"Bundesrat hat die Ungeborenen vergessen"

Fristenlösung - keine Lösung
Walter Hürzeler, Präsident GLS
Dr. J. Alexander Baumann, Nationalrat SVP

Zürich. Offenbar glaube der Bundesrat nicht mehr an das Prinzip einer Güterabwägung zwischen den Interessen der Frau und dem Lebensrecht des Kindes, schreibt die Gesellschaft zum Schutz des ungeborenen Lebens in der Schweiz (GLS) in einem Pressecommuniqué. Dies gehe aus den Erläuterungen des Bundesrates zur Volksabstimmung vom 2. Juni im "Bundesbüchlein" hervor.

In seinen Erläuterungen zu den bevorstehenden Abstimmungen vom 2. Juni unterschlage die Landesregierung jene, die von der Gesetzesänderung ebenso betroffen seien wie die Frau: die Ungeborenen. Dies verrate, dass der Bundesrat selbst nicht an die Güterabwägung zwischen dem Selbstbestimmungsrecht der Frau und dem Lebensrecht des Kindes glaube, sondern eine "einseitige Optik" vertrete, deren Preis das Ungeborene zu bezahlen habe, stellt die GLS "entsetzt" fest.

Die GLS protestiert gegen diese "kaltherzige Haltung", welche den Rechtsgrundsatz verletze, wonach das Gesetz die Schwächeren anwaltschaftlich stütze. Wörtlich schreibt die GLS: "Egal, welchen Status man dem Ungeborenen zubilligt: Es handelt sich um menschliches Leben, das keinesfalls einseitig unterschlagen werden darf, wenn die Menschlichkeit nicht auf der Strecke bleiben soll."

Bürokratisches Instrument

Die GLS kämpft gegen die von Bundesrat und Parlament vorgeschlagene Fristenlösung und nicht in erster Linie gegen die Abtreibung. Fristen seien nämlich ein "typisches Instrument der Bürokratie und deshalb nicht geeignet, Probleme zu lösen, bei denen es um Leben und Tod geht".

Eine Aufweichung des Lebensschutzes beim Embryo werde mittel- und langfristig auch den Schutz des Lebens bei Neugeborenen, Behinderten und Alten gefährden, warnt die GLS. Auch gebe die Fristenlösung vor, die Freiheit der Frau zu erweitern, aber sie schütze diese Freiheit nicht gegen Druckversuche und soziale Not. Zudem ist die Vorlage nach Ansicht der GLS "heuchlerisch", weil sie zwar von einer Notlage als Voraussetzung für eine Abtreibung spreche, aber nicht wirklich geprüft werde, ob eine Notlage vorliege.

Die GLS hat im Frühling 2001 das Referendum gegen die Fristenlösung ergriffen und zusammen mit der Christlich-Demokratischen Volkspartei (CVP) 53.000 Unterschriften eingereicht. Sie besteht aus Politikern verschiedener Parteien, Lebensrechtsorganisationen sowie Verantwortlichen aus Kirche und Gesellschaft.

Kommentare und Statements zum Thema

Zu riskant für den Schutz des Lebens

Die Fristenlösung ist nicht mehr nötig. Für die Erfüllung ihrer ursprünglich vorgetragenen, zentralen Ziele braucht es das neue Gesetz gar nicht mehr: Es gibt kaum mehr illegale Abtreibungen, und das Risiko eines unerwünschten Kindes ist durch die Möglichkeiten der Empfängnisverhütung weitestgehend aufgehoben. Zur Regelung von Ausnahmen bzw. "Notfällen" aber muss ein bestehendes Gesetz nicht grundsätzlich umgestossen werden. Hingegen enthält das geplante Gesetz eine neue, für den Lebensschutz hochriskante Norm: eine zeitliche Frist anstelle einer Rechtsgüterabwägung. Unser Nein zur Fristenlösung ist deshalb ein entschlossenes Nein zum Einzug eines solchen Grundsatzes in unser Recht.

