Chinesische Christen

Enttäuschte Hoffung auf mehr Freiheit

Kardinal Paul Shan Kuo-hsi
2 Buben lesen die Kinderbibel

Gegen Jahresende 2002 bestand mit Blick auf den Wechsel im Führungsgremium der Kommunistischen Partei in China bei vielen Christen Hoffnung auf mehr Religionsfreiheit. So drückte Kardinal Paul Shan Kuo-hsi, Bischof im taiwanesischen Kahsiung, in einem Interview seine Hoffnung auf eine "weitere Öffnung" durch die vierte Generation kommunistischer Kader aus. Dazu passt, dass der neue Parteichef Hu Jintao und Ministerpräsident Wen Jiabao bei Ausbruch der SARS-Krise im November 2002 Offenheit und mehr Freiraum für die Medien angekündigt hatten.

Völlige Kontrolle

Glaubensfreiheit im Sinne der UN-Menschenrechtserklärung von 1948 besteht jedoch auch im Jahre 2003 in der Volksrepublik China nicht. Die KP Chinas strebt die völlige Kontrolle über die Religionen und Kirchenmitglieder an. Christen werden weiterhin unterdrückt und – mit regionalen Unterschieden – verfolgt, allerdings haben sich die Akzente dabei verschoben. Auch der "Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte", das wichtigste völkerrechtlich bindende Menschenrechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, ist nach wie vor von China nicht ratifiziert worden.

Auf dem Papier garantiert zwar der Artikel 36 der chinesischen Verfassung von 1982 Glaubensfreiheit, doch wird diese "Garantie" gleichzeitig durch diffuse Formulierungen eingeschränkt. So darf u.a. niemand "eine Religion dazu benutzen, Aktivitäten durchzuführen, die die öffentliche Ordnung stören." und weiter "Religiöse Organisationen dürfen von keiner ausländischen Macht beherrscht werden." Doch die Deutungshoheit darüber was "stört" und wann eine Organisation "beherrscht" wird, liegt allein bei der Kommunistischen Partei Chinas.

In diesem Sinne müssen alle Glaubensgemeinschaften offiziell anerkannt sein und Abhängigkeit und Kontrollen ihres Personals, ihrer Aktivitäten und ihrer Finanzen erdulden. Die Mehrheit der geschätzten 80 bis 90 Millionen Christen in China lehnt dies ab. Schätzungen rechnen mit 40 bis 60 Millionen nichtregistrierten Protestanten und 12 Millionen "Untergrundkatholiken".

Durch SARS stieg das Interesse an Religion

Während der durch die Lungenkrankheit SARS ausgelösten Krise ist das Interesse an Religion in China gestiegen. Als in dieser Zeit das Interesse der Weltöffentlichkeit auf der Volksrepublik ruhte, bemühte sich die Regierung relative Toleranz gegenüber den Religionen zu zeigen. Sie griff und greift aber hart durch, wo Gemeinden erfolgreich für den christlichen Glauben werben oder Unterstützung aus dem Ausland erhalten.

Der katholische Bischof Joseph Zen konstatierte zudem bei seinem Deutschland-Aufenthalt in einem Gespräch mit IGFM-Mitarbeitern, dass neuerdings auch die an sich staatskonformen "Chinesischen Katholisch Patriotischen Vereinigung" verfolgt würde. Die Regierung bezweifelt die Treue vieler dazu gehörender Bischöfe, die sich vom Papst anerkennen liessen. Bischof Zen verwies ausdrücklich darauf, dass das einzige noch erlaubte Priesterseminar in der Provinz Hebei mit ihren vielen Berufungen wegen "mangelnder Staatstreue" seinen Betrieb einstellen musste. Ausserdem warnte Bischof Zen, dass das geplante Staatssicherheitsgesetz für Hongkong auch eine Gefahr für die Freiheit der Kirche in Hongkong werden kann.

Verfolgung evangelischer Christen

Bei den Protestanten geschieht die eigentliche christliche Erweckungsbewegung in so genannten Hauskirchen. Diese Gemeinden möchten von den staatlichen Reglementierungen, die bis in Glaubensinhalte hinein eingreifen, unabhängig sein. Die Gläubigen versammeln sich dabei oft in Privathäusern mit bis zu 20 Personen, auf dem Land auch deutlich grösseren Gruppen.

