Nationaler Trauertag in Australien für Bali-Opfer

Gedenken

Canberra. Mit einem nationalen Trauertag hat Australien am Sonntag der Opfer des Terroranschlags auf Bali gedacht. Hunderttausende Menschen gedachten in Gottesdiensten und anderen Veranstaltungen der Toten. Premierminister John Howard nahm in der anglikanischen Kathedrale der Hauptstadt Canberra an einem Gottesdienst teil. Kirchenführer und Politiker warnten bei den Gedenkfeiern vor Hass- und Rachegefühlen.

In Sydney nahmen etwa 20.000 Menschen unter dem Motto "Australier vereint" an einem Gedenkkonzert in einem Park in der Innenstadt teil. Etwa 2.000 Menschen waren zum Gedenken an die sechs Toten des Rugby-Clubs "Coogee Dolphins" in Sydneys Stadtteil Coogee gekommen. Der Premierminister von Victoria, Steve Bracks, appellierte nach dem Besuch des Gedenkgottesdienstes an die Australier: "Wir müssen unsere Werte wie Toleranz, Akzeptanz, gegenseitiger Respekt und unseren grossartigen Multikulturalismus auch in Zukunft bewahren." 103 Australier wurden bei dem Attentat auf Bali getötet oder gelten noch als vermisst. Insgesamt kamen bei dem Anschlag über 180 Menschen ums Leben.

"Wir sind durch die Hölle gegangen"

Um Punkt elf Uhr kam das geschäftige Treiben an der Strandpromenade von Coogee schlagartig zum Erliegen. Gestresste Kellner standen still, geschwätzige Rucksacktouristen schwiegen, braun gebrannte Surfer stellten ihre Bretter ab. Zu hören war nur noch das Kreischen der Möwen und das Rauschen der Brandung. So wie in Coogee folgte ganz Australien am Sonntag dem Aufruf von Regierung und Kirchen, mit einer Schweigeminute den "Nationalen Trauertag" zum Gedenken an die Toten des Terroranschlags von Bali zu beginnen.

Über dem Strand von Coogee im Süden Sydneys wehten die Fahnen auf Halbmast. Sechs Mitglieder des lokalen Rugby-Teams "Coogee Dolphins Rugby League" fanden bei der Explosion am vergangenen Sonntag in der Diskothek Sari in Kuta den Tod. "Erst hatten wir eine tolle Zeit auf Bali, dann aber sind wir durch die Hölle gegangen", sagt mit tränenerstickter Stimme Eric Da Haart. Der Rugbyspieler war einer der über 2.000 Menschen, die sich auf dem Sportplatz "Coogee Oval" zum Gedenken an die Opfer versammelt hatten.

Trost der Kirchen

Trost versuchten die Vertreter der Kirchen der Trauergemeinde zu spenden. Craig Segaert, Pfarrer der anglikanischen Gemeinde Coogee, warnte vor Rachegedanken. Sein katholischer Amtsbruder John Doherty sagte: "Frieden entsteht durch die Erfahrung von Gewalt; das hat uns die Kreuzigung Jesu gelehrt." David Gestettner, Rabbi der Synagoge von Coogee, warnte davor, Gott für Gewalt und Schrecken verantwortlich zu machen. "Terror darf nirgendwo auf der Welt eine Heimat haben; und die Menschen dürfen ihre Religionen nicht aufgeben, ohne Religionen gibt es keine Hoffnung."

Es war Pfarrer Doherty als offiziellem Abgesandten von Sydneys Erzbischof George Pell vorbehalten, den Fans, Freunden, Kameraden, Familien und Angehörigen der Dolphins die Grussbotschaften von neun anderen Religionen vorzulesen. Die Attentäter müssten um "jeden Preis verfolgt, verhaftet und bestraft werden", betonte Loui Effendi vom "Zentrum für islamische Bildung" in seinem Beileidsschreiben. In der Botschaft des "Rates der indonesischen Gemeinschaft von New South Wales" heisst es: "Terror und Gewalt sind gegen jedes Gesetz, gegen alle moralischen Werte und gegen alle religiösen Lehren der Menschheit."

Zum gleichen Zeitpunkt feierte Erzbischof Pell wenige Kilometer weiter nördlich in Sydneys Innenstadt einen Gedenkgottesdienst. Von der Kathedrale zogen viele Gläubige gleich in den nahen Park "The Domain" weiter. Dort nahmen über 20.000 Australier, die traditionellen Picknickkörbe dabei und mit Traumblick auf Opernhaus und Hafenbucht unter dem Motto "Australier vereint" an der zentralen Gedenkveranstaltung für die Bali-Opfer teil. Auf der grossen Bühne traten australische Stars auf wie etwa Nikki Webster, die vor zwei Jahren als "Hero Girl" in der Eröffnungsshow der Olympischen Spiele von Sydney weltberühmt wurde. Sie rührte mit dem Lied "Somewhere over the Rainbow" die Menschen zu Tränen.

"Unser Pearl Harbour"

Kaum ein anderes Lied traf die Gefühlslage der Australier nach dem Schock von Bali besser als dieser Schlager aus dem Kultfilm "Der Zauberer von Oz". Die Bürger betrachten ihr Land als das Zauberland Oz, in dem das Böse keinen Platz hat. Die Bombe von Bali hat diesen Traum zerstört. "Im Krieg gegen den Terrorismus ist Bali unser Pearl Harbour, der Terror klopft an unsere Türe", heisst es denn auch in einem Kommentar der Zeitung "Sydney Morning Herald".

An die Tür klopft auch das Gespenst des Hasses gegen islamische Mitbürger. Mit der Verurteilung von Terroranschlägen durch die Gemeinschaft der australischen Muslime sei es nicht mehr getan, schreibt der Kommentator des einflussreichen Boulevardblattes "The Sunday Telegraph", Piers Akerman. "Wir brauchen die Versicherung und die Garantie, dass die Anhänger des Islam in Australien nicht das Ziel haben, uns ihre Religion aufzuzwingen", unterstreicht er.

Datum: 22.10.2002
Quelle: Kipa

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