Syriens Christen unter der Assad-Diktatur

Syrisch-orthodoxer Patriarch

Seit der neuen Terrorwelle in der Türkei rückt Syrien als „Schurkenstaat“ noch stärker als bisher ins Fadenkreuz der amerikanischen Abwehr politislamischer Gewalt. Die Christen im Land der ersten „Christen“-Gemeinde sind heute vielen Gefahren ausgesetzt. Evangelisation geschieht im Geheimen.

Mit Unterdrückung der sunnitisch-islamischen Bevölkerungsmehrheit durch die Führungsschicht aus der relativ kleinen Alauwiten-Sekte (in der Türkei: Aleviten) entstand ein breiter syrischer Muslimuntergrund. Er dürfte inzwischen zum Nährboden für die globalen Umtriebe von Al-Kaida geworden sein.

Syriens Christen sind natürlich über diese Entwicklung besorgt. Sie fürchten, dass eine westliche Militärintervention – ähnlich wie im Irak – auch für sie verhängnisvolle Folgen hätte. Bis zuletzt blieb die syrische Christenheit nicht nur die älteste, sondern auch eine der stärksten im vom Islam dominierten Nahen Osten: In der alten Hauptstadt Antiochien – heute gehört sie als Antakya zur Türkei – waren die Jünger Jesu erstmals Christen genannt worden.

Christlicher Bevölkerungsanteil schwindet

Noch heute gibt es unter rund 17 Millionen Syrern fast zehn Prozent Christen, ihr höchster Anteil in der Region nach Libanon (40%) und Ägypten (11%). Einzelne Quellen – es gibt keine ganz zuverlässigen Angaben – gehen aber davon aus, dass sich die syrischen Christen in den letzten Jahren auf bis zu fünf Prozent verringert haben. Dafür werden neben ihrer Emigration vor allem die viel höhere Geburtenrate bei der Muslimbevölkerung verantwortlich gemacht, besonders bei den Kurden des Landes.

Etwas weniger brutal

In Damaskus regiert nach über 30 Jahren Schreckensherrschaft von Hafes al-Assad heute dessen weniger brutale Sohn Baschar. Er steht – wie das auch bei Saddam war – an der Spitze der einst von christlichen Intellektuellen gegründeten „Partei der arabischen Wiedergeburt“ (Baath). In diese sind die syrischen Christen aber nicht so stark eingebunden wie das im Irak – vor allem mit den katholischen Chaldäern – der Fall war. Allerdings verhalten sich die beiden stärksten Kirchen, die Griechisch-Orthodoxen wie die mit Rom unierten Melkiten, recht loyal zum Assad-Regime. Auch sind ihre Oberhäupter, die Patriarchen Ignatios IV. und Gregor III. Lahham, als Ehrengäste und Redner auf panarabischen und sogar islamischen Konferenzen zu finden.

„Nationale Evangelische Kirche“

Diskriminierte und oft sogar verfolgte Stiefkinder von Syriens Machthabern sind hingegen jene Christen, die dem Land seinen Namen gegeben haben: jene von der Syrischen Kirche. Vor allem dann, wenn sie statt Arabisch ihr immer noch lebendiges Aramäisch sprechen wollen, die Muttersprache Jesu Christi. Besonders bedrängt sind – den Syrisch-Katholischen geht es aus Rücksicht auf den Vatikan besser – die Syrisch-Orthodoxen und die etwa 1500 Syrisch-Evangelischen. Sie nennen sich daher neuestens statt syrisch-evangelisch „Nationale Evangelische Kirche“.

So hoffen sie dem Vorwurf des „Separatismus“ zu entgehen, den das arabisch eingestellte Regime gegen die syrischen Christen erhebt. Aus diesem Grund nennt sich auch die armenisch-evangelische Kirche Syriens, die vor allem in Halab (Aleppo) und im mesopotamischen Nordosten des Landes mit etwa 3000 Gläubigen verbreitet ist, heute „national“.

Verbotene Evangelisation an Nichtmuslimen

Obwohl in Syrien der Islam als Staatsreligion 1973 abgeschafft wurde, haben sich gewisse Tabus erhalten, welche die Religionsfreiheit der Nicht-Muslime beschneiden. Das schränkt vor allem die Verkündigung der etwa 50 evangelischen Gemeinden ein, die sich mit ihrer Botschaft direkt nur an andere Christen wenden können.

Immerhin ist in Syrien die öffentliche Verbreitung der Bibel und von christlicher Literatur gestattet. So finden regelmässig Musliminnen und Muslime zum christlichen Glauben und lassen sich taufen. Doch müssen sie diesen Schritt geheim halten. Die Bekehrung vom Islam zum Christentum wird in Syrien zwar nicht von staatswegen bestraft – wie neuestens wieder sogar in Ägypten –, sie hat aber die totale gesellschaftliche Ächtung zur Folge.

Datum: 26.11.2003
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet.ch

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