Am 4. April 2003 wurden nach einer "compass" Meldung 120 Mitglieder der so genannten "Ortsgemeinde" in Pingdishan, Provinz Henan, festgenommen. Von diesen blieben rund hundert Personen, alles Leiter und Pastoren, in Haft. Dieses vor Jahren gegründete evangelische Gemeindenetzwerk wird von Regierungsseite oft als angebliche "Sekte" diffamiert. Der Grund für dieses Vorgehen ist die Ablehnung von staatlicher Kontrolle und Willkür. Auch die grosse evangelische "Kirche Südchinas" wurde im April 2001 vom Staat für illegal erklärt und mehrere ihrer Leiter inhaftiert. Im ersten Halbjahr des Jahres 2003 gab es weitere Meldungen über Polizeirazzien und Schliessungen von "im Untergrund" arbeitenden Bibelseminaren.

Der im Oktober 2002 zu lebenslänglich verurteilte Gründer der "Kirche Südchinas", Pastor Gong Shengliang, soll nach Meldungen dem Tode nahe sein. Jüngsten Berichten zufolge wurde der Hauskirchenleiter im Gefängnis gefoltert und "politisch umerzogen"; es ist ihm verwehrt, eine Bibel bei sich zu haben, aus der er Kraft schöpfen und die unmschenlichen Zustände im Gefängis etwas leichter erdulden könnte.

Mindestens 36 Gemeindemitglieder der rund 50.000 Anhänger umfassenden Freikirche sind zur Zeit inhaftiert. Die Strafen reichen von mehreren Jahren Haft bis zu lebenslänglich. Die Regierung der Volksrepublik beschloss im März 2003 weiter hart gegen Kirchen dieser Art vorzugehen.

Die rund 17.000 Gemeinden der offiziell anerkannten und kontrollierten christlichen Drei-Selbst-Bewegung mit ihren geschätzten 17 Millionen Mitgliedern leiden in der Regel nicht unter solchem Vorgehen der Behörden, vorausgesetzt sie unterwerfen sich den Vorgaben der kommunistischen Behörden. Dazu gehört u.a. der Verzicht auf Kinder- und Jugendarbeit und das Verbot der Taufe von unter 18jährigen.

Verfolgung von Katholiken

Die katholische Kirche in China hat 2003 weiter mit Verhaftungen und staatlicher Unterdrückung zu kämpfen. Mindestens zehn namentlich bekannte romtreue Bischöfe und mindestens 16 romtreue Priester befinden sich im Juli 2003 in Haft, Hausarrest oder in Arbeitslagern. So wurden z.B. am 1. Juli 2003 nach Angaben der Kardinal-Kung-Stiftung vier junge Priester und ein Diakon in Bistum Baoding in der Provinz Hebei verhaftet, als sie den nach drei Jahren Arbeitslager aus der Haft entlassenen Generalvikar Lu Genjun besuchen wollten.Insgesamt sind im Bistum Baoding zwei Bischöfe und mindestens acht Priester in Gefangenschaft, Hausarrest oder in Lagern. Hierzu rechnet man den seit 1997 verschwundenen Diözesanbischof und Regimekritiker Su Zhimin und seinen seit 1996 vermissten Weihbischof An Shuxin.

Im Mai 2003 wurden nach Informationen der Nachrichtenagentur "Zenit" drei staatliche Direktiven bekannt, die die Kontrolle über die katholische Kirche und ihre Trennung von Rom und dem Papst verschärfen sollen. Die Direktiven wurden Ende März 2003 während des Höhepunktes der SARS-Epidemie in Peking und der von Kirchen-Unterdrückung besonders betroffenen Provinz Hebei in Kraft gesetzt. Im Rahmen einer angeblichen "Demokratisierung" soll die übernationale Ausrichtung der katholischen Kirche zerstört werden.

Quelle: IGFM

Datum: 06.08.2003

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