Steine für die Kathedrale

Vision für die Kirche

Gottes Reich ganzheitlich zum Ausdruck bringen: Dafür ist Kirche da. Auf Einladung des IGW haben Theologen letzte Woche in Oberägeri diskutiert, was das für Kirchen im 21. Jahrhundert bedeutet.
Weiss die Gemeinde, was sie ist und wohin sie will? Zeichnung von Cla Geiser in Oberägeri.
Teilnehmer des IGW-Think Tanks in Oberägeri. Sechster von links: Stefan Wenger, ganz rechts Thomas Dauwalter.

Gottes Reich ist in der Welt angebrochen und zugleich noch am Kommen. Wenn die Kirche es ganzheitlich zum Ausdruck bringt, ist sie echt Kirche. Die Teilnehmer des vom IGW veranstalteten Think Tank 2013 im Zentrum Ländli in Oberägeri waren sich einig: In diesem Sinn kann man nicht von der Mission reden, die die Kirche hat – Mission muss ihre Identität sein. Kirche ist Mission.

Angeschlagene Schöpfung

Der Berner Neutestamentler und IGW-Dozent Stefan Wenger stellte in seinem Vortrag Mission als Initiative Gottes zugunsten der Schöpfung dar, die nach Erlösung seufzt. «Sein Ziel ist es, die zwar ‚angeschlagene’, aber nach wie vor gute Schöpfung aus ihrer Vergänglichkeit zu befreien, sie zu erneuern und zu transformieren.» Die Mission der Kirche müsse darauf gerichtet sein, «Gottes Reich in der uns anvertrauten Welt zu antizipieren. Das aber bedeutet nichts anderes, als durch die Kraft des Geistes transformierend in die Schöpfung hinein zu wirken.»

Unvollendeter Bau

Wie wirkt die Kirche für das Reich Gottes? Wenger brauchte ein Bild des britischen Theologen Tom Wright: Über viele Generationen hauen Steinmetze im Mittelalter Steine für eine Kathedrale – ohne ihre Vollendung zu erleben. «Aber sie vertrauen dem Architekten, dass das Werk, das sie nach seinen Anweisungen geschaffen haben, nicht weggeworfen wird. Sie selbst bauen nicht die Kathedrale, aber sie bauen für die Kathedrale, und wenn die Kathedrale fertig ist, wird ihr Werk aufgewertet werden, veredelt, es wird mehr bedeuten, als es bedeuten konnte, als sie es in der Werkstatt der Steinmetze meisselten und formten» (Tom Wright: Von Hoffnung überrascht, S. 224).

Zeichen sein und Zeichen setzen

Jede Kirche, so fuhr Wenger weiter, muss das Ziel haben, «Zeichen der angebrochenen, erlösenden, erneuernden und transformierenden Herrschaft Gottes zu sein». Sie dürfe sich nicht darauf beschränken, in der Evangelisation Menschen aus der Welt zu retten. Ihre Mission könne die Kirche ganzheitlich erfüllen, wenn sie den ganzen Jesus wahr nehme und ihm folge und sich dabei als dienende Gemeinschaft verstehe.

Wirksam ist laut Wenger der Einsatz der Kirche dann, wenn sie vom stellvertretenden Sterben und vom leiblichen Auferstehen von Jesus redet und sich für eine gerechtere, heilere Welt einsetzt. Zweierlei hat zu geschehen: «Verkündigung und Demonstration des angebrochenen Heils», namentlich im Einsatz für Unterdrückte, «als Stimme für die Freiheit … für die Fülle des Lebens, für Versöhnung und Frieden».

Beschenkt vom dreieinigen Gott

Während zwei Tagen erörterten die 25 Theologen, Dozenten und Pastoren, wie Kirche zu dem Instrument werden kann, mit dem Gott sein Reich voran bringt und vollendet. In der Arbeit an Thesen wurde betont, dass die Dynamik in der Kirche vom dreieinigen Gott kommt. Gott ist «inspirierendes Urbild gelebter Gemeinschaft … Die Ausrichtung auf den dreieinigen Gott bewahrt die Kirche vor Engführungen und Einseitigkeiten.» Damit die Kirche ihre Bestimmung erfüllen kann, müssen «die Weisheit und das geistgewirkte Potenzial vieler zum Tragen kommen».

Für den täuferischen Theologen und Bienenberg-Dozenten Thomas Dauwalter ist es wichtig, dass die Gemeinde Räume für die Erfahrung von Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist schafft. So können Menschen den Schöpfer, «Gott über uns, den Erlöser Jesus, Gott unter uns, und den Heiligen Geist, Gott in uns, erfahren». Gott hält Menschen durch die Gemeinde am Glauben, zitierte Dauwalter den deutschen Gemeindeforscher Michael Herbst. «Wer den Weg des Glaubens beenden will, muss in einer Gemeinde beheimatet sein.»

Datum: 21.01.2013
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet

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