Gentechnik ist nicht einfach Teufelszeug

trauben teufel

Mit Gentechnik wird kein Schlaraffenland geschaffen. Doch sie ist auch nicht einfach Teufelszeug. Das betont der Wissenschaftler Harald Binder.

Gleichmässig eintönig ist das Geräusch des Zuges. Ich fahre durch eine trübe Märzlandschaft. Obwohl mir der Nebel manches verbirgt, staune ich über die Vielfalt der vorbeirauschenden Bäume, Vögel, Hunde und Menschen. In Konstanz holt mich Harald Binder persönlich am Bahnhof ab. Vom Reihenhaus, das Familie Binder gemietet hat, ist es nicht weit bis zum Wald. Gleichzeitig ist die Stadtmitte bequem mit dem Rad zu erreichen.

Hilfe für Schwangere

Seit einigen Jahren sind Harald und Elisabeth Binder verheiratet. Aus ihrer Ehe sind drei Kinder entsprungen. Anfangs war Elisabeth als Sozialpädagogin berufstätig und sorgte für den Unterhalt. Jetzt ist sie Hausfrau und Mutter. Nebenbei setzt sie sich innerhalb einer Lebensrechtsgruppe für ungewollt Schwangere ein. Die Begleitung alleinerziehender Mütter ist ihr ein grosses Anliegen. Sie wünscht sich, dass diese Frauen in christlichen Gemeinden mehr Annahme und praktische Hilfe erfahren. Mit dem Familienvater und passionierten Naturwissenschaftler sitze ich am grossen runden Tisch im Herzstück des Hauses, dem Esszimmer. Dr. rer. nat. Harald Binder promovierte 1992 in Konstanz. Drei Jahre unterrichtete er an einem Schweizer Internat Chemie und Biologie in der Oberstufe.

Das gefragteste Thema

Der Leitungskreis der Studiengemeinschaft "Wort und Wissen" berief ihn 1996 in die Forschungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Er konnte diese zweite Anfrage als offene Tür sehen und sagte zu. "Wort und Wissen" wird durch Spenden finanziert. Hier ist er zu 50 Prozent in der Forschung tätig. Das braucht er, schliesslich will er nicht über etwas reden, ohne an der Quelle zu sein. Sonst ist er unterwegs zu Seminaren und Vorträgen auf Einladungen von Gemeinden, Hochschulgruppen und der Internationalen Vereinigung Christlicher Geschäftsleute (IVCG). Der derzeitige Renner ist eindeutig Gentechnik. Harald Binder will Christen für dieses Thema sensibilisieren. Gentechnik brauche gute ethische Leitlinien. Christen könnten gerade dazu viel sagen und die allgemeine Meinung prägen.

Nicht ohne Spannungen

Klar, dass er bei diesem Beruf keinen Acht-Stunden-Tag hat. Die vielen Reisen, der Schreibtisch im Haus und die ungeregelte Arbeitszeit erfordern viel Disziplin, damit die Familie nicht zu kurz kommt. Er bemüht sich, bewusst Zeiten für die Familie in seinen Terminkalender einzutragen. Das grosse Engagement der Eheleute führt mitunter zu Spannungen, doch sie sind am Lernen, achtsam miteinander umzugehen und rechtzeitig darüber zu reden. Die Kinder profitieren auch von Vaters Beruf. So ist er werktags fast immer zum Mittagessen anwesend. Bei schönem Wetter kann er einfach einmal mit seinen Söhnen kicken.

Wie bei der Dampflok

Während wir uns unterhalten, kommt Tochter Rebecca aus der Schule und macht die Hausaufgaben bei uns am Tisch. "Schlaraffenland" soll sie unter anderem üben. Dass der Einsatz von Gentechnik kein Schlaraffenland schaffen kann, ist Harald Binder klar. Genausowenig sei Gentechnik grundsätzlich Teufelswerk. "Seit dem Sündenfall ist es unmöglich, irgend eine Technik ausschliesslich zum Guten einzusetzen, weil der Mensch stets das Destruktive realisieren kann", meint Harald Binder. "Das zeigt bereits Kain." Erstaunt bin ich zu hören, dass die Argumente gegen die Technik der Eisenbahn denen gegen Gentechnik gleichen. "Schliesslich war eine Dampflok eine fahrende Bombe." Natürlich gilt es, Gentechnik differenzierter zu betrachten. Die erfreulichen Auswirkungen der Gentechnik nutzen zum Beispiel täglich Millionen Diabetiker, wenn sie Insulin zu sich nehmen. Oder Hausfrauen, die sich auf das Haltbarkeitsdatum von Lebensmitteln verlassen.

