30 Jahre «Time Out»

Schub und Lebensqualität durch lohnenden Verzicht

Das Blaue Kreuz lädt zum «Time Out», freiwillig verzichten die Teilnehmer zum Beispiel auf Schokolade, langes Fernsehen oder zu viel Kaffee. Das «Time Out» dauert aber nicht wie im Sport 30 Sekunden, sondern sechs Wochen, vom 9. März bis 19. April 2014. Wir sprachen mit Hansruedi Seiler, Leiter der Aktion «time:out».
Werbung für die Aktion «time:out» vom Blauen Kreuz
Hansruedi Seiler, Leiter der Aktion «time:out», mit Sujets der letzten 30 Time Out Aktionen.

Livenet.ch: Hansruedi Seiler, die Aktion «Time Out» wird nun zum dreissigsten Mal durchgeführt. Wie sieht die Bilanz aus?
Hansruedi Seiler: Man erschrickt fast, dass es nun bereits dreissig Jahre sind. In den Anfängen 1985 hiess es noch «Aktion lohnender Verzicht». Der Schwerpunkt lag auf dem Verzicht. Im Jahr 2000 wechselte der Name auf «Time Out». Und damit verbunden war die Ermutigung, sich ein Time Out zu nehmen und sich in dieser Zeit etwas anderes gönnen. Neben dem Verzicht, zum Beispiel auf das Fernsehen, hat man plötzlich Zeit für etwas anderes und man kann sich überlegen, was man im Alltag verändern will.

Um was genau geht es bei «Time out»?
Das «Time out» ist eine Verzichtsaktion, die vor Ostern sechs Wochen dauert. Man kann auf ein Konsumgut verzichten, Alkohol, Nikotin, Schokolade, Kaffee oder eine Gewohnheit wie der Bereich der neuen Medien. Wieso nicht einmal auf das Handy verzichten? Vielleicht während einer Woche. In dieser Zeit kann man sich etwas anderes gönnen. Statt der Schokolade kann man sich zum Beispiel eine Frucht gönnen. Es ist eine gute Einschulungsmöglichkeit, während sechs Wochen auf etwas zu verzichten, es könnte sich auf den Alltag auswirken.

Was war in den dreissig Jahren das wildeste, das zum Verzicht angekreuzt wurde?
Ich erinnere mich an eine Person, die ihren Verzicht sehr differenziert angekreuzt hat. Es war eine ganze Palette, am Montag verzichtete er auf eine Sache, am Dienstag auf eine andere und so weiter.

Wir sagen, weniger ist mehr. Man muss sich in diesen sechs Wochen keinen Stress machen, sondern auf etwas das einem lieb geworden ist verzichten.

Die Aktion wandelte sich stark. Wenn man nun die dreissigste Ausgabe anschaut und mit der ersten vergleicht, wie gross sind die Unterschiede?
Es sind zwei Dinge. 1985 erreichten wir Leute im mittleren Alter zwischen 25 und 45. Heute sind wir viel tiefer, zwei Drittel der Teilnehmer ist unter 30. Viele Schulen und Konfirmandenklassen machen mit.

Das Zweite: Am Anfang wurde auf Suchtmittel wie Alkohol und Nikotin verzichtet. Danach kamen Süssigkeiten dazu. Und vor ein paar Jahren wurden auch die neuen Medien dazugenommen, weil immer mehr junge Menschen mitmachen. Da merken wir, dass das bei den Jungen ein Trend ist. Sie versuchen auf neue Medien zu verzichten, sei es Internet, Facebook, Handy – das ist nicht so einfach wenn jemand diese Dinge täglich nutzt.

Was ist in diesem Jahr besonders?
Wir sagen immer wieder, dass ich den Verzicht nicht für mich behalte sondern in meinem Umfeld bekannt mache, in der Familie, am Arbeitsplatz oder Schulklasse. Dazu haben wir nun ein zusätzliches Angebot entwickelt. Neben der Einzelanmeldung kann man sich nun als Mini- oder Maxi-Gruppe anmelden. Unter diesen Gruppen verlosen wir Reisegutscheine. Es kann eine Chance sein, dass man sich besser austauscht und dadurch besser durch die Verzichtwoche gelangt.

Wie entwickelt sich die Teilnehmerzahl?
Vor ein paar Jahren begannen wir mit dem Verlosen von Preisen. Im laufenden Jahr haben wir gute Preise erhalten. Das animierte zur Anmeldung. Und so ist diese von 500 bis 600 auf rund 1000 angestiegen. Im letzten Jahr waren rund 850 dabei und nun im Jubiläumsjahr rechnen wir mit über 1000. Anmelden kann man sich Online oder per Talon.

Machen auch andere Länder mit? Schwappt sie von der Schweiz in die USA?
Ursprünglich begann die Aktion in Deutschland. Ein Schweizer Mitarbeiter des Blauen Kreuz sah sie, 1985 kam sie in die Schweiz. Deutschland ist nicht mehr so aktiv, aber übernimmt die Aktion noch zum Teil. Wir haben Kontakte nach Vorarlberg wo solche Aktionen auch sonst laufen. Auch von dort kommen vereinzelte Anmeldungen rein. In Basel gibt es eine grosse Suchtthema-Aktion auf dem Barfüsserplatz und dort kommen Besucher aus Frankreich und Deutschland hin, dort wird auch die Aktion «Time Out» vermarktet und manche machen spontan mit.

Wächst die Teilnahme von Leuten ausserhalb der Schweiz?
Durch die Aktion in Basel ist das so. Wir versuchen im deutschsprachigen Raum Platz zu gewinnen, damit Leute aus Deutschland und Österreich mitmachen können.

Werden andere Sprachen zum Thema, dass zum Beispiel nach den dreissig Aktionen in der Schweiz bis zum Jahr 2024 zum Beispiel eine neue Sprache erschlossen wird?
Die Aktion war früher durch das welsche Blaue Kreuz bereits in französischer Sprache zugänglich. Es passte aber nicht ins Umfeld. Inzwischen wurde zum «Blauen Kreuz Schweiz» fusioniert und das welsche Blaue Kreuz ist nun auch wieder dabei. Ich gehe davon aus, dass in den kommenden Jahren die Menschen auch wieder in der französischen Sprache gewonnen werden können.

Wie sieht es mit Begleitmaterial aus?
Wir haben wieder eine Ideenmappe für Jugendgruppen und fertige Vorlagen für Schulstunden – diese Mappe kann von der Webseite heruntergeladen werden.

Und worauf verzichten Sie als Leiter der Aktion selbst, oder verzichten Sie bei der 30. Ausgabe auf den Verzicht – oder machen Sie mit und verzichten gleich auf alles, was möglich ist?
Zum Jubiläumsjahr könnte ich sagen, dass ich auf den Verzicht verzichte. Aber das wäre fade und würde einem Projektleiter nicht gut anstehen. Ich verzichtete schon auf Lift und Rolltreppe. Mindestens die Rolltreppe werde ich auch in diesem «Time Out» auslassen. An einen Ort komme ich nur mit Lift hin, das wird die Ausnahme vom Lift sein. Ich werde auch sechs Wochen auf Schokolade verzichten und den TV-Konsum vielleicht noch etwas reduzieren.

Datum: 01.03.2014
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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