Last-Minute-Ticket zur Versöhnung

Kundgebung in Israel

Immer wieder flammt der Streit zwischen Israeli und Palästinensern auf. Doch kürzlich trafen sich 150 Frauen von beiden Seiten zur Versöhnung.

Es war nicht für alle leicht, diese Konferenz zu besuchen. In den vergangenen Jahren sahen sich mehrere palästinensische Frauen ausserstande, diese Frauenkonferenz zu besuchen. Denn sie erhielten keine Ausreisebewilligung aus den Palästinensergebieten. Auch in diesem Jahr bekamen manche erst in letzter Minute die nötigen Papiere: ein Last-Minute-Ticket zur Versöhnung.

Aber auch andere Blockaden waren zu befürchten: Was ist, wenn politische Themen gepuscht werden? Was ist, wenn wir uns nicht in die Augen sehen können? Mehrere Frauen waren in diesem Jahr dabei, die sich früher nicht hergetraut hatten.

«From the bottom of my heart ...»

Doch diesmal wurden die Kapazitätsgrenze gesprengt und die Versöhnungsbewegung «Musalaha» (arabisch für «Versöhnung») musste eine Warteliste eröffnen. Kerngeschäft dieses Treffens zwischen Palästinenserinnen und Israelitinnen war das Gebet. Mit Liedern und gesprochenen Gebeten sollte Gott ins Zentrum gerückt werden. «Das führte zu einer Einheit und Intimität. Es waren vertrauliche Gebetszeiten», beschrieb eine Teilnehmerin die Atmospäre. Eine andere meinte: «Die Einfachheit und die Tiefe der gemeinsamen Gebete und des gemeinsamen Singens waren sehr bewegend und bedeutungsvoll für mich.» Und: «Als eine Schwester in arabisch betete, fühlte ich, als würde ich sie komplett verstehen – obwohl ich nur einzelne Schlüsselworte mitbekam. Ich spürte den Schrei ihres Herzens; es war mein eigener. Ich sagte „Amen“. Wir verstanden uns. In den Gesichtern meiner Schwestern sah ich das Gesicht Gottes.»

Betrachtet wurden Lebensberichte von Frauen aus der Bibel und von heute. «Wir wurden inspiriert zu lieben und zu dienen: den Menschen um uns herum leben und denen in der Volksgruppe, in die Gott uns hineingestellt hat.» Sie habe Gottes Gegenwart sehr stark gespürt, sagte eine Palästinenserin. Verschiedene Teilnehmerinnen sprachen von spirituellen Durchbrüchen während des gemeinsamen Gebets.

Der Feind erhält einen Namen

Bereits seit 14 Jahren führt die Versöhnungsbewegung Musalaha palästinensische und israelische Christen zusammen. Anfangs zerstritten sich diese trotz des gemeinsamen Glaubens. Längst trägt die schwierige Arbeit aber Früchte, wie der Gründer und Leiter Salim Munayer gegenüber Jesus.ch sagte. Eine jährliche Frauenkonferenz ist seit längerem fest im Programm, und seit 2003 gibt es auch ein Sommercamp. «40 Kinder kamen, spielten zusammen, tanzten und hatten Fun. Es ist in diesem Alter wichtig, jemanden von der anderen Seite kennenzulernen, da in dieser Zeit die Identität geformt wird. Wenn sie dann an die Menschen von der anderen Seite denken, sind dies Leute, die sie mögen. Sie genossen das gemeinsame Lachen und Spielen. Das ist ein Bild, das bleibt. Der andere ist nicht der Feind, er ist nicht abstrakt, sondern eine reale Person, die greifbar wird. Auf der einen Seite steht ein David, auf der anderen ein Suhel. Da sind Gesichter hinter den Namen, nicht einfach ein „Israeli“ oder ein „Palästinenser“.»

Datum: 26.02.2004
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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