Was heisst Selbstbestimmung ? Heute wird die Forderung nach der Fristenlösung damit begründet, das Gesetz müsse den Realitäten angepasst und schweizweit einheitlich geregelt werden. Argumentiert wird mit dem Selbstbestimmungsrecht der Frau. Das führt uns zum entscheidenden Ausgangspunkt jeder Regelung der Abtreibungsfrage: Was denn unter "Selbst" zu verstehen sei, bzw. ob der Embryo zwangsläufig zum "Selbst" gehöre. Bei allem Wissen bleibt das letztlich eben auch ein Stück Weltanschauung. Aber die Konsequenzen dieser Anschauung müssen uns bewusst sein, und von der Gesetzgebung dürfen wir eine gewisse innere Logik erwarten. Beides ist in der Debatte um die Fristenlösung auf der Strecke geblieben.

Ist der Embryo mit Sicherheit eine Sache, dann ist die Diskussion schnell beendet: Die Verfügung über eine Sache und nichts anderes wäre dann eine Abtreibung kann ohne weiteres durch Fristen geregelt werden. Am Gegenpol liegt die Definition des Embryos als einmaliger Mensch mit Würde und Recht. Eine Frist als Massstab seiner Lebensberechtigung ist unter dieser Voraussetzung ein Alptraum und zugleich ein Rückfall in die Barbarei, in eine Zeit, in der Menschen als Sachen galten und der Stärkere über den Schwächeren verfügen konnte. Selbstbestimmung als Postulat einer liberalen, verantwortungsbewussten Gesellschaft stellt niemand mehr in Frage; hingegen muss diskutiert werden, worauf sie sich erstrecken darf. Ist der Embryo ein Mensch, dann bestimmen wir nicht nur über das eigene, sondern auch über ein anderes Selbst mit einem Eigenwert und einem eigenen Recht. Ein faktisch freies, nur durch eine Frist eingeschränktes Verfügungsrecht über ihn käme einer ungeheuren Anmassung gleich.

Möglicherweise können wir uns aus weltanschaulichen Gründen nicht einigen, was ein Embryo ist. Wir könnten uns aber darauf einigen, dass wir uns nicht einigen können, und hätten dann einen Zweifelsfall. Nach welchen Rechtsgrundsätzen gehen wir mit Zweifelsfällen um ? Als Vorbild kann die Umweltgesetzgebung dienen. Dort haben wir das "Vorsorgeprinzip" verankert: Zum Schutz von "Leben und Gesundheit" werden Grenzen vorsorglich so gelegt, dass der Bereich des Zweifels im Sinne des Schutzes ausgelegt wird. Wenn wir uns also nicht einigen können, was der Embryo ist, dann müssen wir nach dem Prinzip der Vorsorge den grundsätzlichen Schutz und nicht die grundsätzliche Schutzlosigkeit festlegen !

Die innere Logik unserer Gesetzgebung in Sachen Lebensschutz bleibt durch die Fristenlösung vollends auf der Strecke. Wenn befruchtete Zellen mit der Frage in ein Labor gegeben werden: "Was ist das ?", dann kommt "Mensch" heraus, nicht Tier oder Pflanze. Unser Parlament würdigte diese Tatsache geradezu ehrfürchtig, indem es das Ansinnen abschmetterte, künstlich erzeugte befruchtete Zellen auf Defekte zu untersuchen, bevor sie in den Mutterleib eingesetzt werden. Und dann wollen wir den eingesetzten Embryo zum Abtreiben freigeben, nur weil er noch nicht zwölf Wochen alt ist ? Hier messen wir mit zwei verschiedenen Ellen.

