Evangelium in der Öffentlichkeit

Auf die persönliche Verbindung kommt's an

In der Schweiz gilt Meinungsfreiheit. Freie Bahn also auch für das Evangelium? Jein, denn viele Kernbegriffe der christlichen Botschaft kommen in der Öffentlichkeit nicht mehr richtig an. Ein paar Gedanken zu den Gründen und zu Möglichkeiten gelingender Kommunikation von Kommunikationsberater Markus Baumgartner.
Markus Baumgartner (Bild: zVg)

Gibt es Unterschiede zwischen privatem und öffentlichem Bekenntnis? Wenn heute der CEO der UBS ein internes Mail schreibt, dann steht das am nächsten Tag in der Zeitung. Interne Kommunikation ist immer auch externe Kommunikation. Man sollte daher intern keine andere Sprache als gegen aussen verwenden. Da gibt es für Kirchen ein Problem: «Du musst leider immer wählen zwischen Christen mit Feuer aber hohl im Kopf oder Christen mit Grips aber ohne Feuer», zitiert Thomas Schaufelberger, Leiter Abteilung Kirchen-Entwicklung der Reformierten Kirche Kanton Zürich, einen britischen Pfarrkollegen und fährt fort: «Gibt es einen Ausweg? Daran müssen wir arbeiten: Feuer im Herzen und reflektierte, differenzierte Inhalte. Ekstase und Denken. Enthusiasmus und Bewusstsein des Nicht-Wissens.»

Was ist eigentlich Kommunikation? Das Wort stammt vom lateinischen «communicare» und heisst etwas «gemein machen»: Informationen werden in die Öffentlichkeit ausgesendet und damit zum Allgemeingut. Der Inhalt wird aber nur aufgenommen und verstanden, wenn eine gemeinsame Verbindung entsteht. Das führt zur Rückfrage: Mit wie vielen kirchendistanzierten Menschen stehen die Christen heute in regelmässiger Verbindung? Das ist die Basis für die Kommunikation.

Wenn Wörter nicht mehr funktionieren

Kernbegriffe der Christen funktionieren in der Öffentlichkeit schon lange nicht mehr: Unter Mission versteht man die Zwangsbekehrung mit Waffengewalt, unter Evangelisation die Manipulation oder den Ruf zur Bekehrung (Konversion), unter Busse tun die Polizeibusse bezahlen, unter Zeugnis geben ein Schulzeugnis austeilen. Viele dieser Begriffe sind nicht nur unverständlich, sondern auch negativ behaftet. Wie wär's zum Beispiel mit neutraleren Begriffen wie Pionierarbeit, gute Geschichten erzählen oder Nächstenliebe? Darauf lässt sich ein Gespräch aufbauen und weitere Verbindungen knüpfen.

Das Leidenschaft-Relevanz-Modell

Bevor man mit anderen in Verbindung treten kann, muss man für Aufmerksamkeit sorgen. Eine gute Geschichte ist die Voraussetzung für Aufmerksamkeit. Die Zielgruppe lässt sich jedoch nur überzeugen, wenn der Inhalt für die Nutzerinnen und Nutzer so relevant ist, dass sie sich nicht nur selber damit auseinandersetzen, sondern auch mit anderen darüber diskutieren. Hilfe gibt das Leidenschaft-Relevanz-Modell: Je nachdem, welche Bedeutung ein Thema für uns hat, werden wir selber aktiv. Wer von einem Thema begeistert ist, sucht aus freien Stücken auf Google danach, liest Blogartikel, Einträge in Foren oder schaut sich Videos dazu an. Der andere treibende Faktor ist die Relevanz des Themas: Wer die Autoprüfung machen oder eine Hypothek aufnehmen will, wird aktiv nach Angeboten recherchieren. Die Kommunikation selbst braucht also einen Mehrwert: einen Nutzwert, eine Relevanz, einen Unterhaltungswert.

Zwei gute Beispiele

In Luzern haben schon Jahre im Vorfeld des grossen Events «Explo» die lokalen Pastoren der Freikirchen persönliche Kontakte mit den Pfarrerinnen und Pfarrern der Landeskirchen aufgebaut. Als die Medien kritisch über die Veranstaltung berichten wollten, bekamen sie von den Pfarrpersonen kein böses Wort zu hören. Im Gegenteil: Sie machten sogar Komplimente.

In Solothurn berichteten früher die Lokalmedien immer kritisch über die Kirchen. Als diese begannen, am grössten Stadtanlass – dem Märet-Fescht – in der Nacht jeweils den Abfall wegzuräumen, fragten sie nach einigen Jahren die Veranstalter für einen Abschlussgottesdienst an. Sie gaben ihnen die Erlaubnis – unter einer Bedingung: Es mussten sämtliche christlichen Kirchen mitmachen. Das gelang. Zusammen mit dem zweiten Anlass in der Stadt, der «Weihnachtsreise» im Advent, haben die Kirchen in Solothurn heute eine gute Presse.

In der öffentlichen Kommunikation geht es also vor allem darum, mit den Kirchendistanzierten persönlich in Verbindung zu treten. Das geht am besten, wenn sie mit Leidenschaft und Relevanz angesprochen werden.

Zum Autor

Markus Baumgartner ist Inhaber der Agentur b-public AG und Kommunikationsberater.

Dieser Artikel erschien zuerst im Magazin INSIST.

Zum Thema:
Gott ins Gespräch bringen: Kolumnisten von Nau.ch und BLICK im Livenet-Talk
«Provokation gehört dazu»: Der Halleluja-Kolumnist von nau.ch mischt die Szene auf
PR-Berater Markus Baumgartner: «Das Evangelium passt auf einen Bierdeckel»

Datum: 20.10.2020
Autor: Markus Baumgartner
Quelle: Magazin INSIST

Publireportage
Werbung
Livenet Service
Werbung