«Die wahre Geschichte Syriens»

Wie Hananias und Saulus: Warum viele syrische Christen nicht fliehen

Immer wieder hört man, wie Muslime auch im Nahen Osten zum Glauben finden. Oftmals durch Christen, die ihre Heimat nicht verlassen haben, sondern vor Ort bleiben. Sie sehen sich selbst nicht als Helden – sondern als gehorsame Nachfolger.
Kinder in Flüchtlingslager
Zerstörte Häuser in Homs, Syrien. (Aufnahme vom Mai 2014)
Flüchtlingsfamilie mit Bekenntnis auf dem Zelt

Vom Bürgerkrieg gebeutelt, zerbombt, von vielen verlassen, mit täglich neuen Toten: Das ist Syrien heute. Obwohl sich das Land auf der Liste der gefährlichsten Länder für Christen (World Watch List von Open Doors) auf Platz 5 befindet, gibt es immer noch Christen, die Syrien nicht verlassen wollen. Bruder Michael, beispielsweise, ist syrischer Christ und arbeitet mit der christlichen Organisation «Voice of the Martyrs USA» zusammen. Gegenüber dem Nachrichtenportal «Mission Network News» berichtete er beispielsweise von einem syrischen Pastor, dessen Sohn angeschossen wurde, ein anderer Sohn wurde ebenfalls bedroht. Auf die Frage hin, weshalb er nicht mit seiner Familie aus dem Land flieht, antwortete dieser Pastor: «Jesus ist mein Vorbild, er ist für mich gestorben. Ich bin bereit, mein Leben zu riskieren, so wie Jesus es tat, damit andere ihn kennenlernen können.»

Keine Helden

Den Mitmenschen den christlichen Glauben nahe zu bringen, das ist ihr grösstes Ziel. Dabei sehen sich die syrischen Christen nicht als Helden, sondern vielmehr als Nachfolger von Jesus, die ihm einfach blind gehorchen. Für Bruder Michael ist die Situation ähnlich wie in der Apostelgeschichte – denn Saulus, der die Christen verfolgte, war ja ebenfalls ein religiöser Fanatiker. «Hananias, ein Ältester der Gemeinde (in Damaskus), versteckte sich vor diesem radikalen Terroristen (Saulus). Der Herr kam zu ihm und sagte: 'Ich möchte, dass du Saulus findest und ihm die Hände auflegst.' … Aus Gehorsam ging Hananias und legte Saulus die Hände auf und dann öffneten sich ihm die Augen und er konnte wieder sehen.»

Die wahre Geschichte Syriens

Der syrische Christ sieht viele solcher «Hananias» in Syrien, die sich in Gefahr begeben, um die Hoffnung von Jesus weiterzugeben. Denn, so Bruder Michael, das Schlimmste, das geschehen kann, ist ihr körperlicher Tod. Aber das Beste, was daraus hervorgehen kann, ist das ewige Leben einer anderen Person. «Gott braucht seine Leute innerhalb Syriens auf so mächtige Weise. Es gibt dort Christen und sie sind wie Hananias bereit, andere zu finden, ihnen die Hände aufzulegen, damit sich ihnen die Augen öffnen und sie Jesus Christus als Herrn und Retter kennenlernen. Das ist die wahre Geschichte Syriens. Es ist keine Geschichte des Todes. Gibt es Leid? Ja, natürlich gibt es das, aber es gibt auch Menschen, die geistlich tot sind und dann zum Leben kommen.»

Ex-Al-Qaeda-Kämpferin in der Kirche

Bruder Michael berichtet beispielsweise von einer muslimischen Frau, die mehrere Monate lang in eine christliche Gemeinde kam, bis sie sich traute, mit einem der Leiter zu sprechen. «Ich war eine Kämpferin von Al-Qaeda. Ich hatte eine AK-47 und kämpfte mit ihnen oder kümmerte mich um die Verletzten. Als ich hierher gekommen bin, habe ich vom Evangelium gehört und begann, in die Kirche zu gehen – und habe Christus kennengelernt. Ich habe euch nichts davon erzählt, weil ich Angst hatte, dass ihr mich den Behörden ausliefern würdet, die mich dann verhaften würden…»

Aufbruch im Flüchtlingscamp

Ein anderes Mal besuchte Bruder Michael einen Mitarbeiter in einem syrischen Flüchtlingscamp. In einem Zelt hatten sich viele Flüchtlinge versammelt und feierten zusammen – und der Mitarbeiter trug eine Bibel in der Hand. «Er setzte sich und ich betete innerlich: 'Hoffentlich erzählt er nicht vom Evangelium', denn in dem Zelt befanden wir uns unter vielen Muslimen, Sunniten und Shiiten, es herrschte eine grosse Spannung… Mit einem Mal begann er, vom Evangelium zu erzählen. Die Leute redeten, jemand stellte eine Frage, es gab eine Antwort und dann folgte eine Frage nach der anderen. Ein Mann ging wütend aus dem Zelt und in dem Moment begann Gott zu handeln. Eine Frau stand mitten in der Gruppe von Menschen auf und sagte: 'Ich habe Jesus in einem Traum gesehen', dann sagte eine zweite Frau dasselbe, dann eine Dritte. Innerhalb von zwei Stunden hörten wir drei unterschiedliche Berichte, wie Menschen Jesus in Träumen und Visionen erlebt haben.»

Nicht «Beende den Krieg», sondern «Dein Wille geschehe»

Für solche Momente bleiben die Christen Syriens im Land: weil sie wissen, dass ihre muslimischen Mitbürger sie brauchen. Und so wächst auch die Kirche im Land. Doch sie brauchen auch viel Gebet. Bruder Michael berichtet: «Wir haben früher immer gebetet: 'Herr, wann endet dieser Krieg endlich? Hat es nicht schon genug Opfer gegeben? Wurden nicht genug Christen getötet, genügend Kirchen zerstört?' Doch jetzt, wo wir sehen, wie so viele Menschen Jesus Christus kennenlernen, hat die Gemeinde begonnen zu beten: 'Herr, dein Wille geschehe!' Und der Herr hat uns gezeigt, wie er sich inmitten vom Leid offenbart und Menschen zu sich zieht. Das ist das wundervolle Bild der Kirche Syriens heute.»

Zur Webseite:
Missions Network
HMK

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Datum: 11.11.2016
Autor: Rebekka Schmidt
Quelle: Livenet / MNN

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