"Das Gesetz hilft in Notlagen nicht", heisst es. Das muss es auch nicht. Sonst müssten wir die Innerorts-Limiten aufheben, um dem Krankenwagen zu "helfen", der diese Limite überschreitet. Dem besonderen Einzelfall wird bei der Gesetzesanwendung Rechnung getragen. Wenn nun die Begründung der Abtreibung, also der Ausnahme, als mühsam empfunden wird, als "hohe Hürde", wenn es zu Gewissenskämpfen kommt, dann meinen wir: Was ist daran so falsch ? Warum sollte das anders sein ? Es handelt sich um eine Entscheidung über Leben und Tod und nicht um den Kauf eines neuen Kleides. Es geht nicht an, sich die Mühe einer angemessenen Auseinandersetzung zu sparen, indem man sie gesetzesmässig vom Tisch wischt und einfach durch "zwölf Wochen" ersetzt.

Kriminalisierung ein Phantom Wenn sich heute jemand für eine Abtreibung entscheidet, spricht seit Jahren kein Mensch mehr von Straffälligkeit. Da schiessen die Befürworterinnen der Fristenlösung mit dem Wort "Kriminalisierung" nicht nur mit Kanonen auf Spatzen, sondern auf Phantome. Der Vorwurf bestätigt immerhin, dass Gesetze nach wie vor von vielen Menschen als Massstab empfunden werden, an dem sie sich innerlich orientieren. Drängt die befürwortende Seite deshalb so heftig auf eine Gesetzesanpassung, weil sie diese als Rechtfertigung braucht ?

Es fällt auf, dass an die Stelle von "Gefährdung der Gesundheit" in den letzten Jahren nach und nach die "Beeinträchtigung der Freiheit" als Argument für die Fristenlösung getreten ist. Nur: ob ein Paar, eine Frau diese Beeinträchtigung auf sich nehmen will, kann heute weitestgehend vor der Schwangerschaft entschieden werden. Eine Schwangerschaft stellt immer eine solche Beeinträchtigung dar; sie darf deshalb nicht zum generellen Massstab über den Beginn des Lebens hinaus werden. Umso mehr, als viele Frauen davon berichten, dass das Gefühl der Beeinträchtigung nach und nach hinter jenes der Bereicherung ihres Lebens zurücktritt.

Wir haben das Referendum ergriffen und kämpfen für ein Nein, weil wir finden, es müsse ein anderer Grundsatz gelten: Generell schützen, Ausnahmen begründen. Wer die Notlage zur Norm macht, macht den Normalfall zur Notlage zwölf Wochen lang. Das Leben hat eine würdigere Auseinandersetzung verdient als eine Frist.
Walter Hürzeler, Weingarten TG, Präsident GLS. Erschienen in der NZZ am 24.4.2002

Kein Lebensrecht, wenn ungewünscht?

Als du empfangen wurdest, wurdest du nicht gefragt. Deine Eltern wurden nicht gefragt, und auch kein anderer Mensch wurde gefragt. Nur Einer wurde gefragt, und Er sagte: Ja.

Es ist eine Tatsache, dass kein Mensch auf der Erde ein "Wunschkind" war. Ihre Eltern haben sich vielleicht "ein Baby" gewünscht, aber Sie persönlich, wie Sie sind, männlich oder weiblich, träumerisch oder praktisch, frech oder scheu; wer hat Sie gewünscht? Aus den bis zu 500 Millionen möglichen Verbindungen jener Liebesnacht, warum kam es ausgerechnet zu der Verbindung, die Sie hervorbrachte? Zufall, sagt die Wissenschaft. Liebe, sagt der Glaube: Gott hat Sie gewünscht. So entsteht ein Menschenleben, still, im Verborgenen, sogar von den Eltern erst nachträglich bewusst.