Möglichst frisches Gemüse

Wie wirkt sich das Wissen des Chemikers in seiner Familie aus? Harald Binder kann gut abschalten und überlegt nicht bei jedem Bissen, welche chemischen Zusätze enthalten sein könnten oder ob etwas genetisch verändert ist. Elisabeth Binder kauft möglichst frisches Gemüse ein und verzichtet auf Produkte von Firmen, die eindeutig gentechnisch veränderte Lebensmittel verwenden. Konsequenter Einkauf scheitert allerdings an der nicht eindeutigen Deklaration und nicht zuletzt am Geldbeutel.

Illusion der heilen Welt

Welche Sorgen hat Harald Binder im Blick auf die nicht aufzuhaltende Entwicklung? "Die Möglichkeiten der Gentechnik werden überschätzt. Man kann zwar einige Erbkrankheiten vorgeburtlich feststellen, aber nicht heilen. Damit rechtfertigt man Abtreibung. Der Druck auf Eltern behinderter Kinder wird zunehmen." Die Illusion der heilen Welt werde gefördert, fügt er bei. Hier sollten Christen hellhörig sein und sich darauf besinnen, dass Krankheit nicht nur ein biologischer Defekt ist, sondern ihre Wurzel im Sündenfall hat. Bei Versicherungen und Stellenantritten könnte in Zukunft eine genetische Untersuchung verlangt werden. In Vorträgen weist Harald Binder immer wieder darauf hin: "Das Fundament für die Beurteilung der Gentechnik ist für Christen das biblische Menschenbild und die Verantwortung vor Gott statt vor der Gesellschaft. Der Mensch ist mehr als das Produkt seiner Erbinformation. Er hat sein Wesen von Gott. Diese Sicht verbietet, den Mitmenschen als Operationsfeld zu benutzen. Eine Technik ist auf dem Hintergrund zu beurteilen, ob sie Menschen achtet."

Gott und die Chemie

Wie verbindet Harald Binder, Vorsitzender des Ältestenrates der Stadtmission Konstanz, Wissenschaft und Glaube? Der Schwabe wuchs durch seine Mutter in den Glauben hinein, der im Lauf der Zeit sein eigener wurde. Während der Ausbildung fragte er sich: "Was wäre, wenn das alles Illusion ist?" und beschloss solange mit Gebet, Bibellesen und Gemeindebesuch auszusetzen, bis Gott sich ihm zeigen würde. Nach Wochen hatte er das Gefühl, wahnsinnig zu werden. Da entschied er, davon auszugehen, dass Gott ist. Und fortan machte er deutliche Erfahrungen mit ihm. Der Naturwissenschaftler merkte: Gott lässt sich nicht in Versuche zwingen und beweisen. Aus dem frommen Ghetto heraus kam sein Glaube, als er erkannte: "Gott versteht was von Chemie!" Ganz natürlich spricht er seither mit Gott über Versuchsplanungen und Experimente. Er denkt nicht mehr wie früher in einem rationalen und irrationalen Bereich. "Wenn ich Gott ernst nehme, muss das, was in der Bibel steht, auch wahr sein für das, was ich als Wissenschaftler denke."

Grund zum Danken

Für ihn ist es logisch, dass Naturwissenschaft kein Hindernis für den Glauben ist: "Die Erkenntnisse der Naturwissenschaft geben mir soviel Stoff zum Loben und Danken!" Dankbar bin auch ich, konkret für das gute Mittagessen. Jetzt ist der Tisch voll ausgelastet. Ausser den eigenen vier Kindern essen noch zwei Freunde mit. Binders Haus hat offene Türen und ihr Herz ebenfalls. Das merkt man bei dem lebhaften Gespräch, bei dem jedes einzelne Kind ernstgenommen wird. Die Offenheit endet nicht am Gartenzaun; Nachbarn und die Gemeinde profitieren ebenfalls davon.
Wieder im Zug, freue ich mich über den jetzt nebelfreien Ausblick und den Einblick, den mir Binders in ihr Leben geschenkt haben.

Datum: 28.03.2002
Autor: Christa Gatter
Quelle: Chrischona Magazin

Publireportage
Werbung
Livenet Service
Werbung