war auch das erste Ehepaar. Wir erkannten, dass unsere Verkündigung des Evangeliums nur dann etwas ausrichten konnte, wenn wir auch etwas zum Leben als Familie zu sagen hatten. Jahrelang hatten Missionare den Bekehrten gepredigt: “Ihr dürft die Ehe nicht brechen.” Aber niemand hatte ihnen etwas über die Grundlagen beigebracht, wie eine monogame christliche Ehe aussehen sollte: Wie lebt ein Mann in Frieden mit einer Frau? – Der Sultan hatte einen Harem mit fünfzig Frauen.

“Paar-Energie” freisetzen

Walter wurde Schulpfarrer an der christlichen Schule in Kamerun. Damit begann unsere Arbeit als Ehe-Seelsorger. Sehr viele Schüler und auch Kollegen kamen mit Fragen auf ihn zu: “Was ist das wichtigste – Sex, Liebe oder Heiraten? Was soll in einer Beziehung als erstes kommen?” Regelmässig sassen Walter und ich im Licht der Kerosinlampe an unserem Esstisch zusammen und überlegten stundenlang, wie man diese Themen wirklichkeitsnah und praktisch ansprechen konnte. Langsam entwickelte sich der Kern eines Eheunterrichts. Betend entdeckten Walter und ich die Botschaft von der Heilung für die Ehe. Wir hofften, dass wir im Auftrag Gottes anderen von der starken Bindung erzählen konnten, die eine christliche Ehe darstellt. Wir verfassten schliesslich mehrere Bücher über die Ehe, die zur Grundlage für die Gründung von Family Life Mission wurden. Daraufhin wurden wir rund um den Globus eingeladen, unsere Seminare für Ehepaare und Alleinstehende durchzuführen. Wir nannten unsere Ehe-Seminare später “Einkehr am stillen Wasser”. Unser Ziel ist ganz einfach: die gemeinsame Kraft freizusetzen, die in einem Paar steckt, die “Paar-Energie”. Es ist die vervielfältigende Kraft zweier heil gewordener Menschen, die als Mann und Frau miteinander verbunden sind. Zwei Menschen können zusammen mehr Erreichen als zwei Einzelpersonen, besonders, wenn sie wissen, dass sie als Mann und Frau nach dem Bild Gottes geschaffen sind.

Lange Pilgerfahrt als Witwe

Am 13. Oktober 1979 blieb mein Leben schlagartig stehen. Walter öffnet die Vorhänge im Schlafzimmer unseres kleinen Hauses in den österreichischen Alpen: “Ingrid, mein Körper will mir etwas sagen, aber ich verstehe nicht, was”, sagte er in sachlichem Ton zu mir. Wir wollten das Bibelwort für den Tag lesen. Ich hörte, wie er nach Atem rang, dann brach er zusammen. Ich versuchte ihn mit einer Mund-zu-Mund-Beatmung wiederzubeleben. Keine Reaktion. Ich lief zum Telefon und benachrichtigte unseren Dorfarzt, der innerhalb weniger Minuten eintraf: “Es ist zu spät”, sagte Dr. Greil zu mir, “die Herzwand ist gebrochen.” Zwei Wochen später sang die Gemeinde zu Ehren des Verstorbenen ein Kirchenlied an seinem Grab. Ich fühlte Walters Gegenwart. Ich wusste, dass ich Walter nicht verloren hatte – er war sicher zu Hause – im Himmel – angekommen. Aber ich hatte mich selbst verloren. Meine lange Pilgerfahrt als Witwe hatte gerade erst begonnen. Erst mit sechsundzwanzig hatte ich Walter geheiratet und war vorher schon viele Jahre selbständig gewesen. Jetzt, nach seinem Tod, war ich wieder zwanzig Jahre lang allein. Die langen, einsamen Spaziergänge durch die sanften Hügel von Springfield – ich hatte 1981 schweren Herzens Österreich verlassen und zog in die Nähe meiner Mutter in die USA zurück – machten mich nur noch unruhiger. Immer allein bleiben?

Eine bestimmte Zeit

Ich fragte Gott, warum es niemanden gab, mit dem ich reden konnte, mit dem ich in die gleiche Richtung blicken konnte. Wieder war es Walter, der mir zu Hilfe kam. Ich fand einen Text von ihm, den er für Alleinstehende geschrieben hatte. Darin hiess es: “Die Ehe kann eine Aufgabe für eine bestimmte Zeit sein, und dann endet sie plötzlich mit dem Tod des Partners. Allein zu sein kann auch eine vorübergehende Aufgabe sein. Gott mag diese Entscheidungen nicht, die wir aus Resignation und Enttäuschung für unser gesamtes Leben treffen. Er möchte, dass wir unser Leben an diesem Tag leben und zuversichtlich und mutig all die schönen Möglichkeiten entdecken, die darin liegen.” Ich lernte Lauren Youngdale kennen, einen schwedischstämmigen Pastor, der wie ich von seinen Grosseltern die “unkomplizierte schwedisch-lutherische Frömmigkeit” geerbt hatte. Wir heirateten – beide in den Siebzigern – 1999.

Als ich vor kurzem wieder einmal in Österreich war, wanderte ich den steilen Pfad zum Gipfel des Lichtenberges empor, zu dem Ort, an dem Walter und ich achtzehn Jahre gelebt hatten. Der Föhn, ein feuchter, warmer Wind, der Menschen mit Herzproblemen gefährlich werden kann, berührte meine Wangen. Vielleicht war dieser Wind an dem Oktobermorgen vor mehr als zwei Jahrzehnten der Grund, dass Walters Herz versagte. Eines Tages werden wir nicht mehr allein auf dieser Erde tanzen, sondern werden die ganze Ewigkeit haben, um mit unseren Liebsten zusammen zu sein. Dass eine andere Welt auf uns wartet, erfüllt mich mit Freude, und sie breitet sich langsam in meinem Leben aus. Wir sind hier nur Gäste. Auf uns wartet eine andere Heimat, und in dieser Heimat wird es kein Warten mehr geben.

Datum: 18.11.2002
Quelle: idea Deutschland

Werbung
Livenet Service
Werbung