Beim Verschmelzen von Samen und Ei beginnt eine lange und komplizierte Entwicklung; zunächst "erobert" das Embryo den Bauch der Mutter; ihr ganzer Körper stellt sich in seinen Dienst. Dann kommen die Differenzierung der Organe, der Bau der Knochen (schon vorbestimmt, ob der Mensch 1.50 oder 2 Meter gross wird), die Entwicklung der Sinnen, und zwar bis lange nach der Geburt...und ein Lernprozess, der wohl erst mit dem Tod endet, fängt an. Schon bevor die Frau überhaupt ahnt, dass sie Mutter wird, nimmt ihr Kind Gestalt an, als unverwechselbares Individuum. Die Eltern können sich also weder eine blonde Tochter noch einen genialen Sohn bestellen: hier hat der Mensch keine Macht. Gerade deswegen, weil das Leben so geheimnisvoll ist in seinem Anfang und in seinem Ende, gerade deswegen, weil das Leben nicht geschaffen werden kann, haben alle Kulturen Ehrfurcht vor dem Leben gehabt. Dazu gehört das Tötungsverbot.

Alle Kulturen anerkennen das Tötungsverbot, denn es wird immer Leute geben, die aus Eigennutz andere Menschen töten. Und der Staat will das verhindern, will das Leben aller Bewohner des Landes schützen. Das Leben eines Menschen wird in einem zivilisierten Land höher gewertet als andere Güter. Wenn wir erfahren, dass in einem Land das Leben gewisser Menschen tiefer als das anderer geschätzt wird, finden wir das "unzivilisiert". Soll es so werden, dass die Schweiz das Leben gewisser Menschen doch nicht schützen soll?

Hier muss man klar erkennen, woher die Frist von 12 Wochen stammt. Es ist nicht etwa so, dass das Ungeborene bis zu diesem Zeitpunkt "kein Mensch" wäre. Im Gegenteil, es ist voll ausgebildet, sogar die Finger- und Zehennägel. Es macht Greifbewegungen, wacht und schläft, träumt sogar. Es ist aber noch klein. So klein, dass es bequem und ohne Probleme "entsorgt" werden kann. Nachher wächst es rasant, und ist bald zu gross, einfach abzusaugen. Vor der 12 Wochen Frist, oder nachher, das Kind ist das Gleiche.

Aber die Frau, die das Recht hat, selber über ihr Leben zu bestimmen, was ist mit ihr? In der Abtreibungsfrage geht es eben nicht nur um die Selbstbestimmung der Frau, sondern auch um das Leben eines Kindes. Die Fristenregelung spricht dem Kind das Recht zu leben ab, wenn es nicht "gewünscht" wird. Was immer nachher aus diesem Leben werden könnte, darf nicht sein, wenn die ersten Monaten nicht optimal verlaufen. "Es ist besser für das Kind", hört man etwa, "wenn es nicht geboren wird". Ich kenne eine junge Frau, die im Alter von 4 Monaten von ihrer Mutter verlassen wurde. Dass sie als Baby gewünscht war, glaube ich nicht. Dass die Zeit bis zu ihrer Adoption schön war, glaube ich auch nicht. Ebenso glaube ich nicht, dass ihr Leben, ihre Ehe, ihre Kinder, dass alles nicht hätte sein dürfen. Die Zeit vor der Geburt ist eben nur eine Phase im Leben, und vieles kann in einem Menschenleben passieren, um vergangenes Leid zu tilgen.

Zweifellos kann eine ungewollte Schwangerschaft eine Frau vor scheinbar unlösbare Problemen stellen. Das heisst, dass diese Probleme für die Frau allein sehr wohl unlösbar sind, nicht aber für die Gesellschaft. Der Wille, diese Probleme zu lösen, fehlt weitgehend in unserem Land. Wie ist es sonst möglich, dass Kinder in diesem überreichen Land ein Armutsrisiko darstellen? Wo ist die Unterstützung für die Frau als Mutter, wo die Würdigung ihrer unentbehrlichen Arbeit für die Zukunft des Landes? Es wird für billiger und einfacher gehalten, die ungeborenen Kinder zu töten, als gegen die Kinderfeindlichkeit der Gesellschaft zu wirken. Wenn wir dem nachgeben, und der Wegschaffung des Problems "Kind" zustimmen, werden Reformen der Gesellschaft kaum folgen.

