"Nach dem Krieg dem Volk Hoffnung vermitteln”

Irakische Kinder
Frauen

Saddam Hussein hat die schiitische Bevölkerung im südlichen Irak bewusst vernachlässigt. Seit dem Krieg tragen nun auch Plünderer das ihre zur Destabilisierung der Region bei. Funktionierende Spitäler und schulische Einrichtungen sind in der Region rar. In dieser Region engagiert sich die christliche Organisation "Operation Mercy".

Das Dorf Hamza liegt rund 150 km von Baghdad entfernt. Das einzige Klassenzimmer der lokalen Schule ist verwüstet. Zwischen den umgekippten Bänken liegen zerfledderte Bücher und Hefte. Die Fenster sind eingeschlagen. Eine Schicht Staub bedeckt alles. Der Putz bröckelt von der Decke.
"Wir merkten schnell, dass Schulen und gesundheitliche Einrichtungen unsere Hilfe am nötigsten haben", berichtet Elsbeth Widmer, Mitarbeiterin der internationalen christlichen Entwicklungsorganisation "Operation Mercy". Als Mitglied eines Erkundungsteams hat sie Ende April im südlichen Irak mit der Bevölkerung Interviews zur Lagebeurteilung geführt.

Voraussetzung für Stabilität

Nachdem die Schulen während dem Krieg geschlossen blieben, soll der Unterricht in den kommenden Tagen wieder aufgenommen werden. Doch in vielen Dörfern und Städten wird dies kaum möglich sein. "Bereits vor dem Krieg sah es für die Spitäler und Schulen im Süden schlecht aus", erzählt Widmer. "Doch nach Plünderungen und blinder Zerstörungswut ist die Lage nun besonders drastisch." Seit dem 11. Mai verteilen Mitarbeiter von "Operation Mercy Jordanien" Schulmaterial und Medikamente. Das Team umfasst 15 Personen, mehrere davon sind Freiwillige. Im Nahen Osten ist "Operation Mercy" eine der kleineren Hilfsorganisationen. Doch Elsbeth Widmer ist sich der Bedeutung ihrer Arbeit bewusst. "Ein funktionierendes Schulsystem und eine ausreichende medizinische Versorgung sind Voraussetzungen für Stabilität", betont sie. "Nur so können wir diesem krisengeschüttelten Volk Hoffnung vermitteln."

Die Schiiten im Süden Iraks hatten unter dem Regime von Saddam Hussein besonders hart zu leiden. Nach der missglückten Revolte am Ende des Golfkrieges erhielten besonders Schulen und Gesundheitsinstitutionen immer weniger Geld. Armut, Trinkwasserknappheit und fehlende Stromversorgung sind hier besonders verbreitet. "Sowohl die UNO, als auch die grossen Hilfswerke konzentrieren sich alle auf die Städte", berichtet Widmer. In der Gegend, in der "Operation Mercy" nun arbeitet, sind sie zur Zeit die einzige Organisation.

Gefahr für Helfer

Dies, obwohl die Situation noch lange nicht stabil ist. "Sicherheit ist momentan das grösste Problem im Irak", berichtet Widmer aus eigener Erfahrung. "Nach der Bedürfnisevaluierung waren wir auf dem Weg zurück nach Amman, als uns eine Gruppe schwer bewaffneter Strassenräuber aufhielt", erzählt sie. Die Männer hätten in die Luft gefeuert und die Gruppe gezwungen, mit den zwei Fahrzeugen ein Stück in die Wüste zu fahren. Dort nahmen sie ihnen alles Geld und sämtliche Ausrüstungsgegenstände ab. "Es war ein ziemlicher Schock", erklärt Widmer, "doch wir waren alle froh, heil davongekommen zu sein."
Ansonsten sei ihnen die Bevölkerung ausserordentlich freundlich begegnet. Die Leiter der Dorfgemeinschaften, mit denen das siebenköpfige Team die Interviews führte, hätten sie trotz offensichtlicher Armut immer grosszügig bewirtet. "Und als wir nach dem Überfall mit fast leerem Tank und ohne Geld bei einer Tankstelle ankamen, gaben die Angestellten uns das Benzin sogar gratis", fährt sie fort.

"Hoffnung entfachen"

Elsbeth Widmer gibt sich in Bezug auf die Zukunft des Irak optimistisch. "Das Land ist unglaublich reich an natürlichen Ressourcen, etwa Bodenschätzen oder Wasser", sagt sie. Durch eine gute Zusammenarbeit der verschiedenen Parteien sollte es möglich sein, in etwa fünf Jahren wieder ein gutes Mass an Stabilität zu erreichen. "Als christliche Organisation sehen wir einen Teil unserer Aufgabe darin, in den Menschen wieder Hoffnung zu entfachen", erklärt Widmer. "Und das hat dieses Land sehr, sehr nötig."

Autor: Jonas Bärtschi

Datum: 27.06.2003
Quelle: idea Schweiz

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