Exportgut aus Zürich

Schweizer Werk fördert Frieden in langjährigem Kriegsland

Mehr als zwei Millionen Südsudanesen sind intern vertrieben oder ins Ausland geflohen. Ihnen steht ein Werk aus der Schweiz bei. «TearFund» sorgt unter anderem durch Friedensförderung für eine Verbesserung des Miteinanders. Wie dies im von langen Kriegen gebeutelten Land möglich ist, erklärt Sibylle Weber, Kommunikationschefin von «TearFund», im Interview mit Livenet.ch.
Konfliktanalyse im Südsudan
Flyer «Frieden auf Erden» von TearFund
Sibylle Weber
Südsudanesen mit Audioplayern mit Friedensbotschaften

Sibylle Weber, das Bild auf dem Flyer der Aktion «Frieden auf Erden?» ist ein besonderes - was steckt dahinter?
Sibylle Weber:
Das Bild ist in vielerlei Hinsicht besonders: Unsere Lehrtochter hatte es gemalt und konnte ihr Talent für uns einsetzen. Auf der einen Seite erinnert das Bild an die Geburt von Jesus im Stall von Bethlehem. Die Menschen unserer Weihnachtsgeschichte aber sind Südsudanesen, und durch das Flüchtlingslager im Hintergrund wird klar, dass wir auf die aktuelle Situation von vertriebenen Menschen und Flüchtlingen anspielen.

Das irdische Leben von Jesus begann in einer Notunterkunft, wie auch heute das von vielen Kindern. Obwohl die Weihnachtsbotschaft eine Friedensbotschaft ist, stellen wir bewusst die Frage «Frieden auf Erden?». Mit über 60 Millionen Flüchtlingen weltweit ist das eine berechtigte Frage. Und eine Frage an jeden von uns, wie wir den Weihnachtsgedanken ein Stück leben können.

Was steckt hinter dieser Weihnachtsaktion?
Frieden und Heimat sind aktuelle Themen unserer Projektarbeit. Wir möchten gerade auch auf die Situation im Südsudan aufmerksam machen, welche wenig in den Medien erwähnt wird. Durch den anhaltenden Konflikt sind über zwei Millionen Menschen im Land vertrieben, sind vom Hunger bedroht und leben auf sich alleine gestellt unter unmenschlichen Bedingungen. Schon kleine Zeichen von Liebe schenken ihnen Hoffnung.

Sie wollen ein Stück Heimat schenken – wie kann das geschehen?
Heimat kann für jeden Menschen etwas anderes bedeuten. Grundsätzlich aber brauchen wir einen Ort, wo wir sicher sind, uns geborgen und dazugehörig fühlen. Im Südsudan fehlt eine solche Struktur in vielen Teilen des Landes. Indem man in die Friedensförderung investiert und den Menschen hilft, Vorurteile abzubauen sowie gegenseitiges Vertrauen zu schaffen, kann Sicherheit entstehen und in die Herzen der Menschen ein Stück Heimat gepflanzt werden.  

Sie setzen sich für die Friedensförderung im Südsudan ein, welche Probleme herrschen dort?
Der Südsudan erlebte schon vor der Unabhängigkeit im Jahr 2011 Jahrzehnte des Bürgerkrieges. Das bedeutet, dass ein grosser Teil der Menschen in diesem Land sich nur an ein Klima von Krieg, Not und Unsicherheit erinnern kann. Nach einem hoffnungsvollen Start in die Unabhängigkeit wurde das Land von dieser Vergangenheit eingeholt. Die hohe Analphabetenrate, eine schlechte Gesundheitsversorgung und die weltweit höchste Müttersterblichkeit erschwerten den Aufbau des Landes massiv. Hinzu kamen Konflikte mit dem Sudan und in der Folge ein massiver Einbruch im Export von Erdöl, der Haupteinnahmequelle des Staates. Konflikte innerhalb der Regierung führten schliesslich im Dezember 2013 zu blutigen Auseinandersetzungen in vielen Regionen. Andernorts nahmen Rebellen Dörfer aus Protest ein, weil sie sich von der Regierung übergangen fühlten. Gleichzeitig gibt es Gewaltausbrüche zwischen verschiedenen Volksgruppen mit unterschiedlichem Lebensstil – zum Beispiel zwischen Hirten und Ackerbauern –  oder zwischen Nachbarstämmen bei Konflikten um Weideland. Da es kaum eine staatliche Rechtsordnung gibt, werden erfahrene Ungerechtigkeiten selber gerächt – eine scheinbar endlose Spirale.

