`Schutz des Lebens darf nicht privatisiert werden`

Bern. Die Fristenregelung stelle zu sehr auf die Selbstbestimmung der schwangeren Frau ab. Sie trage den Rechten des ungeborenen Kindes sowie der Verantwortung des Arztes und des medizinischen Pflegepersonals zu wenig Rechnung. Dies wurde am Dienstag in Bern an einer Pressekonferenz betont, bei der die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) noch einmal erläuterte, weshalb sie die Fristenregelung ablehnt.

Der Churer Bischof Amédée Grab, Präsident der SBK, erinnerte daran, dass es eine der grundlegenden Aufgaben des Staates sei, das menschliche Leben zu schützen. Zur Durchsetzung dieses Schutzes könne er nicht auf das Strafrecht verzichten. Die am 2. Juni zur Volksabstimmung gelangende Regelung sehe indes die generelle Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf Wochen vor. Zudem sei auch die für die darauf folgenden Wochen vorgeschlagene erweiterte Indikationenlösung für die Schweizer Bischöfe "schlechthin unannehmbar".

Aber: "Strafrecht allein genügt nicht", betonte Grab. In erster Linie sei ein "flankierendes Paket gesetzlicher Massnahmen zugunsten betroffener Frauen und des Familienschutzes zu fordern". Die Schweizer Bischofskonferenz gab zur ebenfalls zur Volksabstimmung anstehenden Initiative "Für Mutter und Kind" keine Stimmempfehlung ab. Die SBK sage zum Grundanliegen der Initiative Ja, präzisierte Grab. Diese verlangt ein generelles Abtreibungsverbot. Doch angesichts der Zweifel an der gesellschaftlichen Durchsetzbarkeit des rigiden Verbots hätten die Bischöfe den Gläubigen keine Gewissensverpflichtung auferlegen wollen.

Biblisches Tötungsverbot

Der Basler Bischof Kurt Koch mahnte, Abtreibung bedeute eine Verletzung des biblischen Tötungsverbotes. Die Kirche beziehe sich in ihrem Engagement gegen die Fristenregelung vor allem auf das christlich-theologische Menschenbild und die Grundwerte, die sich daraus ergeben. Auf diesem Weg wirke die Kirche der Verkürzung der Abtreibungsfrage auf rein rechtliche, pragmatische und utilitarische Aspekte entgegen.

Er gab namentlich zu bedenken, dass die Fristenregelung den Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf Wochen zu einer Privatangelegenheit mache, aus der sich der Staat heraushalte. Der Schutz des Lebens dürfe jedoch nicht privatisiert werden.

Ungenügende Familienpolitik

An der Pressekonferenz sagte Rose-Marie Umbricht-Maurer, Ko-Präsidentin der Kirchlichen Frauenkommission der SBK, dass die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche nur werde vermindert werden können, wenn in der Schweiz "eine Familienpolitik stattfindet, die diesen Namen wirklich verdient". Mancherorts herrsche ein Klima, die alles andere als familien- und kinderfreundlich sei: "So bedeutet Kinderhaben ein nicht zu unterschätzendes Armutsrisiko".

Umbricht-Maurer erinnerte namentlich an die immer noch nicht eingeführte Mutterschaftsversicherung und an den Mangel an kostengünstigen Wohnungen mit genügend Platz für kinderreiche Familien. Mutterschaftsurlaub, genügende Kinderzulagen, reduzierte Krankenkassentarife für kinderreiche Familien und Steuererleichterungen seien erforderliche Massnahmen, "die noch weitgehend auf ihre Verwirklichung warten".

Die Fristenregelung sei die "billigste" Familienpolitik, kritisierte in diesem Zusammenhang Christian Kissling, Sekretär der Kommission Justitia et Pax der SBK. Stattdessen gelte es, in der Schweiz eine Familienpolitik zu verwirklichen, die diesen Namen verdiene. Er verwies auf weiterführende negative Folgen der Fristenregelung.

"Therapeutische Aborte"

Die Fristenlösung ermögliche etwa in Verbindung mit der pränatalen Diagnostik "zynisch" so genannte "therapeutische Aborte" zur Verhinderung der Geburt "behinderter" Kinder, betonte Kissling. Es sei zu befürchten, dass sich eine Mutter bald dafür "entschuldigen" müsse, wenn ein behindertes Kind das Licht der Welt erblickt, obwohl sie während der Schwangerschaft über die voraussichtliche Behinderung informiert wurde.

Die reale Familien- und Behindertenpolitik zeigen laut Kissling deutlich, dass die Fristenregelung in Wahrheit nicht der Freiheit der Frauen dient, wie deren Befürworter erwarten. Zum einen, weil Frauen mit der Fristenregelung vermehrt unter Druck gesetzt werden könnten, ein behindertes oder ungewolltes werdendes Leben abzutreiben. Zum andern heisse im Zusammenhang der Abtreibung "Selbstbestimmung der Frau" immer auch Fremdbestimmung über anderes Leben.

Bischof Koch erinnerte in diesem Zusammenhang an die Verantwortung des Arztes und des medizinischen Pflegepersonals, die nicht verletzt werden dürfe. Die Medizin dürfe sich nicht an das "routinemässige Töten menschlichen Lebens gewöhnen".

Datum: 18.04.2002
Quelle: Kipa

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