Warum Mutterschutz? Die Frau kann ja abtreiben. Warum Krippenplätze? Wer arbeiten muss, kann abtreiben. Warum ein behindertes Kind gebären? Man hätte es abtreiben können. Mehr und mehr wird eine Tendenz erkennbar, Leben nur nach dem zu beurteilen, was es "bringt". Die Diskussion um aktiver Sterbehilfe geht in die gleiche Richtung, und da wird zu Recht gemerkt, dass alte und unheilbar kranke Menschen unter Druck geraten können, sich selber "aus dem Weg" schaffen zu lassen.

Wenn die Fristenregelung eingeführt wird, werden auch Frauen einen Schutz verlieren. Es ist oft so, dass eine Schwangerschaft "unverhofft" und nicht gerade gelegen eintritt. Man rechnet sogar, dass ca. 70% aller Schwangerschaften eigentlich ungeplant sind. Was macht eine Frau, die unter Druck von aussen kommt, sei es von Freund oder Mann, von Arbeitgeber oder Eltern? Hin- und hergerissen zwischen Anpassung an die Wünsche anderer und ihren eigenen mütterlichen Gefühlen, hat sie jetzt wenigstens den Schutz, dass eine Abtreibung verboten ist. Das bedeutet für sie in doppelter Hinsicht einen Schutz: zum Einen, weil man sie weniger leicht zu etwas drängen kann, was sie nicht will; zum Anderen, weil ihr eigenes Gefühl, dass eine Abtreibung nicht richtig ist, durch das Verbot gestärkt wird. Es sind gerade solche Frauen, die nach einer Abtreibung sehr stark leiden.

Wird die Initiative angenommen, dann gibt es kein Abtreibungsverbot mehr. Theoretisch schon, aber praktisch nicht. Nur zwei Menschen entscheiden dann darüber, ob das Kind leben darf: die Mutter, die zu dem Zeitpunkt ängstlich, verunsichert und unter Zeitdruck ist, und die Person, die eine Abtreibung vornehmen wird. Es ist sehr eigenartig, dass dabei die gleiche Person die Frau beraten soll, die dann im Ausüben ihres Berufes das Kind abtreiben wird. Die meisten Frauen werden sich unter Zeitdruck fühlen, aber die "Fristenregelung" ist eigentlich fristlos: nach der Frist von 12 Wochen werden Schwangerschaftsabbrüche immer noch möglich sein, u.a. "damit ..... einer schweren seelischen Notlage abgewendet werden kann". Was ist eine schwere seelische Notlage? Wie kann man sie beweisen? Welche verbindliche Richtlinien gibt es? Natürlich ist es nicht möglich, solches zu definieren. Dadurch verliert das Kind im Mutterleib auch nach den ersten 12 Wochen den Schutz des Gesetzes.

Darf man aber anderen die eigene Überzeugung per Gesetz aufzwingen? Das ist genau das Wesen eines Gesetzes: es zwingt Andersdenkende, sich so zu verhalten, wie der Gesetzgeber es für richtig hält. Wenn die Initiative am 2. Juni angenommen wird, werde ich per Gesetz und gegen meinem Gewissen gezwungen, mit meinen Krankenkassenprämien und Steuern Abtreibungen zu finanzieren. Wenn die Initiative verworfen wird, behält das werdende Kind weiterhin wenigstens den nominalen Schutz des Staates, und ich kann mich weiterhin für die Schaffung einer kinderfreundlicheren Schweiz einsetzen.

Sicher ist die Situation in der Schweiz so, dass viele Frauen sich nicht imstande fühlen, ein Kind zu bekommen. Wir können das Gesetz so ändern, dass diese Frauen ihre Kinder töten lassen dürfen, und das Problem so "lösen". Wir können aber die Umstände ändern, die es den Frauen so schwer macht, zu ihrer Mutterschaft zu stehen. Das ist nicht einfacher, aber es ist eigentlich der einzige ethisch verantwortbare Weg für alle, die den Wert des menschlichen Lebens und die Würde eines jeden Menschen respektieren. Es soll nicht zu leicht sein "nein" zu sagen, wo Einer schon "ja" gesagt hat.
Jean Drummond-Young Bühler, Winterthur

Nein zum Entzug des Lebensschutzes

1. Auch wenn ausdrückliche Verfassungsbestimmungen darüber erst seit kurzem bestehen, anerkennt unser Staat grundsätzlich seit jeher die Menschenwürde sowie das Recht auf Leben.

