Geborgenheit in der Kälte: erfolgreicher Zürcher ‚Pfuusbus‘

Pfarrer Sieber

Zürich – Wer in der reichen Stadt an der Limmat keinen Ort zum Schlafen hatte, der konnte im letzten Winter im Sattelschlepper übernachten. Der ‚Pfuusbus‘ der Sozialwerke Pfarrer Sieber auf dem Zürcher Albisgüetli-Areal verzeichnete seit November 1334 Übernachtungen, wie der Diakonie-Pionier Mitte April vor den Medien bekanntgab.

Im letzten Herbst hatte Ernst Sieber den ausgedienten Sattelschlepper-Auflieger organisiert, um dem steigenden Bedarf nach Notschlafplätzen in der Limmatstadt zu entsprechen. Nun ist er weggefahren worden. Der Obdachlosenpfarrer plant mit der Stadt eine Fortführung des Angebots im nächsten Herbst, wobei die Details noch nicht klar sind.

12 Plätze zum Schlafen – und viel Mitgefühl

Der ‚Pfuusbus‘, ein 17 Meter langer Auflieger, hatte 12 Schlafplätze; er war in den Wintermonaten fast jede Nacht voll. Tagsüber war die Unterkunft geschlossen. Die Sozialwerke Pfarrer Sieber boten Arbeitseinsätze und Gespräche an. Viele Gäste blieben einige Nächte; einige Drogenkranke hätten sich zu Therapien entschlossen, sagt Ernst Sieber, der sich während der letzten Monate ständig um den Pfuusbus kümmerte. Er erzählt von einer Frau, die nicht mehr reden konnte. Durch die liebevolle Betreuung im Bus habe sie das Stottern überwinden können.

Über Arbeit konnte sich das Team im Pfuusbus nicht beklagen: Die Stadtpolizei und die Sanität brachten Obdachlose und Randständige her, die sonst hätten erfrieren können. Die Notfallstationen der Spitäler riefen an oder brachten Personen vorbei, die sie verarztet hatten.

Auftrag der Christen

In der Betreuung von Menschen ohne Bleibe haben Private und besonders die Kirchen „einen eminent wichtigen Arbeitsbereich“, sagt der bekannteste Schweizer Pfarrer. Sieber zitiert die Zürcher Sozialvorsteherin Monika Stocker, die sagte, der Staat könne keine Liebe geben. Das heisst: „Dem Staat ist viel zuzutrauen, aber wo es um die Botschaft geht, müssen wir selbst anpacken.“ Der Pfarrer ist dankbar für die Unterstützung durch die Zürcher Landeskirche, die ihn für seinen Dienst an Randständigen freistellte und ihn weiterhin unterstützt.

Kirche im ‚Pfuusbus‘

Pfarrer Sieber äussert sich im Gespräch mit Livenet glücklich über die herzliche Atmosphäre im engen Auflieger, der für Randständige zu „einer Art Mutterbauch“ wurde. Zentral war die Tischgemeinschaft: Die Gäste wurden „herangeführt an das, was Nächstenliebe bietet. Wir teilten das Brot - Abendmahlstimmung“. Es gab Andachten und ab und zu Gottesdienste. Die Nächte dieses Winters („ich war von November bis Mitte Februar jede Nacht bis drei Uhr draussen“) waren für den greisen Pfarrer eine „neue Grunderfahrung“; sie hätten ihn an die Anfänge im legendären Bunker vor 40 Jahren erinnert.

Wesentlich fürs Gelingen der Initiative waren die 45 Freiwilligen, die Sieber fand. Die meisten setzten im Monat 2-3 Nächte für die Mitarbeit ein. Der Obdachlosenpfarrer betont die Sympathie, die die Notschlafstelle in der Nachbarschaft gewann. Ausdruck fand das Mitgefühl in vielen Lebensmittelspenden. Manche Anwohner brachten ganze Mahlzeiten, „Nudeln und Hackfleisch – fertig gekocht“.

Die Unterkunft war gratis; das Zusammenleben sei von der temporären Gemeinschaft in Vollversammlungen fortwährend selbst geregelt worden, sagt Sieber. Das Alkoholverbot wurde durchgehalten – sogar als die Polizeivorsteherin der Stadt Zürich, Esther Maurer mit einem Früchtekorb vorbeikam. Der Verantwortliche der Obdachlosen-Gemeinschaft habe die Weinflasche herausgenommen und ihr zurückgegeben...

Datum: 22.04.2003
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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