Abbas: «Arafat ist der gewählte Führer»

Yasser Arafat
A. Sharon, G. Bush, M. Abbas

Die Wahrnehmungen sind Verschieden: Weltweit sieht man Mahmud Abbas als den Führer der Palestinian Authority (PA). In dieser sieht man Arafat weiterhin als Bezugspunkt.

Die Welt ist optimistisch, dass der Friedensprozess mit Mahmud Abbas zu neuer Blüte kommt, schliesslich ist er der akzeptierte Führer der PA. Zumindest im Westen. Die Palästinenser sehen dies freilich anders. Ein kurzer Blick auf die Titelseite der offiziellen PA-Tageszeitung («Al Hayat al Jadida») zeigt eine interessante Perspektive auf.

Seit dem 19. Mai waren auf der Titelseite der PA-Tageszeitung 17 Bilder von Yassir Arafat und nur 6 von Premierminister Mahmud Abbas (auch als Abu Mazen bekannt). Die meisten der Bilder von Arafat sind gross und erscheinen oben auf der Seite, während die von Abbas klein und irgendwo am Rande stehen. (1)

Arafat bleibt Führer

Arafats Gesicht füllt häufig das gesamte Bild, während Abbas jeweils gemeinsam mit anderen Leuten drauf ist. Auf einem Bild küsst Arafat ein kleines Mädchen.

Besonders interessant, der Tag nach dem Aqaba-Gipfel mit Bush, Sharon und Abbas: Arafat’s Grossaufnahme oben als Aufmacher, Abbas ist aus der Distanz aufgenommen und weiter unten. In einer Frontgeschichte, war zu lesen, Arafat instruiere die palästinensische Delegation. An einem der wenigen Tage, in denen ein Bild von Abbas ohne Arafat erschien, war die Schlagzeile der Titelseite: Abu Mazen: «Arafat ist der legitim gewählte Führer.» Diese Schlagzeile durfte sich die palästinensische Leserschaft am 21. Mai zu Gemüte führen, ein Datum, bei dem die westliche Welt Arafat als isoliert anschaut und Abbas (Mazen) als den neuen, von den Palästinensern akzeptierten PA-Führer glaubt, der gegen den Terror im Lande vorgeht. (2) Selbst auf der Regierungsseite ( www.pna.gov.ps ) lächelt PLO- und Fatah-Gründer Jassir Arafat (samt Untertitel «The President») seit Wochen frank und (Abbas-)frei. (3)

Wahrnehmungen gehen massiv auseinander

Apropos: Diese Aussage wiederholte der von Arafat eingesetzte Premierministers gar am Tag nach Aqaba. In der PA-Tageszeitung «Al Ayyam» steht: «Abu Mazen attackiert den Versuch, Arafat, der das Symbol und der gewählte Präsident ist, zu distanzieren. Seine Beziehung zu Arafat ist gut und er koordiniert seine Schritte mit ihm.» (4)

Was die Führungsrolle in der Palestinian Authority angeht, besteht eine grosse Differenz zwischen der weltweiten Wahrnehmung und derjenigen der Palästinenser. Arafat ist weiterhin der PA-Führer und der die Entscheidungen über die künftigen Beziehungen zu Israel entscheidet.

Arafat übernimmt Sicherheitsabteilung

Ganz unbemerkt sind Arafats Machtgelüste in den hiesigen Medien nicht geblieben. «Arafat reisst die Führung wieder an sich», tituliert die schweizerische «Sonntagszeitung» und berichtet, wie der Palästinenserpräsident die Übernahme der Sicherheitsaufgaben im Gazastreifen organisiert – die Sharon-Regierung ist bereits diese in die Hände der PA zu geben.

Der palästinensische Ministerpräsident Mahmud Abbas erholt sich von einer kleineren Augenoperation in Jordanien und schon gelingt es Palästinenserpräsident Arafat, die Zügel allein in die Hand zu nehmen. Der von Israel offiziell zur «irrelevanten Person» erklärte, von den Regierungen in Jerusalem und Washington boykottierte Arafat versammelte erstmals seit Abbas Ernennung die Verantwortlichen im Sicherheitsbereich vollzählig zu zwei Sitzungen innerhalb von zwölf Stunden. (5)

Arafat’s «Comeback»

Der missglückte, israelische Liquidierungs-Versuch gegen Hamas-Führer Abdelasis Rantissi habe politisch Abbas getroffen und seine Stellung weiter geschwächt, Arafat habe die Chance genutzt, weitere Macht zurückzugewinnen, schreibt die Sonntagszeitung. Macht, die – wie der obige Blick in die PA-Zeitungen verrät – wohl nur in den Augen des Westens überhaupt erst verloren gegangen war. Umso leichter lässt sich erklären, dass Arafat «praktisch die Alleinherrschaft über den gesamten Sicherheitsbereich» übernommen habe. Die zu ihm befehligten Kommandanten seien «in US-Diplomatenautos aus dem Gazastreifen zu Arafats teilweise zerstörtem Hauptquartier in Ramallah im Westjordanland», chauffiert worden. (6) Der Friedensnobelpreisträger – mit publik gewordenen Terrorverstrickungen – scheint weiterhin die Nummer 1 der palästinensischen Führung zu sein.

1. Marcus, Itamar; «Who is the leader of the PA?», PMW-Bulletin, 5. Juni 03
2. dito
3. Recherche des Autors
4. Marcus, Itamar; «Who is the leader of the PA?», PMW-Bulletin, 5. Juni 03
5. Landsmann, Charles A.; «Arafat reisst die Führung wieder an sich», Sonntagszeitung, Zürich, 15. Juni 03
6. dito

Datum: 18.06.2003
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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