Dazu gehörte seit jeher der Schutz des vorgeburtlichen Lebens. Die Erkenntnisse der Naturwissenschaften bestätigen die Auffassung, dass der menschliche Embryo und der erwachsene Mensch, in den der Embryo unter günstigen Entwicklungsbedingungen kontinuierlich übergehen kann, ein und dasselbe Lebewesen sind; d.h. ein menschlicher Embryo ist ein Mensch in den ersten Wochen seines Lebens.

Daraus ergibt sich zwingend, dass dem ungeborenen menschlichen Leben ein Recht auf Leben von Beginn der Schwangerschaft weg zukommt, und dass der Staat verpflichtet ist, sich schützend und fördernd, notfalls auch gegen die Mutter, vor dieses Leben zu stellen. Das bedeutet, dass der Schwangerschaftsabbruch für die ganze Dauer der Schwangerschaft grundsätzlich Unrecht darstellt und daher rechtlich verboten sein muss.

2. Andererseits führt die grundrechtliche Position der Frau dazu, dass es in Ausnahmefällen zulässig, in manchen Fällen sogar geboten ist, eine Rechtspflicht zum Austragen des Kindes nicht aufzuerlegen. Der Gesetzgeber hat sich bei der Bestimmung solcher Ausnahmetatbestände auf Gegebenheiten zu beschränken, bei welchen die Belastungen für die Frau ein solches Mass an Aufopferung der eigenen Gesundheit oder gar des eigenen Lebens beinhalten, dass dies von der Frau nicht erwartet werden kann.

3. Eine irgendwie geartete Fristenlösung, welche die Abtreibung in einer definierten Wochenzahl der Schwangerschaft grundsätzlich als straflos erklärt, steht im Widerspruch zu den Grundrechten, weil der Schutz des vorgeburtlichen Lebens preisgegeben wird, ohne dass auch nur eine Güterabwägung gegenüber den Grundrechten der Mutter vorgenommen wird.

Jede Ansetzung einer Frist ist ohnehin willkürlich und vermittelt höchstens falsche Vorstellungen über den Tatbestand der Abtreibung. Es ist absolut nicht erkennbar, aus welchen Gründen der Staat den Schutz des vorgeburtlichen Lebens, den er als eine seiner Aufgaben anerkennt, erst ab der 13. Woche, bzw. ab der 15 oder 17. Woche einer Schwangerschaft übernehmen sollte.

Jede Form der Fristenlösung, auch getarnt mit einer Beratungspflicht, wie dies das so genannte Schutzmodell der CVP vorsieht, ist grundrechts- und menschenrechtswidrig und muss als Zugeständnis an den Zeitgeist abgelehnt werden.

4. Die Frage der Fristenlösung lässt sich nicht auf die moralische Dimension reduzieren, wonach die Entscheidung über Leben oder Tod des Ungeborenen allein in das Selbstbestimmungsrecht und somit in den Gewissensentscheid der Frau falle.

Vielmehr stimmen wir am 2. Juni über die politische Frage ab, ob der Rechtsstaat Schweiz dem vorgeburtlichen Leben den bis anhin gewährleisteten staatlichen Lebensschutz für die ersten zwölf Wochen entziehen will.

Aus diesen Gründen trete ich ein für ein NEIN zur Fristenlösung am 2. Juni 2002.
Dr. J. Alexander Baumann, Nationalrat SVP, Kreuzlingen

Datum: 20.05.2002
Quelle: GLS

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