Chef der Armeeseelsorge

Stefan Junger: «Momente der Ruhe und Besinnung tun gut»

Während 19 Jahren war Stefan Junger Pfarrer in Thun – auf den 1. März wurde er zum Chef der Armeeseelsorge ernannt. Im Livenet-Interview spricht er über seine neue Aufgabe und die Bedeutung der Seelsorge im Militär.
Armeeseelsorge
Chef der Armeeseelsorge Stefan Junger (Bild: zVg)

Livenet: Stefan Junger, Sie waren selber als Armeeseelsorger tätig und haben Militärangehörige in schwierigen Lebenssituationen begleitet und unterstützt. Jetzt sind sie Chef der ganzen Armeeseelsorge. Was reizt Sie an dieser Arbeit?
Stefan Junger: Mir gefällt die Aufgabe, Seelsorge in einer ökumenischen Breite anzubieten. Das geht nur so, da die Armee als staatliche Organisation politisch und religiös neutral sein muss. Ich habe Armeeseelsorge während 18 Jahren im Milizauftrag gemacht. Jetzt habe ich die Möglichkeit bekommen, mich voll auf diese Arbeit zu konzentrieren. Diese Chance habe ich gepackt, obwohl ich auch gerne in meinem Pfarramt in Thun und in Steffisburg/Fahrni war. Es war ein Entscheid für diese neue Möglichkeit und nicht gegen das Bisherige.

Welche Schwerpunkte wollen Sie als Chef der Armeeseelsorge setzen?
Es geht mir vor allem darum, die Armeeseelsorge weiterhin so gut verankert zu wissen - in der Kirche wie auch in der Armee. Der Armeeseelsorger begegnet den Menschen in einer grossen Weite und Offenheit. Armeeseelsorger zu sein, heisst, die Angehörigen der Armee bis in Grenz- und Notsituationen in ihrem Suchen und Fragen zu begleiten. Dabei tritt er nicht missionarisch auf, was völlig kontraproduktiv wäre.

Was unterscheidet einen Einsatz im Militär zu jenem im zivilen Leben?
Abgesehen davon, dass in der Armee die Uniform getragen wird, ist vieles vergleichbar. Man versucht, den Gefühlen einen geschützten Raum zu geben und miteinander schwierige Situationen auszuhalten. Was wir beobachten ist, dass das Militär ein Ort ist, an dem viele intensiv über sich und das Leben nachdenken. In solchen Momenten ist es auch gut, wenn man weiss, dass einem jemand Gehör schenkt. Die Mehrzahl der Gespräche dreht sich um private Fragen, um Schwierigkeiten am Arbeitsplatz oder Spannungen in der Beziehung zu Eltern, Freundinnen, usw.

Nur ein kleiner Teil der Gespräche dreht sich um militärspezifische Probleme. Das ungewohnte Umfeld belastet zuweilen. Es kann schon Stress auslösen, wenn sie das wohlbehütete Elternhaus verlassen und plötzlich einen Raum mit Fremden teilen müssen. Nicht jeder kann gleich gut damit umgehen.

Werden die Pfarrer im Militär nicht manchmal belächelt?
Das kann schon mal vorkommen, aber ein Pfarrer muss allgemein damit umgehen können, auch mal einen Spruch zu hören - auch im «Tenü grün». Aber wenn es ein Pfarrer schafft, auf einfache Art rüberzubringen, welche Funktion er als Armeeseelsorger hat, ist das kein Problem. Nach meiner Erfahrung ist die Akzeptanz hoch. Man zwingt sich den Angehörigen der Armee ja auch nicht auf. Es ist ein Angebot, aber niemand muss zum Armeeseelsorger.

Werden Sie persönlich als Chef der Armeeseelsorge auch noch «an der Front» sein?
Nein, ich bin künftig nicht mehr selber als Seelsorger bei der Truppe anzutreffen. Meine Aufgabe ist, den Dienstzweig am Laufen zu halten. Das beinhaltet die Koordination, Rekrutierung, Ausbildung und sonstige Hintergrundarbeit. Ich bin dabei auch Gesprächspartner für die Armeeseelsorger. Es wird mir helfen, dass ich selbst 18 Jahre Erfahrung sammeln konnte.

Armeechef André Blattmann sagte in einem Interview, er schätze die Armeeseelsorge sehr. Auch in Friedenszeiten seien Momente der Ruhe und Besinnung wichtig. Wie sehen Sie das?
Das kann ich nur unterstreichen. Wir leben in einer hektischen Zeit, obwohl ich nicht behaupten kann, sie sei hektischer als vor 100 Jahren. Da war ich ja nicht dabei. Aber klar ist, dass es zahlreiche Ablenkungsmöglichkeiten gibt. Das ist eine gesellschaftliche Entwicklung, die sich natürlich auch auf den Dienstbetrieb in der Armee auswirkt. Momente der Ruhe und Besinnung müssen wir umso mehr neu schätzen lernen. Diese Momente tun gut.

Stefan Junger ist seit dem 1. März Chef der Armeeseelsorge. Er arbeitet dabei eng mit den beiden Dienstchefs Armeeseelsorger der Armee zusammen, mit dem katholischen Theologen und Kirchenrechtler Urs Brosi und dem reformierten Zürcher Pfarrer Christoph Sigrist.

Datum: 26.04.2014
Autor: Florian Wüthrich
Quelle: Livenet

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