2,2 Millionen Menschen mussten in dieser Zeit ihre Häuser verlassen, 1,6 Millionen sind intern vertriebene Menschen sowie 0,6 Millionen auf der Flucht. 7,9 Millionen von rund 12 Millionen Menschen sind gefährdet. Die Geflohenen liessen unbebaute Felder zurück, immer noch anhaltender Hunger war die Folge. Die Kirchen engagieren sich in der Friedensarbeit und geniessen grosses Vertrauen in der Bevölkerung. Doch sie sind selber geschwächt und haben kaum finanzielle Mittel.

Wie begegnen Sie, respektive «TearFund», dieser Situation?
«TearFund» arbeitet im Südsudan mit der erfahrenen lokalen Partnerorganisation «Across» zusammen. Die Hilfe erfolgt dort, wo kaum andere Organisationen tätig sind. Beispielsweise wurde 2015 in einem Dorf, das sehr viele Flüchtlinge aus einem anderen Distrikt aufgenommen hat, ein Gesundheitszentrum eröffnet. Gefördert wird auch die Bildung, denn in Konfliktsituationen fällt meist die Schule aus. Daher wurde ein Programm entwickelt, in dem Jugendliche den zu grossen Teilen verpassten Primarschulstoff in vier statt in acht Jahren vermittelt bekommen.

Weiter werden Kirchenvertreter mit Material ausgerüstet und geschult, um in ihrer Umgebung Friedensarbeit zu machen. «Across» und «TearFund» haben in diesem Jahr eine Konfliktanalyse in einem der stark betroffenen Distrikte durchgeführt und bieten Friedensseminare an für Teilnehmende aus verschiedenen Ethnien. So kommen beispielsweise Jugendliche aus verschiedenen Dörfern und Gruppen zusammen, diskutieren, treiben Sport und lernen sich so besser kennen. Mit diesem neuen Verständnis und den gelernten Konfliktlösungsstrategien kehren sie als Friedensbotschafter in ihre Dörfer zurück. Für 120 Franken können acht Jugendliche an einem mehrtägigen Seminar teilnehmen.

Wo konnte durch den Einsatz von Ihnen Frieden verbreitet werden?
Der Zugang zu natürlichen Ressourcen, wie beispielsweise Weideflächen und Wasser, ist im Südsudan weder historisch noch rechtsverbindlich wirklich geregelt. So gibt es oft jahrzehntealte Weide- und Herdenkonflikte. Deng, ein Vertreter der Dinka-Gruppe, berichtete an einem «TearFund»-Friedenstreffen, dass viele Stämme im Südsudan Nomaden seien, die mit ihren Herden umherziehen; Konflikte um Weideland endeten oft blutig. Hier hilft miteinander reden. Deng berichtete: «Wir waren in eine neue Gegend gezogen. Einige von uns wollten sich bei den neuen Nachbarn wegen einem früheren Streit rächen. Da kam ihr Dorfchef mit Friedensbotschaften auf uns zu. Er hatte einen Friedensworkshop besucht und wandte das Gelernte an. Auch unsere Jugendlichen hatten von 'Across' Friedensbotschaften auf Audioplayern erhalten. Daran erinnerte er sie nun. Beschämt zogen wir uns zurück. Seither ist es friedlich.»

Welche Projekte stehen überdies im kommenden Jahr an?
Die Projekte im Südsudan haben weiterhin grosse Priorität. Ein Schwerpunkt neben den Friedensworkshops ist Bildung. Jugendliche und Erwachsene, welche in Krisenzeiten keine Schule besuchen konnten, holen in einem Intensivprogramm den verpassten Unterricht in der Hälfte der Zeit nach.

Bildung, sowohl für Kinder wie auch Erwachsene, ist aber auch in anderen Projekten ein wichtiger Faktor: Zum Beispiel lernt eine Frau in Bangladesch, einen Mikrokredit sinnvoll zu investieren und kann so ihre Familie unterstützen. Eine Familie in Peru erlangt Wissen über Schafzucht und das Anlegen von Gemüsegärten. Oder eine alleinerziehende Mutter in Sambia kann durch ihre Mitgliedschaft in einer Dorfspargruppe die nötigen Mittel sparen, um ihre Kinder zur Schule schicken zu können.

Aber auch die Bildung steht nie alleine in unseren langfristigen Programmen. Vielmehr sollen Menschen ganzheitlich gestärkt werden durch Ausbildung, Gesundheitsförderung und ein verbessertes Einkommen – immer angepasst an die lokale Situation und die Bedürfnisse. Mehr über unsere langfristigen Projekte hier.

Zur Webseite:
TearFund

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Datum: 21.12.2015
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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